Geschichten:Bekennt euch, Frevler - Kein Licht in Dunkelsfarn
Baronie und Markt Dunkelsfarn, Ende Peraine 1041 BF
Der Krieger Mahelon schaute etwas verdrossen aus dem Fenster auf die recht karge Landschaft, hier im Nirgendwo zwischen Greifenfurt und der Rommilyser Mark. Er war hier immer noch nicht angekommen, in dieser kulturellen Einöde, er war Orte wie Haselhain, Perricum und Gareth gewohnt. Das hier war gänzlich...anders.
Das angewiderte Schnaufen seiner Gattin, der Marktvögtin von Dunkelsfarn, ließ ihn aus den Gedanken fahren. Er drehte sich zu ihr um, bereit sein Schicksal diesmal zu akzeptieren. Doch wie er Perainka dort stehen sah, wie sie sich in dem hochgradig glänzend polierten Silbergeschirr betrachtete und dort doch noch eine matte Stelle fand, die ihr Missfallen erregte, machte dieses Vorhaben wieder zu Nichte. Seine Gattin, hatte eine besondere Beziehung zu Schmutz und Staub, selbst wenn er hier nicht existierte. Da die geschundenen Bediensteten ihr Bestes gaben, das Bedürfnis nach Reinlichkeit ihrer Herrin zu befriedigen und das Haus hier am Markt von Oben bis Unten glänzte. Aber etwas anderes schien sie diesmal auch noch zu beschäftigen. Mahelon überwand sich und sprach sie an und hoffte es nicht zu bereuen:
"Was betrübt das Gemüt meiner Gattin? Sagt es mir, Perainka."
„Dieses nichtsnutzige Pack“, zeterte die Angesprochene unverhohlen los, so dass Mahelon wohl schon seine Worte doch bereute. „Die schaffen es noch nicht mal das Geschirr sauber zu halten.“ Missmutig und mit einem Ticken saureren Gesichtsausdruck legte die Schwester des Barons von Dunkelfarn das Silbergeschirr – das Herzstück und ganzer Stolz ihres Haushaltes in das dafür vor-gesehene, verschließbare Schränkchen.
„Ich meine“, fuhr sie immer noch sichtlich erregt fort, „werden die uns auch irgendwann lynchen? So wie es hier in der Mark nun scheinbar allerorten passiert? Nicht mal vor dem hohen Prälaten in Kressenburg haben die Halt gemacht. Abschlachten wollten die ihn – einen Diener unseres gleißenden Herren. Was denken die sich eigentlich?“ Das erste Mal während dieser Unterhaltung fiel ihr Blick auf ihren Gemahl und wie es schien, erwartete sie sogar eine Antwort von ihm.
Dieser war äußerst überrascht, nicht über den Ekel im Blick seiner Gemahlin, den kannte er nur allzu gut und er fragte sich manchmal ob sie wohl einen anderen Gesichtsausdruck hatte. Wie sollte er mit dieser Frau nur Nachkommen zeugen? Er würde sich überwinden können, aber sie?
Kurz musste er schmunzeln, als er sich dann der Frage wieder besann. "Wie meint Ihr, Perainka? Ah, Ihr meint diese Sektierer, nicht wahr? Diese "Bekenner" oder wie sie sich schimpfen.", unbewusst strich er sich über die Greifenstickerei an seinem Ärmelsaum, die einer Stickerei einer Sphinx gegenüber saß. "Ich muss zugeben, ich habe das noch nicht ganz verstanden. Einiges verhält sich hier doch gänzlich anders als in meiner Heimat. Gareth ist das Zentrum des Lichts auf Dere und als solches auch tief in die Politik verwoben, in Perricum pflegen wir eher eine sehr persönliche und stolze Verehrung zu Praios strahlendem Antlitz und seinen Tugenden." Passend dazu spürte er kurz dem Sonnenstrahl nach, der durch das Fenster seinen Rücken wärmte. "Aber hier, hier ist es nochmal anders. Die Diener des Gleißenden hier sind häufig dem Volke sehr nah und mehr dem Weltlichen als dem Lichte und der Kraft Praios' zugetan. Das ist ungewöhnlich, dennoch bewundere ich, dass sie die Worte des Fürsten so direkt unter die Menschen tragen und sich dabei nicht einmal genieren tatkräftig als Beispiel voran zu gehen, manchmal vielleicht sogar unter ihrer Würde, will ich meinen. Das könnte natürlich an der speziellen Verbundenheit dieser Lande mit dem Gleißenden und vor allem seinen Boten liegen." Ein kurzer Glanz lag in seinen Augen, als er die majestätischen Greifen erwähnte, er erhoffte sich inständig einmal einen leibhaftigen zu Gesicht zu bekommen. "Doch damit nicht genug - und hier verstehe ich nicht mehr gänzlich - hat die Greifenfurter Auslegung noch zusätzliche Strömungen hervor gebracht."
