Geschichten:Begegnungen - Unpassende Momente

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Baronie Haselhain,Hassal’han Ammayin, Ende Travia 1037 BF


„Das sind schlechte Neuigkeiten. Und er wird in den nächsten Tagen ganz sicher nicht wieder auf die Beine kommen?“, Selo sah skeptisch aus.

„Nain, Hohär Härr, ganz sichär nicht. Auch wenn är sich wiedär erholen wird, braucht är jetzt Ruhe und sollte gewisz keine Raise tun.“, ließ der gelehrte Heiler vor ihm keinen Zweifel.

„Nun gut, aber ich werde jetzt trotzdem mit ihm sprechen. Ihr könnt gehen, haltet Euch aber bereit.“

„Natirlich, Hohär Härr, wir habän immär ain Auge auf dän Baron.“

Dann wandte sich der recht kleine Mann von Selo ab und er sich Richtung Tür hinter ihm. Selo hatte seit seiner Ankunft hier noch nicht recht die Zeit gefunden seinen neuen „Schützling“ zu begrüßen bzw. sich ihm vorzustellen. Er und Eslam hatten beschlossen, dass der Junge zu dem anstehenden Treffen der Weisen in Morganabad reisen sollte um dort Präsenz zu zeigen und unter evtl. Parteigängern Verbündete und vielleicht sogar eine zukünftige Verlobte zu finden, damit sein Stand hier schnell gefestigt würde. Doch der Junge erfreute sich, das hatte er jetzt schon mehrfach gehört, nicht der allerbesten Gesundheit, schlimmer noch, kränklich und schwach sollte er wirken, nicht grad das was die Nebachoten als Anführer ansahen und ausgerechnet jetzt hatte ihn eine Grippe erwischt.

Und tatsächlich das Kind das vor ihm im Nachtgewand, halbaufgerichtet im Bett saß wirkte nicht wie ein 11jähriger, viel zierlicher und kleiner. Etwas blaß und verschwitzt, doch mit einem herzlichen Lächeln gesegnet, wie Selo feststellen musste, als der Junge ihn mit einem leisen und freundlichen „Den Göttern zum Gruß, Hoher Herr, Ihr müsst Selo von Pfiffenstock sein, mein Onkel.“ beinahe dialektlos begrüßte.

„Seid gegrüßt, Euer Hochgeboren, Euer scharfer Geist trügt Euch nicht. Ich bin der Bruder Eurer Mutter und Eures Onkels. Ich kam Anfang des Monats geradewegs aus der Mitte des Reiches wo mich die traurige Kunde vom Tode unseres Anverwandten leider erst sehr spät erreichte.“

Das hagere Gesicht des Jungen verzog sich abermals zu einem feingeistigen Lächeln und Siyandor kicherte fast mädchenhaft, bevor ihn ein leichter Hustenanfall kurz aus dem Konzept brachte: „Wo Ihr herkommt höre ich an Eurer „eloquenten“ Art zu reden. Du beherrscht doch das nebachotische Tulamidya oder?“, beendete er seinen Satz auf eben jenem.

„Mehr schlecht als recht, Euer Hochgeboren. Ich war lange fort.“, war die verlegene aber amüsierte Antwort Selos auf die spitze Zunge seines Neffen, die ihn sehr an seinen großen Bruder in Kindertagen erinnerte, soweit er das noch konnte.

„Ich kenne Eure Geschichte - ich kann es Euch wieder beibringen. Und unter uns können wir gerne unformell reden, ich kann mich eh nur schwer an das alles gewöhnen.“, Siyandor richtete sich etwas umständlich weiter auf. „Setz dich doch, Onkel.“

Selo fühlte sich das erste Mal fast heimisch als der Junge einen großzügig verzierten Hocker näher an sein Bett zog und einladend auf dessen Sitzfläche klopfte und auf den sich Selo kurz darauf niederließ. „Sicher, Neffe, sehr gerne. – Ich kann mir vorstellen, dass das alles noch sehr schwierig für dich ist und unter uns, ich weiß auch noch nicht wirklich mit all dem umzugehen. Jedenfalls bleibe ich wohl eine Weile hier, es war der Wunsch deines Onkels, kurz bevor er starb. Und ich weiss nicht einmal warum…“, „Vermutlich weil du sein Bruder bist, Onkel, sowas verbindet, auch über Jahre und Meilen hinweg.“, warf Siyandor kurz ein.

