Geschichten:Begegnungen - Der erste Reiter (Teil 2)
Einige Tage suchten sie nach einem Strohhalm, und die Gelehrten betonten immer wieder, dass - bei allem Respekt vor St. Simold - Selo der deutlich angenehmere und vor allem geduldigere Gesprächspartner wäre. Denn Selo genoss diese Arbeit - solcherlei Dinge waren schon immer seine Leidenschaft gewesen und außerdem konnte er dadurch gleichzeitig viel über sein Volk lernen. Oft war er bis tief in die Nacht aufgeblieben, weil er sich nicht satt sehen konnte und hatte sich selber immer wieder disziplinieren müssen, um bei der Sache zu bleiben, weswegen er gekommen war.
Schlussendlich fanden sie etwas von dem Selo hoffte, doch noch etwas bei Eslam bewegen zu können. Und so war er nach einem länger als geplanten Aufenthalt wieder nach Besh Hassal Ammay Shar gereist.
Dort stellte er sich lauthals vor das Tor und rief in etwas holprigem "Hajbar'ouga Al'salainammyin! Era'hat a al'Muktur'a ada Babur'Nebachosya!" (gar. etwa: Sehet den ersten Reiter, er kündet von der Unbesiegbarkeit der (Babur-)Nebachotischen Krieger!). Einer ersten Verwunderung und Lachen folgte leichter Groll bei den Wachen am Tor ob des bekannten Störenfriedes. Doch Selo ließ sich nicht von seinem Tun abbringen und versuchte gar nicht erst auf seine übliche Art um Einlass zu bitten. Und irgendwann stand Eslam höchst selbst am Tor, ungehalten ob dieser lächerlichen Störung. Er foderte Selo auf ihm dieses Verhalten schnellstens zu erklären, da er ihn sonst die Ehre nehmen und davon jagen würde - Simolds Bruder hin oder her.
Selo hoffte, sich nicht allzu sehr aus dem Fenster zu lehnen als er daraufhin begann eine alte Tradition zu rezitieren und diese noch gewaltiger auszuschmücken als sie ohnehin schon war.
Die Sage die er erzählte kündete von der großen Ehre des "Sal'ainammyin" - des „Ersten Reiters“- einem Mann, der dem Feind das Fürchten lehrte noch vor der Ankunft des Heeres. Einem Krieger der von dem Mut der Nebachoten zeugte in dem er sich alleine dem Heer des Feindes entgegen stellte und von der Unbesiegbarkeit der (Babur-)Nebachotischen Heerscharen kündete. Tränken und weihen sollte er das erwählte Feld mit seinem und dem Blut der Feinde, dem blutigen Heerführer und seiner Mutter zum Wohlgefallen.
Selo erinnerte sich genau an den Moment nach seinem Monolog vor den Toren des Palasts der Pferde. Er war sich nicht sicher gewesen ob er zu weit gegangen war den Al’Shuar über vermeintliche kriegerische Traditionen zu „belehren“, zumal es auch nicht gänzlich klar war ob es sich bei dieser Sache nicht doch eher um eine blumige Sagengeschichte handelte.
Für Selo fast schon überraschend fand der Brendiltaler Baron anscheinend Gefallen an dem mutigen Auftritt Selos und ließ ihn ein. Im weitläufigen Garten sprachen sie dann unter vier Augen und Selo berichtete Eslam noch mehr über den ersten Reiter.
Danach war er bei weitem offener für die Idee Selos und Lyns, doch immer noch sehr skeptisch. Also erzählte Selo ihm von Morganabad und verwies immer wieder darauf, dass selbst ein noch so großes Heer Eslam nichts brächte, wenn dieses uneins und zerstritten wäre. In blumigen Worten erklärte Selo dem Baron, dass er dem er nur entgegen wirken konnte indem er sich klar auf Siyandors Seite stellte, um wieder Ordnung unter die Nebachoten zu kriegen, zumindest so lange bis der drohende Krieg vorbei war, denn Eslam hielt unumstößlich daran dass Haffax hier in Perricum angreifen würde, abgelaufenes Ultimatum und Todesgerüchten zum Trotz.
Schon vor dem Gespräch war Eslam klar gewesen, dass er Unruhe in seinen eigenen Reihen nicht gebrauchen konnte. Dass Simold es zwar es geschafft hatte, die Stämme näher rücken zu lassen, aber dies nun durch seinen Tod ein brüchiger Frieden war bzw. schon brach. Und dass es nun es an anderen lag - an ihnen - dies wieder zu ändern und ein Heer aufzustellen wie es das Reich und vor allem der Feind noch nie gesehen hatte.
Selo trug dick auf aber schlussendlich lenkte der große Eslam ein, auch wenn es ihm nicht recht behagte.
Es sollten Blutspiele in Haselhain stattfinden, eine kleine Heerschau - um dem Feind nicht die Karten völlig offen zu legen - um einen ersten Reiter zu küren und allen zu zeigen dass die Nebachoten nicht am Boden lagen.
Zu diesem Zweck würde Eslam auch einen Ruf nach Baburistan senden. Am Ende verriet Eslams grimmig-entschlossener Blick Selo, dass es nun kein Zurück mehr gab.
Gerade als seine Gedanken zu dem abendlichen Weingelage gingen, sah Selo auch schon die Dächer des Guts Lassar a Yar’Ammayin in der Abendsonne glänzen.
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