Geschichten:Aus den Tiefen des Waldes - Rat der Treuen
Burg Silz, Grafschaft Waldstein, 20. Praios 1043 BF:
Allessandrian folgte seiner Knappenmutter in den Burggarten, der so gar nicht wie einer eines herrschaftlichen Schlosses aussah. Vielmehr hatte er das Gefühl auf einmal an einem verwunschenen Ort zu sein. Wild wuchernd bahnten sich die Pflanzen ihren Weg und doch schien eine unsichtbare Hand sie zu leiten. Bäume und Büsche bildeten überdachte Gänge, die in allen erdenklichen Farben Blüten trugen. Natürlich gewachsene Bänke und Tische luden zum verweilen ein. An einem steinernen Brunnen plätscherte das kühle Nass aus vier Füllhörnern. Die Staue inmitten des Brunnens zeigte eine elfisch aussehende Frau, deren Augen verbunden waren. Dutzende Vögel labten sich am frischen Wasser und erfüllten die mittägliche Wärme mit einem vielstimmigen Gezwitscher. Staunend blickte sich Allessandrian um.
Unter einem großen Walnussbaum hatten sich bereits die anderen Gerufenen versammelt, darunter die Barone von Falkenwind, Osenbrück und Zweiflingen samt Gefolge. Auch Serrinmoor und Neerbusch waren vertreten. Allessandrian hatte sich sehr auf seinen Vater gefreut, der mit den übrigen Neerbuschern angereist war, doch für viel mehr als eine innige Umarmung hatten sie noch nicht die Zeit gehabt.
Plötzlich stupste Allessandrian jemand von der Seite an.
"Wusstest du, dass dieser Walnussbaum das ganze Jahr Früchte trägt? Er ist besonders bei den Eichhörnchen sehr beliebt."
Große, bernsteinfarbenen Augen blickten Allessandrian freundlich an. Sie gehörten einen ungefähr gleichaltrigen Mädchen.
"Ehm ... das wusste ich nicht", antwortete er etwas unbeholfen.
"Ich bin Yendara, ich diene dem Landvogt von Silz als Knappin."
"Freut mich. Ich bin Allessandrian, ich diene ... ."
"Der Baronin von Linara, ich weiß." Yendara lächelte.
"Aber woher ... ."
"Ich das weiß?", unterbrach ihn das Mädchen keck. "Ich weiß es eben."
"Viele haben den Ruf der Gräfin vernommen und sind nun hier." Allessandrian versuchte mit einem Themenwechsel seiner Verwunderung darüber zu überspielen, warum die Knappin des Silzer Landvogts ihn kannte.
"Vielmehr ist doch interessant wen die Gräfin NICHT gerufen hat." Yendara lächelte verschmitzt.
Beide richteten ihre Aufmerksamkeit auf drei Personen die den Kreis betraten. Es war Gräfin Allechandriel Quellentanz, die von Landvogt Vallbart von Falkenwind und Burgvögtin Mayana Schwalbenflug begleitet wurde.
Allessandrian war schier überwältigt von der Erscheinung der mysteriösen Elfengräfin. Sie war großgewachsen und trug ihre vollen, goldblonden Haare nur durch ein mit Federn geschmücktes Stirnband gebändigt. Ihre warmherzigen, bernsteinfarbenden Augen ruhten einen Augenblick auf den Jungen, was sein Herz unverzüglich höher schlagen ließ, bis die alterslos erscheinende Herrin des Landes ihre liebliche Stimme erhob.
"Sanyasala, laiama! Ich heiße euch willkommen, Freunde des Waldes! Die namenlose Finsternis hat uns einen Blick in die Zukunft unseres Landes offenbart in der das mandrala, die Seelenkraft des Waldes, vom alles vernichtenden zerza aufgezehrt wird.
Ich habe euch, laiama, am dritten Jahrestage des Korgonder Zeichens der heiligen Erde, als das Land sich gegen die Schergen des Erzverderbers erhob, zu mir gerufen, um das nurdrala, die Lebenskraft des Waldes zu schützen.
Blutrot färbt sich das dao, das Sein, in den finsteren Visionen, doch es gibt Hoffnung. Diese ist in den Wurzeln unseres Landes, in unseren Wurzeln zu finden. Jeder telor, jeder Mensch kennt das Lied von Werdomar Elfenfreund, der Frieden überall dorthin brachte, wohin er ging.
Ich berufe hiermit all jene, die dem Wald und der Au im Bunde dienen zu mir um Rat zu halten! Eorla! Es soll sein!"