Geschichten:Begegnungen am Wegesrand - Parinor

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Dramatis personae:


Auf der Reichsstraße nach Perricum, 17. Efferd 1038 BF

Toran war nun schon seit etwas mehr als eine Woche unterwegs. Sein Auftrag führte ihn nach Perricum, wo er ein Schiff nach Beilunk nehmen sollte, um dort eine Nachricht zu überbringen, nur um anschließend weiter nach Warunk zu reiten. Bisher war das Wetter angenehm lauwarm gewesen, doch seit zwei Tagen zogen vermehrt Wolken über den Himmel und ab und an gab es einen Regenschauer. Der Magier freute sich bereits auf ein warmes Quartier für die Nacht. Denn noch würden sie einen Tag brauchen, bis sie in Perricum ankämen und Toran wußte daß es in einem Dorf, nicht weit von hier, die nächste Herberge gab.

Es war nicht das erste mal, daß er nach Perricum reiste. Als er seinen Posten in der Aufklärungsabteilung des garetischen Heeres angenommen hatte, wurde ihm der Transversalis-Zauber beigebracht. Infolge dessen mußte er viele Städte besuchen und andere wichtige Orte bereisen, um die dortige magische Aura in sich aufzunehmen, damit er dorthin mithilfe seines neuen Zaubers innerhalb kürzester Zeit reisen konnte. Es war eine langwierige Unterweisung gewesen, aber es hatte sich gelohnt.

Der Grund warum er aber diesmal nicht auf diesen Zauber zugriff und stattdessen die konventionelle und längere Reisemethode wählte, waren seine beiden Begleiter und die Ausrüstung, die sie mitnahmen. Gerion, Balriks Sohn, der ihm den Zauber beigebracht hatte, war vielleicht in der Lage, diese mit seinem Zauber mitzunehmen; Toran allerdings war darin nicht gut genug, als daß er das gekonnt hätte – allenfalls für kurze Strecken.

Sie waren zu dritt und auf Pferden unterwegs. Auf dem vierten Pferd wurden mehrere Brieftauben in Käfigen transportiert; und andere Dinge, die für die hohen Herrschaften in Perricum von Bedeutung waren.

Raul und Tolak, so hießen seine beiden Begleiter, stritten gerade über die Farbe des Hengstes eines Reiters, das sie vor einer halben Stunde überholt hatte.

"Helles, strahlendes Weiß, mit einer leichten Schwärze am Rist", meinte der eine, während der andere sagte: "Nicht strahlend. Es glänzt! Ein glänzendes Weiß mit einer gräulichen Abstufung am Rist."

Die beiden waren ständig am Streiten. Toran hatte fast den Eindruck, wenn der eine eine Meinung hatte, dann hatte der andere von Prinzip aus die andere. Und dabei meinten sie meist genau das selbe! Anfangs hatte Toran noch versucht, die Streitereien zu schlichten, hatte aber schnell festgestellt, daß das nichts brachte. Denn wann immer er sie darauf ansprach, waren sie tatsächlich einer Meinung, nämlich daß sie nicht stritten und lediglich ausgiebig über ein Thema diskutierten. Mittlerweile hörte Toran kaum noch hin.

Immerhin waren sie aber trotz ihrer "Diskussionen" nicht unaufmerksam. So hatte Raul bemerkt, daß Torans Pferd ein lockeres Hufeisen hatte und kurzerhand hatten beide selbst das Werkzeug ausgepackt und ein neues aufgeschlagen. Toran war überrascht gewesen, wie sie plötzlich Hand in Hand arbeiten konnten. Wie er später herausfand, waren die beiden Brüder und die Söhne eines kinderreichen Schmieds.

Als Toran wieder nach vorne blickte, sah er bereits das Dorf mit der Herberge. Das war auch gut so, denn es fing bereits an zu dämmern. Dieses Dorf hieß Sabadonn, wenn sich Toran richtig erinnerte, und stand auf einem flachen Sandhügel und hatte nicht mehr als dreihundert Einwohner.

Tatsächlich gab es hier zwei Gasthäuser. Der Sultan von Nebachot wurde von einem rommilyser Wirtsehepaar geführt, die die Reisenden mit den Klängen tulamidischer Musikinstrumente und einem südländischen Ambiente auf die fremde Kultur einstimmten. Die Küche war allerdings mittelreichisch. Das andere Gasthaus war der Fuhrmanns Ruh. Dieses wurde mehr von Fuhrknechten oder den Flußschiffern aufgesucht. Es war nicht so teuer, wie der Sultan, dafür ging es hier aber lebhafter zu. Und wenn man das Pech hatte, konnte man sogar in eine Rauferei geraten.

Toran beschloß das erstere Gasthaus aufzusuchen und überließ es seine beiden Begleiter, die Tiere in den Stall zu bringen.

