Geschichten:Besh Aramal- Aller Anfang ist schwer - Ein Rundgang
Das Gebäude an sich gefiel der Raulschen mehr als sie zugeben mochte. Es verströmte für ihren Geschmack die richtige Mischung aus zweckdienlicher Baukunst und nebachotischer Annehmlichkeit. Der vorwiegend genutzte Baustoff waren gebrannte Tonziegel, die kunstfertig vermauert worden waren, sodass sich an den Durchgängen, Toren und Fensteröffnungen schöne Muster ergaben, die die Baumeister durch die verschieden farbigen Ziegel erreicht hatten. Die Anlage an sich besaß einen rechteckigen Grundriss, an dessen Außenseite die Gebäudeteile lagen. Durch ein zentral gelegenes Holztor kam man hinein, doch erst nachdem man ein weiteres Tor passiert hatte, gelangte man in den Innenhof. In diesem kleinen Zwinger ergab sich im Verteidigungsfall die Gelegenheit die Angreifer durch Schießscharten in der Mauer und über ein Mordloch unter Beschuss zu nehmen. Dieses durchdachte Konzept stammte noch aus der Zeit, als die Anlage noch eine Zollstation gewesen war, wie ihr ihr Schwiegervater der Baron von Brendiltal bei einem ersten Rundgang erzählt hatte. Man musste die Einnahmen schützen, bis sie damals sicher in den Schatzkammern von Nebachot, heute Perricum, verstaut gewesen waren.
Ärgerlich war allerdings, dass schwer gerüstete Reiter, die es in ihren Reihen vermutlich auch geben würde, derzeit noch, erst draußen aufsitzen konnten. Solange man kein allzu großes Streitross führte, und nicht voll gepanzert war, konnte man sich gut im Sattel vornüber beugen, und so hindurch reiten. Doch ein Ritter der schweren Reiterei würde sich schlichtweg den Kopf stoßen. Hier galt es noch eine Lösung zu finden. Sie konnte sich schon gut die feixenden Kommentare der flinken nebachotischen Reiter vorstellen.
War man erst einmal durch den dunklen Gang und das Tor hindurch eröffnete sich der Blick in den als fast malerisch zu bezeichnenden Innenhof. Dort befand sich zentral ein überbauter Brunnen. Weinreben, deren knorriger Wuchs davon kündete, dass sie schon recht alt waren, rankten sich an den Säulen und Holzpfosten des Gemäuers entlang empor.
Im Erdgeschoss der Gebäudetrakte waren die Gesinderäume, Werkstätten, die Küche sowie die Ställe unter gebracht. Auch ein Bade- und Ruheraum war hier zu finden. Unerhört groß wie sie selbst befand, doch in Anbetracht der heißen Sommertage konnte sie nicht umhin die Sinnhaftigkeit solcher Räume einfach stillschweigend zu akzeptieren. Unter den neuen Mitgliedern des Ordens musste man sehen welche Regelung sich finden würde, was das baden anging. Früher soll hier nach dem Untergang des nebachotischen Reiches eine Großfamilie gelebt haben. Da waren solche Dinge einfacher zu handhaben. Leider hatten die Handwerker noch immer keine Lösung gefunden wie man das schmutzige Wasser abfließen lassen konnte, ohne den Innenhof völlig zu überschwemmen. Nun ja, wenn dass das einzige Problem war...
Sie lugte neugierig in die Küche, wo ihr sogleich eine ausnehmend gutaussehende Frau entgegen kam.
„Oh wir haben Besuch!“ Eilfertig wischte sie sich ihre Hände an der Schürze ab, und senkte das Haupt.
Malina beeilte sich die geschäftige Köchin anzusprechen. „Die Götter zum Gruße Mirhiban. Ich sehe du und dein Mann, ihr wart schon fleißig.“
Anerkennend nickte Malina der nebachotischen Frau zu. Es handelte sich dabei um eine vielleicht dreißig oder etwas mehr Götterläufe zählende Frau, die sich scheinbar ernsthaft zu freuen schien, bei der Ankunft der Raulschen Rittmeisterin.
„Ja Dschafar ist dabei die Boxen herzurichten. Unser Ruban geht ihm zur Hand...“ setzte sie noch erklärend hinzu.
Es handelte sich bei dem Paar um Bauern Ra’ouls, denen das Schicksal übel mitgespielt hatte. Ihr Mann hatte bei einem Unfall mit dem Fuhrwerk die rechte Hand verloren und auch das rechte Bein war in Mitleidenschaft gezogen worden, Die Wunden waren zwar verheilt, doch was tun, wenn die Familie satt werden will. Es war schließlich die Schwester Sheena der beiden ehelichen Baronssöhne gewesen, die vom Schicksal der Nebachoten erfahren hatte, und auf die Idee kam, dass sie hier in dem Ordenshaus trotz allem noch arbeiten konnten. Ihr ältester Sohn war immerhin schon zwölf, sodass er auch seinem Vater zur Hand gehen konnte. Es gab noch zwei Mägde und einen Knecht, sowie einen Schmied, dem Malina aber nicht recht über den Weg traute. Da sie sah, dass es in der Küche noch zu tun gab, verabschiedete sie sich rasch, und ging statt dessen zu den Ställen.
Vormals war es wohl laut Eslams Aussage einer der letzten Vorposten gewesen, dass das alte Nebachot hier gehabt hatte. Es wurde dann auch späterhin weiter als Zoll- und Grenzfeste genutzt. Die Vorgänger der Barone von Brendiltal hatten es zwar versucht es als Weingut zu nutzen, jedoch war ihnen damit kein Glück beschieden gewesen. Es gab sogar Geschichten darüber, dass ein Vermächtnis der Nebachoten daran Schuld sein sollte, dass dies nicht funktioniert hatte. Doch welcher Art dieses Vermächtnis sein sollte, weiß heute keiner mehr. Schmunzelnd dachte die ehemalige Hauptfrau vom Arvepass an das unheimliche Gemäuer an der Grenze zur Warunkei zurück. Dort hatte man bisweilen noch Probleme mit merkwürdigen Geräuschen, und sogar Geistern, aber hier in dieser lieblichen Gegend konnte sie sich solche Dinge kaum vorstellen.
Amüsiert lauschte sie, wie Dschafar seinem Sohn Ruban Anweisungen gab, wie er die Spundbretter in den Ställen einzupassen hatte. Ihre bescheidenen Sprachkenntnisse verrieten ihr, dass er den Ältesten zwar ohne Unterlass in blumigen Worten beschimpfte, doch die Miene des Sohnes zeigte, dass er dies nicht ernst nahm, und statt dessen freudig bei der Sache war. Der Vater sägte die Bretter zu, derweil der Sproß sie an den Balken annagelte. Hier reichte ein kurzer Blick, um zu sehen, dass die Arbeiten zufriedenstellend voran gingen. Bei dem veranstalteten Lärm gelang es ihr ohne weiteres unbemerkt wieder hinaus zu schlüpfen.