Geschichten:Berndrich und Lechmin - Gebet in tiefer Nacht
Praiosburg/Bärenau, 8. Tsa 1043 BF
"Oh, ihr Götter, vor euch komme ich, Lechmin, in dieser Stunde der Bedrängnis, in der ich weder aus noch ein mehr weiß. Der Schlaf flieht mich des Nachts und ich liege seufzend wach in der Dunkelheit. Gleich einem nie austrocknenden Quell fließen unaufhörlich meine Tränen. Des Tags stürze ich mich in leeres Tun, denn Herz und Trachten sind nicht dabei. Ich meide gerade jene, deren Gegenwart ich sonst so schätzte und alle Freuden sind mir vergällt. Ruhe kann ich nicht finden, denn wider alle Vernunft fliegen meine Gedanken unaufhörlich zu Berndrich - dem, den meine Seele liebt; dabei er doch so große Schuld auf sich geladen hat, indem er gegen alveranisch und derisch Gebot verstieß. Nicht abhalten konnte ich ihn davon und schwer hat er gefehlt. Vergessen und verdammen sollte ich ihn, doch nicht lassen kann mein Herz von ihm. Unaufhörlich immer wieder sinnen meine Gedanken auf Wege, ihn zu retten und alles in mir sagt: Du musst es wagen! Vertraut bin ich ihm doch seit fast zweimal zwölf Götterläufen, spüre das Band noch immer wirken, das von Travien im Lichte Praios’ mit Rahjas Gunst einst geknüpft ward und Tsas Segen vierfach auch erfuhr – trotz allem Ungemach, in das er sich verstrickte, euch zum Trotz. Und so bitte ich, zerschneidet nicht dies Band, sondern macht es zu dem festen Seil, ihn aus der dunklen Grube des Unheils und dem haltlosen Sumpf des Verderbens wieder auf den festen Grund eurer Furcht, der aufrichtigen Reue und der Sühne zu ziehen. Darum, Oh ihr Götter, helft mir in meiner Not, so es euch beliebt und noch Hoffnung auf Heilung besteht für ihn und seine Seele."