Es war nur eine glückliche Fügung des Schicksals, dass er den kleinen Jungen, der urplötzlich vor ihm stand nicht einfach über den Haufen rannte. Er stoppte mitten in der Bewegung und wollte das Bettelkind gerade fortscheuchen, als etwas an seinem Blick ihn davon abhielt. Der Junge lächelte ihn freundlich an und schien fasziniert.

"Du siehst anders aus als die anderen", meinte er mit klarer Stimme. Toran nickte, immerhin war er als Magier von weit her eine Erscheinung, die der Bauernjunge bestimmt nicht so oft sah. "Ja, ich komme nicht von hier ..."

"Parinor!", vernahm er jetzt die klare Stimme einer freundlich aber durchsetzungsfähig wirkenden Peraine-Geweihten, die gerade um die Ecke bog.

"Junge, komm doch. Wir müssen gleich weiter, was machst du nur schon wieder? Immer träumst du." Sie verdrehte die Augen und lachte.

"Aber Maya, guck doch!", quietschte der Junge vergüngt, zeigte auf Toran und begab sich aber schon folgsam in die Richtung der Rufenden.

"Peraine zum Grüße", grüßte die Geweihte den Magier. "Tut mir leid, er weiß nicht immer was sich gehört. Aber so sind sie nun einmal", lachte sie und wandte sich ihrem Zögling zu. "Ja, aber was ist denn, warum bist du denn so aufgeregt?"

"Ja siehst du das denn nicht?" Er hüpfte schon beinahe vor Aufregung.

"Was? Was soll ich sehen?" Ihr Unverständniss schien ihn ein wenig zu nerven und Parinor sprach leiser, aber wie alle Kinder nicht leise genug.

"Aber das sieht man doch! Der Mann da leuchtet!"

Nicht nur Maya sah den Jungen verblüfft an, auch Toran glaubte erst seinen Ohren nicht zu trauen. "Ich leuchte?", fragte er.

"Aber was sagst du denn da, Parinor!? Der Mann leuchtet doch nicht", sagte die Geweihte, doch Toran glaubte zu wissen, was der Junge meinte und sprach eine kurze Zauberformel um seine Theorie zu überprüfen. Jetzt sah auch Toran den Jungen in einem leichten rötlichen Schimmer "leuchten": Der Junge war von magischen Kräften durchdrungen.

"Seid Ihr die Mutter?", fragte er die Geweihte.

"Ja", antwortete sie und holte tief Luft. "Aber ich habe ihn nicht geboren. Parinors Mutter hat ihn mir überantwortet, bevor sie verschwand und wird in unserem Kloster aufgezogen."

"Verstehe", meinte der Magier. "Ihr solltet den Jungen in der nächsten Magierakademie einmal überprüfen lassen", fuhr er fort. "Ich vermute, daß er die Gabe der Magie in sich trägt und mich deshalb leuchten sieht. Er kann magische Lebewesen erkennen."

Die junge Frau schaute ihn erst erschrocken und ungläubig an und wollte was erwidern, als sie auch schon zu ihren Pflichten gerufen wurden. Augenscheinlich gab es Fieber in einem der Häuser und sie sollte helfen.

Sie nickte Toran noch einmal zu. "Habt Dank für Euren Rat. Ich werde ihn mir zu Herzen nehmen." Und sie verschwand dann auch mit dem Jungen, der ihn noch einmal angrinste und hinterher trabte.

Später am Abend hatte Toran es sich in der Herberge in einer Ecke gemütlich gemacht, lauschte dem Klang der Dhabla und Raul und Tolak waren in ein Gespräch vertieft, das sich über die Unterschiede von Tulamiden und Nebachonten handelte (Raul war der Meinung, das es da keinen gab und Tolak war natürlich anderer Meinung), als die Geweihte wieder erschien und an seinen Tisch trat. "Darf ich mich setzten?", fragte sie ihn unvermittelt. Er wusste, Peraine-Geweihte waren eher prakmatisch veranlagt und somit meist direkt und vermieden oft Floskeln - eine Art und Weise die er in letzter Zeit nicht oft genießen durfte bei all den Ränkespielen. Er nickte.

Sie schien bekümmert und er nippte an seinem Getränk und wartete ab was sie zu sagen hatte.

Sie holte tief Luft.

"Ich hatte schon länger die Vermutung, dass mein Junge ein wenig besonders ist. Dauernd und ständig macht er merkwürdige Dinge und redet mit sich selbst. Und ihr müsst verstehen - nichts gegen Eure Zunft - ich wünsche mir das er wo aufwächst, wo er sich geliebt und geborgen fühlt, denn ich liebe ihn sehr. Dennoch verstehe ich, dass so eine Begabung Richtungen bräuchte um nicht zur Gefahr zu werden - insofern sie denn vorhanden ist." Toran nickte, wartete die weiteren Worte ab.

