Geschichten:Brandspuren - Viel Ruß und zwei Feuer
Traviakloster zu Hutt, 11. Boron 1043 BF
„Ruß für Tinte haben wir ja nun genug. Ich versichere Euch, ich werde an meine Verwandten und alle anderen schreiben, die von diesen Vorgängen Kenntnis haben müssen – sobald es meine Pflichten hier zulassen“, hatte die Äbtissin Firine von Luring mit gelinde tadelnder Untertreibung auf das Ansinnen Praiodans von Steinfelde geantwortet, als der ihr seinen Vorschlag unterbreitet hatte, „Denn jetzt sind andere Dinge unmittelbar wichtiger. Kommt.“
Nein, tatsächlich war das Hier und Jetzt wohl nicht der richtige Zeitpunkt für große Politik. Viel dringender war es, dass die Toten borongefällig bestattet, die geretteten Güter gesichert und das in Panik aus den Ställen entlaufene und verstreute Vieh wieder eingefangen wurde. Dann musste die große Klostergemeinschaft irgendwo oder irgendwie untergebracht und versorgt werden. Die kalte Jahreszeit kündigte sich bereits deutlich an. Und wenn Praiodan daran dachte, dass es die seinen Herrn befehdenden Parteien allerorten auch auf die so gut wie selten in den letzten Jahren gefüllten Scheunen und Speicher abgesehen hatten – angebliche Schulden bei den säumigen Hartsteenern eintreiben, hatte es mehr als einmal geheißen –, war ihm klar, dass die Versorgung der Leute ein schwieriges Unterfangen werden würde. Bisher hatten die Tempel und Klöster ihrerseits stets dabei geholfen, die größte Not im Land zu lindern. Doch nun sah es so aus, als würden Kohldampf und Schmalrik auch hier, an dieser Stätte der Gastfreundschaft, festes Quartier beziehen.
Derlei bedenkend folgte der Junker der Äbtissin wieder zurück vor die Klosterpforte. Firine von Luring winkte ihre Gemeinschaft zu sich heran und alsbald drängten sie sich alle, von der geweihten Chorschwester bis zum jüngsten Gänsejungen, um ihre Klostervorsteherin zusammen.
„Liebe Geschwister“, begann Firine von Luring nun mit wieder ruhiger und bestimmter Stimme, „Wir sind nun in einer Zeit schwerer Prüfung. Diese zu meistern, wird eine harte Aufgabe. Darum lasst uns in Gemeinschaft Rat halten, wie wir damit umgehen wollen. Auch wenn unser Heim und Tempel ein Raub der Flammen geworden ist, so ist es umso wichtiger, dass wir alsbald wieder das Feuer des Heiligen Herdes entzünden; damit wir alle wiederum einen Ort haben, wo wir zusammenfinden und den Trost und die Stärkung erfahren und weitergeben können, die wir gerade jetzt bedürfen....“
Anstatt ihren Worten weiter zu lauschen, entfernte sich der Hartsteener Wegevogt und ging zu seinen eigenen Leuten hinüber, die immer noch zu Pferde saßen und auf seine Befehle warteten.
„Ettel, du wirst sofort zurück nach Hutt reiten und dort Bericht erstatten. Mit dem Angriff auf ein unbeteiligtes Kloster haben unsere Feinde ein Feuer entfacht, dass sie selbst verzehren wird. Und wir werden dafür sorgen!“, trug Praiodan dem jungen Krieger in seinem Gefolge auf, „Dann lass alles, was noch an Vorräten, Decken und Zeltplanen erübrigt werden kann, herbringen. Ihr anderen könnt absitzen. Wir werden ein Weilchen hierbleiben und mit anpacken.“
„Vielleicht sollten wir damit noch ein wenig warten“, wandte der Gneppeldotzer ein und deutete Richtung Süden, „Seht!“
Praiodan unterdrückte mühsam einen Fluch, als er mit zusammengekniffenen Augen entdeckte, was sein junger Kompagnon in der regenverschleierten Ferne erspäht hatte: Unten in der Ebenheit näherten sich von Süden aus Richtung Weideneck schnell etliche Reiter. Bei ihrem Tempo würden sie in weniger als einer halben Sanduhr das Kloster erreicht haben.
„Es sieht so aus, als wäre ihnen ihre gestrige Freveltat nicht genug“, knurrte der Hartsteener Wegevogt, hievte sich in den Sattel und griff nach dem Streitkolben am Sattelknauf. „Aber diesmal werden wir ihnen einen heißen Tanz bereiten!“
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Foyerbergs Irrtum | ▻ |