„Ihr verliert Euch in Nichtigkeiten, mein Gemahl“, begann Perainka mit sichtlich genervten Unterton. „Wie immer!“ Strafende Blicke trafen Mahelon. „Diese Ketzer maßen sich an die Allwissenheit des Götterfürsten mit ihrem Haferbrei gefressen zu haben. Sie denken, sie sprechen für das gemeine Volk. Welch Anmaßung! Jeder hat seinen Platz. Die Braniborier, gegründet von der Hartsteen – wie ironischerweise die ketzerischen Bekenner auch – gehören zu den Mystikern vor dem Herrn. Das dürfte Euch gefallen.“ Ein abschätziger Blick traf Mahelon. „Dabei zeichnen sie sich hier in der Mark durch eine große Volksnähe aus. Aber das tun hier eigentlich fast alle oder viele Praioten, oder sie geben es zumindest vor. Doch nicht jeder Märkische Prälat des Götterfürsten fühlt sich den Braniboriern zugehörig. Der in Kressenburg ist eher ein Traditionalist. Ein eitler, geltungssüchtiger Popanz, wenn ihr mich fragt. Kein Wunder, das er Ziel der Ketzer wurde. Wie dem auch sei, Fakt ist, die weite Verbreitung der Gerechtigkeits-Lehre der Braniborier hier in der Mark, hat das Wiedererstarken der sogenannten Bekenner erst ermöglicht. Der Funke war da, die Ketzer haben dann das Feuer geschürt. Der Weg von den Braniboriern zu den Bekennern ist nicht weit. Da könnt Ihr die Hartsteen fragen.“
Mahelon folgte kaum noch den keifenden Worten seiner Gattin, er hatte sich schnell angewöhnt, nur noch das Wichtigste zur hören und das war ohnehin selten, denn im Grunde hörte sie sich einfach gerne reden. Er selbst war damals - im fernen Gareth - nur sporadisch mit den Lehren der Braniborier in Berührung gekommen, erfrischend im traditionalistischen Gareth und in seiner grundlegenden und ursprünglichen Haltung auch dem Perricumer Wesen des Glaubens nicht unähnlich. Doch auch ebenso gefährlich wie man schnell durch einen Leinenweberaufstand in Greifenfurt auch im Herz des Reiches mitbekommen hatte. Solche tief mythisch-kleriale Gedanken überforderten nur allzu oft den einfachen Geist der Bauern und Fischer, deshalb hatten Praios und seine Ge-schwister jedem auch seinen Platz gegeben. Wenn einer fähig genug vor den Göttern war, konnte er sich erheben über seinen ursprünglichen Platz, aber das war nur wenigen gegeben. Ebenso wie ein anderer auch fallen konnte, wenn er seinen Platz überstrapazierte. Und genau deshalb konnte die Meinung dieser Braniborier Segen aber auch Fluch zugleich sein - ein Umstand den sie auch in der heiligen Queste Quanions bewiesen hatten. Dennoch oder gerade deshalb waren sie wohl nun ein wichtiger Pfeiler des Praiosglaubens, soweit hatte Mahelon es zumindest verstanden. Doch diese Bekenner, von denen er zuvor erst einmal gehört hatte, waren von anderem Holze. Wo die Braniborier noch den Prinzipien des Hohen Drachen der Gerechtigkeit folgten - in alle Richtungen denkend - gefielen sich diese Sektierer in der Rolle des Richters, Anklägers und Opfers zugleich und Selbstgefälligkeit war keine Tugend des gleißenden Herren. Diese kannten ihr Maß nicht und verloren sich in Selbstgerechtigkeit. Wo Mahelon der allgemeinen, volksnahen und weltlichen Praiosverehrung der Greifenfurter noch viel abgewinnen konnte, den Braniboriern ambivalent gegenüber stand, waren die