"Ich sehe, dass ihr es eilig habt - sogar wir merken, dass irgendwas vorgeht. Man merkt es an den Händlern aus den Städten und der Stimmung allgemein. Aber, ich weiß es ist nicht einfach für uns darum zu bitten, würdet ihr vielleicht Parinor und Sannah - ihr kennt sie noch nicht, aber sie sollte ihn dann begleiten, mitnehmen nach Perricum? Ein Pferd haben wir, dass die beiden nehmen können. Sie würden Euch auch nicht zu Last fallen. Ich denke in Perricum ist ja die nächste Akademie. Und wenn Euer Zeitplan es erlaubt, ihn dort abzugeben? Ich möchte nicht, dass er schlecht behandelt wird und Ihr seid ... definitv jemand auf den sie hören würden."

Es war der Geweihten sichtlich schwer gefallen, diese Bitte auszusprechen.

Oh. Das hatte Toran nicht erwartet. "Ich bin nicht sicher, ob ich die Zeit dafür habe", meinte er nachdenklich. "Ich meine, es besteht keinen Zeitdruck, daß er sofort untersucht werden muß. Wie alt ist denn der Junge? Nicht älter als sechs Jahre würde ich sagen."

"Er ist fünf."

"Gut, fünf Jahre. In der Akademie wird man ihn lediglich erst untersuchen und feststellen, ob er wirklich Hesindes Gaben in sich trägt. Anschließend wird man ihn wieder nach Hause schicken und den Eltern, also Euch, Anweisungen für die weitere Erziehung des Jungen mitgeben, bis er schlußendlich alt genug ist als Eleve in einer Akademie aufgenommen zu werden. Das wird nicht früher als mit neun oder zehn Jahren der Fall sein. Versteht mit nicht falsch", ergänzte Toran. "Ich kann ihn gerne mit nach Perricum nehmen und an der Akademie mit ihm vorstellig werden. Für die Rückreise allerdings müßte jemand anderes den Jungen begleiten."

Sie nickte erfreut.

"Für die Rückreise zum Kloster kommt Sannah mit und dann Reisen sie mit einem befreundeten Händlerpaar, das stellt kein Problem dar. Es ist besser es jetzt zu wissen und zu erledigen, als es auf die lange Bank zu schieben. Ich danke Euch. Wann brecht ihr Morgen auf? Und ...", sie lächelte, während der Magier zu seinem Becher Wein griff, "verratet Ihr mir noch Euren Namen?"

Bei Travia! Wo war nur seine gute Erziehung? Toran wollte sofort sein Becher wieder auf den Tisch stellen um sich angemessen vorzustellen, so wie es gute Sitte war, doch war er dabei zu hecktisch und der Becher kippte um. Die Geweihte mußte aufspringen, doch war sie zu langsam und ihre Robe tränkte sich mit verschüttetem Wein.

"Ihr guten Götter", stieß Toran hervor. "Das tut mir so leid!" Er rief nach der Schankmagd, daß sie ihm einen Lappen zum Aufwischen holen sollte. "Ich bin manchmal so ungeschickt", versuchte er sich bei der Geweihten zu entschuldigen, während er den angerichteten Schaden so gut zu beheben versuchte, wie es ihm möglich war. Während er das tat, bemerkte er zuerst kaum das die Bewegungen die er da mit dem Lappen vollführte vielleicht auch nicht ganz der Schicklichkeit entsprachen, aber Raul und Tolak konnten sich ein Lachen nicht verkneifen und wiesen ihn damit darauf hin. Er wich zurück und wäre beinahe über einen Stuhl gestolpert, aber sie hielt ihn fest und lächelte nur freundlich. "Natürlich werde ich den Schaden ersetzen.", meinte er leicht hektisch.

Als das Schlimmste behoben war, stellte er sich letztlich formvollendet mit einer leichen Verbeugung vor. "Mein Name ist Toran von Sturmfels aus dem Hause Sturmfels und Absolvent des Informations-Istituts zu Rommilys."

"Ich bin Schwester Maya, aus dem Kloster hier in der Nähe. Wenn ihr auf Euren Reisen mal Übernachtunsmöglichkeit oder einen Verband braucht und in der Nähe des Klosters seid, bezieht Euch ruhig auf mich. Wir freuen uns immer, Freunde zu Gast zu haben. Wobei Magier ja zumeist selten profaner Heilung bedürfen."

Sie lächelte entwaffnend und Toran fragte sich, ob sie den Jungen wirklich gerade völlig Fremden übergeben wollte. Aber sie schien Vertrauen in ihn zu haben - aus welchen Gründen auch immer.

"Ich werde es mir merken, vielen Dank."



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Texte der Hauptreihe:
K2. Sannah
Autor: Balrik, Aurora