Geschichten:Boronias dunkle Schatten – Aufbruch

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Schloss Ginsterhold, Kaisermark Gareth, Ingerimm 1046 BF:

Geschäftiges Treiben erfüllte das pittoreske Wasserschloss Ginsterhold, das schon seit vielen Generationen im Besitz des Hauses Aimar-Gor war – auch schon, als diese noch als mittelreichische Grafen über Khunchom herrschten.

Geschwinden Schrittes näherte sich Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor der schwarzen Kutsche, auf der als Wappenschild ein roter Hummer prangerte und nahm im Innenraum Platz. Ihm folgten sein Vetter Ramirion von Palmyr-Donas und sein Privatsekretär Romelio von Agur. Die beiden Pagen Salix Eorcaïdos von Aimar-Gor und Siyandrion von Palmyr-Donas erklommen von außen den hinteren Teil der Kutsche, dort wo was Gepäck verstaut war. Reto Hausdiener Amar Feqzaïl machte es ihnen gleich. Der junge Ritter Salix Borontreu von Zolipantessa hatte sich mit seinem Ross vor die Kutsche positioniert und war dazu auserkoren, den Zug anzuführen, während sich die beiden Knappen Wulthos von Pandlaril und Tolmario Silem von Aralzin hinter ihm einreihten. Eine Rotte grimmig dreinblickende Kriegerinnen der Rash'Waharis bildete hinter der Kutscht die Nachhut.

Der Truchsess am Großfürstenhof Garetiens, der über die Lande Ginsterhold als Reichsedler herrschte, war im Auftrag des Reiches unterwegs. Am Vortag war Reto noch zu Konsultationen in der Alten Residenz gewesen. Die Jubiläumsfeierlichkeiten in Gedenken an die Schlacht an der Trollpforte waren schon längst zu einem Politikum geworden. Die beiden Boron-Kirchen waren untereinander und mit der Marbo-Kirche uneins, wie die Art des Gedenkens und die Weihe des Heiligtums Sancta Boronia vonstattengehen sollte. Doch besonders sorgte sich der Reto um die Verstimmungen zwischen den beiden Kaiserreichen und das ausgerechnet vor dem Zusammentreffen der beiden kaiserlichen Majestäten an der Trollpforte.

„Meine Lieben, unser Weg wird uns nicht direkt nach Devensberg führen. Wir werden einen kleinen Abstecher zu unserem Freund Basin von Richtwald in die Rommilyser Mark unternehmen und uns mit ihm austauschen.“

Romelio nickte und schrieb eifrig in sein Notizbuch.

„Ramirion, was hören wir von unsren Weidener Freunden?“, fuhr der Aimar-Gor fort.

„Ihr Ansinnen ist es, bei dem Gedenken besonders bedacht zu werden, sei es mit einem Gedenkstein oder ähnliches, da sie – auch schon in den Schlachten vorher – den höchsten Blutzoll gezahlt haben.“

„Meinethalben. Selbst ich werde für meine Teilnahme an der Schlacht mit einem Orden ausgezeichnet werden und ich habe nichts Großes geleistet als zu überleben.“ Ein Schub von Melancholie legte sich für einen Augenblick schwer auf das Herz Retos. Er hatte in der Schlacht seine große Liebe verloren und war nicht imstande gewesen, ihn zu retten. Das nagte bis heute an ihm, auch wenn er das stets durch ein Lächeln verbarg.

„Viel bedeutsamer sind die Verhandlungen zwischen den Kaiserreichen. Ich habe klare Aufträge aus der Alten Residenz und vom Reichsgeheimrat erhalten und werde die mittelreichische Verhandlungsdelegation anführen. Wir müssen erfolgreich sein, koste es, was es wolle. Dabei müssen wir auch über unsere eigenen Schatten springen.“

„Bedeutet das …“, tastete sich Ramirion vorsichtig an die heikle Materie.

„Ja, das bedeutet das“, antwortete Reto knapp. „Romelio, ist der Brief an den Reichsvogt der Efferdstränen aufgesetzt?“.

„Sehr wohl!“, nickte dieser eifrig.

„Auch wenn wir in vielen Dingen vielleicht nicht einer Meinung sind, so sind wir beide an erster Stelle Diener des Reiches und das Reich braucht in dieser Angelegenheit seine besten Diplomaten.“

„Mit Ihrer Exzellenz Lucia de Pilar, der Siegelbewahrerin Almadas, stehen wir auch im Austausch“, bekräftigte Romelio.

„Und die Horasier?“, wollte Ramarion wissen.

„Nun, ich gehe davon aus, dass Comto Erlan Sirensteen von Irendor die horasische Delegation anführen wird. Zu ihm führen wir eine von Respekt und Hochachtung geprägte Korrespondenz. Mein Neffe Rafim ist Knappe bei ihm. Auch durch Tolmario haben wir Gesprächskanäle ins Horasreich, wobei das Haus Aralzin sein eigenes Spiel zu spielen scheint.“

„Wenn sich Boronias Nebel verziehen, sehen wir wo wir stehen.“ Ramirion blickte nachdenklich aus dem Fenster der Kutsche, während diese sich in Bewegung setzte.