Bekenner deutlich über das Ziel und sogar vom Weg dahin hinausgeschossen. Er sah hier beileibe nicht alle in der Tradition der Braniborier stehen und nicht jeder handelte wohl gerecht - ein generelles unmögliches Unterfangen vor den Augen der Götter - doch dies ging alles zu weit. Er fragte sich aber nun, warum gerade die Braniborier, aus dessen Schoß die Bekenner hervorgegangen waren - sich nicht klarer gegen die Bekenner positionierten, auch als Zeichen dafür sich endgültig von ihren verlorenen Kindern abgewandt zu haben. Er war - um dies zu verstehen - wohl erst zu kurz hier.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach den Monolog Perainkas und die Gedanken Mahelons. Mit gesenktem Haupt trat eine Dienerin ein:
„Verzeiht Herrin, vor der Tür wartet Seine Gnaden Rieperngaum zusammen mit einem Praioten namens Answin von Heißwassern und er wünscht Euch in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen.“
Perainkas entsetzter Blick, der seit dem Eintritt der Dienerin auf deren befleckter Schürze ruhte, riss sich angewidert von diesem Schandfleck los. Genervt verdrehte sich ihre Augen.
„Wenn man von den Niederhöllen spricht … ja, lass Rieperngaum eintreten – wenn er sich vorher draußen den Staub von seinen Gewändern abgeklopft hat. Dem anderen reiche Wasser und Brot. Und du wechselst sofort deine Schürze, diesen Anblick kann ja niemand ertragen.“
Die Dienerin beeilte sich schnellen Schrittes den Raum zu verlassen.
Wenige Augenblicke später stand der Praiot im Türrahmen. „Euer Wohlgeboren, treue Seele, ich komme mit schlechten Nachrichten.“
Kaum die Worte des Dieners des Götterfürsten wahrnehmend, starrte die Baroness von Dunkelsfarn panisch auf den verstaubten Mantelsaum ihres Gastes.
„Vielleicht sollten wir uns lieber setzen“, bat der Praios-Geweihte.
Perainka, um Worte ringend und immer noch hoch verstört, nickte nur etwas unbeholfen. Sie konnte keinen Schutz in ihrer Heimstatt ertragen.
„Nach einer Reise durch die gerade geplagten Lande u.a. in Kressenburg folgte ich mit einer Spur und komme nun gerade von Eurer Schwester Efferdane.“ Der Geweihte schluckte. „Ach, ich weiß nicht wie ich es sagen soll … das arme Mädchen. Die Torfstecher vom Darpenmoor waren ungehalten als die gute Efferdane erneut die Erträge für euren Bruder inspizierten wollte. Sie ließen sie nicht ihre Arbeit machen, schlimmer noch, sie und ihr Begleiter konnten dem Mob gerade noch so entkommen.
„Nun, ich bin mir sicher mein geschätzter Bruder wird eine Strafexpedition gegen diese Aufrührer losschicken.“ Perainka hatte sich nun wieder gefangen und ihre Stimme klang fest. „So hätte es zumindest unser Großvater getan.“
„Gewiss, doch gibt es da noch etwas was mich beunruhigt.“ Die Stimme des Praioten wurde augenblicklich leiser. „Efferdane hat mir von einem Brief erzählt, den sie erhalten hat… .“
„Einen Brief?“ Perainka wurde wieder geduldiger. „So sprecht!
„Les selbst!“ Praan atmete schwer aus.
Perainka überflog hastig die Botschaft , die in auffällig klarer Schrift verrfasst wurde und blickte dann erst zum Praioten und dann zu ihrem Gemahl.
„Die Bekenner!“
In diesem Moment fasste Mahelon einen Entschluss.
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