Geschichten:Blutiger Ernst - Im Auge des Sturms
Sigmans Garether Kerkerloch, 4. Ingerimm 1035 BF
Das Kellergefängnis besitzt folgende Maße: eine Länge von fünf Schritt und zwölf Halbfingern, eine Breite von drei Schritt und fünfundvierzig Halbfingern, eine Höhe von zwei Schritt und drei Halbfingern. Es besitzt eine schwere Eichentür, die von außen verschlossen werden kann und nur geöffnet wird, um den beiden Gefangenen minderwertige Lebensmittel zu überreichen. Der Boden ist mit dreckigem Stroh bedeckt, ein einer der vier Raumecken befindet sich in erbärmlichem Gestank eine provisorische Möglichkeit zur Notdurft. Dieser Raum hat sich, bis auf die Ankunft der zweiten ständigen Person im Raum nicht verändert. Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Dass außerhalb dieses Raumes sich im Moment alles in einem mehr oder minder hektischen Fluss befindet, ahnt Sigman nicht. Bewaffnete Gardisten marschieren in die Stadthäuser Alt-Gareths und durchsuchen die Kellerräume der Stadthäuser. Eine strikte Ausgangssperre hat das Nachtleben zum großen Unwillen der Zecher und Taugenichtse zum Erliegen gebracht. Mehrere hundert Hinweise auf seltsame Vorkommnisse haben die Garethische Criminal-Cammer überflutet, in der es wie in einem Bienenstock zugeht. Und in den Alltag der Menschen, die das Jahr 1027 BF bereits verdrängt hatten, sind der Schrecken und der Horror zurückgekehrt. Aber davon ahnt Sigman nichts, während er fühlt wie das Leben langsam seinen Körper verlässt.
In seinen wenigen klaren Momenten hat er das Nötigste über Selinde erfahren, die in Sigmans Augen noch ein unschuldiges Kind war. Sie hatte bei ihrer Schwägerin Waltrude auf die Rückkehr ihres Gatten von der Eslamsgrunder Turney gewartet, als der kleine Raul Reto viel zu früh seinen Weg nach Dere forderte. So hatte sie im Wochenbett gelegen, als vor wenigen Nächten die Häscher in das Gut ihrer Schwägerin eingedrungen waren, sie knebelten und unsanft in eine Kutsche gezerrt hatten. Während der Fahrt war sie bewusstlos gewesen und war erst wieder erwacht, als sie grob in dieses Loch geworfen worden wurde. Inzwischen ist sie es, die dem fiebernden Raulsmärker mit einem Stofffetzen ihres Kleides die heiße Stirn mit dem wenigen Wasser kühlt, dass man ihnen zu trinken gibt.
Bis zu diesem Tag hat sich die Unruhe und das Chaos noch keinen Weg in diesen Keller bahnen können. Bis zu diesem Moment ist nicht zu ahnen, dass in wenigen Augenblicken das Ende der Tortur nahen wird. Es beginnt mit einem heftigen Poltern und durch die Tür gedämpften Stimmen. Klirrendes Metall und Todesschreie. Dumpfe Stiefelschritte nähern sich der Tür, hinter der sich Selinde voller Panik an die Brust des kaum bei Bewusstsein befindlichen Sigmans geworfen hat und sich in seine Arme krallt. Ein Ratschen und Klacken an der Tür, als der Riegel fortgerissen wird. Und als schließlich die Tür aufgerissen wird...
◅ | Keine Zeit |
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Sankt Parinor | ▻ |