Selo kam nicht umhin gerührt zu lächeln, der erste der ihn hier verstand war ein kränklicher, kleiner Junge, dann besann er sich wieder: „Ja, da magst du recht haben. Und wohl auch meine Schwester, deine Mutter, gab wohl ihren Segen dazu, der Baron von Brendiltal händigte mir ein Schreiben von ihr diesbezüglich aus als ich ihn besuchte. Ein……...beeindruckender Mann.“

Der junge Baron lächelte wissend bei Selos Beschreibung des neb. Heerführers: „Ich denke das ist mir Recht, Onkel, sonst wäre ich hier in dieser riesigen Feste wohl auch gänzlich allein, wobei ich das ja auch schon gewohnt bin. Mutter sehe ich nur noch selten wegen ihren neuen Verpflichtungen und ihrer neuen Familie in Aranien und nunja Onkel Simold ist jetzt tot, aber auch vorher war er lange unterwegs und ich hier allein mit meinen Ärzten und Leibwachen.“, ein Schadenfreudiges Lachen und Husten folgten, dann ein etwas trauriger Blick.

„Und was ist mit der Vögtin? Ich traf sie auf dem Weg hier her.“

„Lyn?! Sie wohnt nicht hier. Sie hat ein Gut weiter gen Rahja. Sie kommt ab und zu um nach dem Rechten zu sehen, wir verstehen uns ganz gut. Aber auch sie ist viel beschäftigt und hat ja noch ihren Sohn in Brendiltal. Er ist etwas jünger als ich, wird aber auch der nächste Baron, weil sein Vater tot ist. Ich glaube manchmal ich erinnere sie an ihn.“, Siyandor legte einen melancholischen Blick auf, den wohl nur sein Onkel wirklich zu deuten wusste, zu sehr kannte er diesen Blick. „Nun, Neffe, ich denke ich verstehe mich auch mit ihr und wir werden mal sehen was uns unsere gemeinsamen Aufgaben hier bereithalten, die Götter wissen was da kommen mag. Und deswegen will ich dich nicht weiter von deiner Ruhe abhalten damit du schnell wieder zu Gesundheit findest.“ Mit diesen Worten erhob sich Selo wieder vom Hocker.

„Ach, gestört hast du mich ganz sicher nicht, Onkel, im Gegenteil wenn der Körper schon schwach ist sollte man den Geist wach halten. Aber bevor du gehst, mir war als wolltest du nicht einfach nur vorstellig werden, was war dein Anlass?“, der Junge war ziemlich aufgeweckt stellte Selo erneut fest. „Lass gut sein. Vielleicht behellige ich dich ein anderes Mal damit. Jetzt sollst du erstmal ruhen, das sei wichtig sagten die Ärzte.“

„Achwas, die sagen viel. Selo von Pfiffenstock, ich als Euer Baron rate Euch mit wichtigen Anliegen sofort zu mir zu kommen.“, mit einem Mal lag ein ernster Zug in seinem schmalen Gesicht, der nur sanft von einem Lächeln umspielt wurde und Selo musste erst seine Überraschung darüber abschütteln: „Nungut, Euer Hochgeboren, wie Ihr wünscht. Ich kam ursprünglich mit dem Anliegen Euch den Ratschlag zu geben das Treffen der Weisen in Morganabad aufzusuchen und dort Präsenz zu zeigen, da Ihr Euch bei solchen Anlässen zeigen solltet. Um…“

„…eventuelle Verbündete etc. zu finden?!“, beendete Siyandor Selos Satz.

„Ja, und da ich Eurem Scharfsinn nichts zu verbergen zu können scheine – Eslam von Brendiltal, Eure Mutter und ich sind der Meinung dass es auch gut wäre sich nach einer passenden, baldigen Verlobten umzusehen. Doch Eure Ärzte raten dringend von einer solchen Reise ab und ich muss ihnen zustimmen, auch wenn mir das nicht gefällt. Deshalb möchte ich Euch ersuchen mich mit einigen Begleitern an Eurer statt zu schicken.“

Etwas zerknirscht verfluchte Siyandor innerlich seinen kränklichen Körper, nickte dann aber: „Dies sei Euch gewährt. Wahrscheinlich ist es das Beste so. In Anbetracht der Dinge.“

Selo nickte, verbeugte sich dann, mehr als es üblich war: „Es war mir eine Ehre Euch kennen lernen zu dürfen, Euer Hochgeboren. Mögen dich die Götter segnen.“ Endete er auf kantigem Nebachotisch und wandte sich um.

Als er schon fast die Tür erreicht hatte erhob Siyandor noch einmal die Stimme: „Für mich auch, Onkel. Und…………..zieht Euch besser was anderes an wenn ihr nach Morganabad geht.“ Ein leises Lachen folgte Selo noch bis draußen vor die Tür. Er blickte an sich hinunter. Na das konnte ja was werden, ein kränklicher Junge, eine raulsche Vögtin und ein garetischer Geck wie er…

(Nachgehender Heroldartikel: Treffen der nebachotischen Weisen und Gelehrten)