Geschichten:Aus dem Schatten zurück ins Licht - Aufbruch nach Neerbusch
Irgendwo im Reichsforst, Mitte Praios 1035 BF:
Edorian von Feenwasser saß mitten im Reichsforst an einem knisternden Feuer zusammen mit den anderen Junkern die sich nach dem Brandlöschen gen Neerbusch aufgemacht hatten – mit einiger Verspätung, ging die Sauferei doch bis in die Morgenstunden, so dass keiner am nächsten Tag reisefertig war. Dies kam Edorian sehr entgegen, so hatte er Zeit einen Boten nach Waldlingen zu seiner Frau Mutter zu schicken. Die Magierin galt als Kennerin des Njertals und er wollte unbedingt nicht auf ihre Expertise verzichten. Doch hatte der Junker von Eibenhain seine Rechnung ohne Arnulf von Weißenstein gemacht. Dieser weigerte sich nämlich als Simiane Sumudai vom Mandlaril und ihr Schüler Iserion zu der Gruppe stoßen wollten mit diesem <Elfenweib> gemeinsam zu reisen. Letztendlich müsste Edorian klein bei geben. Ein kleiner Erfolg war ihm jedoch vergönnt, so konnte er glaubhaft darlegen, dass Iserion sein Knappe war, der ihn zu begleiten hatte – neben seinem anderen Knappen Linnert. Ein Schmunzeln zauberte sich auf Edorians Gesicht als er daran dachte.
Es war mittlerweile Nacht geworden und Edorian musterte seine Gefährten. Neben ihm im Schein des Feuers saßen Waldreich Firudan von Rossreut und Jorris von Alka. Beide sahen ausgeruht aus und unterhielten sich lebhaft mit Gerding von Gesselingen, dem der lange Ritt doch zu schaffen gemacht hatte, während sich Helmbrecht Firumir von Rossreut pflichtbewusst darum kümmerte dass das Feuer nicht ausging. Ihm gegenüber saßen Gumbrecht von Waldtreuffelingen und Wolfhardt von Hellrutsberge, die einen ausgelaugten Eindruck machten. Augenscheinlich waren sie nicht mehr in der besten Form, aber gehörten sie auch nicht mehr zu den Jüngsten, oder sie hatten beim Brandlöschen einfach zu viel gesoffen. Edorian hob die Nase, roch es hier etwa nach Gebrannten oder hatte er den Geruch noch von den vergangenen Tagen in der Nase? Nein, er irrte keineswegs, Bernfried von Hagenbronn und Leomar von Breitefurten genehmigten sich einen ordentlichen Schluck feinsten Brand, um die Kräfte für den morgigen Tag zu stärken wie beide einmütig von sich gaben, was für allgemeine Erheiterung sorgte. Etwas Abseits unterhielten sich Ugdalf von Eynweiher und Leomar von Zweifelfels über das weitere Vorgehen, war es den Niederadligen doch noch immer nicht gelungen einen Pfad ins Njertal ausfindig zu machen – was wohl vor allem daran lag, dass Arnulf von Weißenstein beständig den Orientierungssinn von Edorian infrage stellte und über seine waldläuferischen Fähigkeiten herzog. Zudem behagte sich Arnulf mit Ugdalf von Eynweiher und Leomar von Zweifelfels darüber wer denn die Gruppe führen sollte. Edorian hatte sich aus diesem kleinkarierten Geplänkel schnell zurückgezogen. Stattdessen schickte er seine beiden ´Knappen` Holz holen. Die alternde aber noch äußerst rüstige Junkerin von Zyrbelstein bestand darauf die Jungen zu begleiten. Erst war Edorian etwas unwohl bei dem Gedanken, wusste er doch was man hinter vorgehaltenen Mund über Nartara Rondratreu von Zweifelfels sagte, aber tat er dies als dummes Geschwätz ab, sah sich seine Familie doch auch immer wieder Verleumdungen ausgesetzt.
Ein schmerzverzerrter Schrei ließ Edorian aufhorchen und umgehend seinen Rapier `Schwalbenflug´ ziehen. Die übrigen Junker zogen ebenfalls ihre Waffen. Was war passiert? Verunsichert schauten sich die Niederadligen an. Neben den drei Brennholzsuchern fehlte ebenfalls Arnulf von Weißenstein. Edorian erinnerte sich das er sich vor ein paar Minuten von dem Lager entfernte – vermutlich um sich zu erleichtern. Mit gezückten Schwertern und Fackeln bewaffnet bewegten sich die Junker langsam in die Richtung woher die Schreie kamen. Junker Hartwulf Gerbald von Hasenwaldeck war es schließlich der Arnulf am Boden liegend fand.
„Ahhh“, schrie der Weißensteiner mit schmerzverzerrtem Gesicht und hielt sich sein rechtes Bein, „der Wald hat mich angegriffen... Er wollte mich töten.“
Sofort eilte Anshelm von Weißenstein, der Sohn des verletzten Junkers herbei und begutachtete die Verletzung. „Sein Bein ist gebrochen, er muss zu einem Heiler. Odumir, Podewyk, helft mir meinen Vater ins Lager zurück zu tragen!“
Während die hohen Herrschaften den Verletzten notdürftig versorgten, mutmaßten die anderen was denn wohl passiert war. Mittlerweile waren auch Nartara und die beiden Jungen mit Brennholznachschub wieder im Lager eingetroffen.
„Bei Rondra, glaubt ihr dem Weißensteiner?“, fragend schaute Rantalla von Hohenfels in die Runde.
„Warum sollte sich Arnulf das ausdenken?“, erwiderte Radobert von Waidbrod, „Außerdem kann man dem Reichsforst nicht trauen, vergesst nicht, er hält auch meinen Vater in seinen Fängen.“
„Ach, der Weißensteiner hatte bestimmt einen über den Durst getrunken und ist dann über eine Wurzel gestolpert.“ Edorian konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen und auch die anderen Junker waren sichtlich amüsiert.
Nach einer kurzen Beratung wurde schließlich entschieden, dass Sari von Linara-Grünweiden und Edorians Knappe Linnert von Hartwalden-Hartsteen den verletzten Arnulf von Weißenstein aus dem Reichsforst geleiten würden, brauchte der Junker doch wahrlich die Hilfe eines kundigen Heilers.
„Werter Arnulf, hättet ihr es meiner Frau Mutter gestattet uns zu begleiten, hätte sie euch an Ort und Stelle heilen können, wie ihr wisst ist sie Anconitin, aber so....“
Der hasserfüllte Blick des Angesprochenen sprach mehr als tausend Worte. Edorian genoss diesen Moment sichtlich, auch wenn er wusste, dass er sich die Weißensteiner nun endgültig zum Feind gemacht hatte. Ihm war es gar nicht so unlieb seine Gemahlin und seinen Knappen ziehen zu lassen, war doch Sari guter Hoffnung - ein Grund warum sie beim Brandlöschen keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hatte - und Linnert schien sich hier draußen im Reichsforst eh nicht so wohl zu fühlen. Etwas umtrieb Edorian dann aber doch, was wenn Arnulf die Wahrheit gesagt und der Wald tatsächlich nach ihm gegriffen hatte? Edorians Blick wanderte zu seinem ´Knappen` Iserion, der den Junker spitzbübisch anlächelte. Der Junker wurde das Gefühl nicht los, dass der Schüler seiner Mutter mit diesem Vorfall etwas zu tun hatte...