Geschichten:Brennende Häuser - Überraschungsgast

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Spätabends am 26. Rondra im Traviakloster zu Hutt


Rahjanochmal, griff sich Anselm von Quintian-Quandt an die Schläfen und übte leichte kreisende Bewegungen mit dem Daumenballen aus. Der Druck der Hand half tatsächlich, die Gedanken wurden wieder ein wenig klarer. Ich muss das nächste Mal wohl genauer nachfragen, wenn mir dieser Hund Boraccio Almadaner Rotwein besonders preiswert verkaufen möchte.

Leicht torkelnden Gangs bewegte sich der Baron von Hutt, jedenfalls nannte sein Vetter Geismar und er sich selber so, immerhin, von seinem mit Tinte verschmierten Schreibtisch zur Tür.

»Wahnhilda«, rief er die Magd. ‚Ein weiteres kostbares Geschenk der Rahja’, schoss es durch seine benebelten Sinne. Seitdem sie vor wenigen Monden den Dienst im Kloster aufgenommen hatte, waren seine Abendstunden wesentlich süßer geworden. »Wahnhilda, bei allen Zwölfen wo steckst du?«, konnte er seine Ungeduld kaum zügeln.

Seltsam, hallte es dumpf in einem fernen Winkel seines Geistes, warum verdreht mir die Kleine so sehr den Kopf? »Weil ich sie *hicks* liebe«, versuchte er sich selber halblaut zu antworten. Das allerdings stellte offenkundig jene zweifelnde Stimme nicht zufrieden, sie antwortete einfach nur nicht mehr. Irgendwie stimmte da was nicht.

Die Gänge der »Burg«, wie sie das Hauptgebäude des Klosters nun nannten, seitdem Anselm versuchte hier angemessen als Baron zu residieren, waren auffällig still. Normalerweise konnte er die Bediensteten durch die Gänge huschen hören und musste den grölenden Gesang seiner Nostrischer Söldner ertragen. Er kratzte sich am Kopf, den sofort ein Schwindel ergriff. Anselm hielt sich am Türrahmen fest und versuchte in die Stille hineinzuhorchen, hörte aber nur das Rauschen seines eigenes Bluts im Ohr.

Langsam aber sicher hatten seine Leute immer mehr Platz in diesem Travia-Kloster eingefordert. Anfangs hatte Äbtissin Firine von Luring noch protestiert. Er hatte ihr daraufhin unmissverständlich den Standpunkt seines Vetters Geismars verdeutlichen können, dass es doch eine sehr freundliche Geste des Grafen war, der Schwester seines Reichsforster Kollegen Danos keine Scherereien machen zu müssen, und dass Firine dies doch auch sicherlich für die Zukunft nicht wünschte. Die resolute Frau hatte zwar nicht gerade fröhlich geblickt, und auch Anselm war diese Art der Erpressung mehr als unangenehm gewesen, zumal sie gegen eine Traviageweihte gerichtet war, aber am Ende hatte man sich arrangieren können. Die Geweihten hatten sich in die Räumlichkeiten des einstigen Wirtschaftsgebäude des Klosters zurückgezogen und den Männern des Barons das Refektorium, das Dormitorium und das Klosterkapitel überlassen, was Anselm als überaus gastfreundlich empfand. Aber irgendwie durfte man das ja auch erwarten in einem Travia-Kloster.

Ein Geräusch ließ Anselm aufhorchen. Ein fernes Geklirr und Poltern. Ungewöhnlich für diese fortgeschrittene Stunde. Waren die Nostrier dazu übergegangen ihre Kampfübungen auf die Nachtstunden zu verlegen, überlegte Anselm. Das wäre ihm alles andere als Recht, gerade in den stillen Stunden des Phex ließ sich noch am besten arbeiten. Anselm zog seinen Brokatmantel enger und hatte gerade beschlossen, den Gang zu den Söldnern mit der Suche nach Wahnhilda zu verbinden, als sich ihm drei dunkelberobte Männer in den Weg stellten.

»Wohin des Wegs, Baronet von Radromsbusch?«, zischte eine der Gestalten, schlug seinen Umhang leicht zu Seite und legte die Hand auf sein Schwert. Die beiden übrigen taten es ihm gleich.

Schloss Reinherz, schoss es Anselm durch den Kopf. So musste sich Pfalzgraf Arngrimm von Kieselburg gefühlt haben, kurz bevor ihn seine Häscher erwischt hatten. Er war unbewaffnet und gegen drei Meuchler war er machtlos. Kurz überlegte er nach Hilfe zu rufen, aber eine Stimme in ihm sagte ihm, dass dies wohl eher aussichtslos sein würde. Anselm atmete also tief ein und antwortete mit fester Stimme: »Bei den Zwölfen wünsche ich einen guten Abend. Darf ich davon ausgehen, dass die Herren gefunden haben, wen sie suchten?«

»Wir sind gekommen, um die freundliche Einladung zu wiederholen, die wir Euch auf Burg Reinherz ausgesprochen haben«, sagte der Anführer der Gruppe, seine Gugel nach hinten ziehend.

Anselm konnte seine Überraschung nicht verbergen. »Euer Liebden Hilbert, Ihr?«

»Da Ihr mich nicht aufsuchen wolltet, worüber meine Gattin Alena schon ganz betrübt gewesen ist, dachte ich mir, ich komme Euch abholen«, entgegnete der Pfalzgraf von Sertis mit einem süffisanten Lächeln. »Ihr müsst mir unbedingt sagen, was Ihr von Alenas neuem Rosengärtchen haltet. Die Blumen stammen aus der berühmten Eychgräser Zucht, müsst Ihr wissen.«

Die beiden anderen hatten ebenfalls ihre Kapuze zurückgezogen und Anselm erkannte seinen direkten Konkurrenten auf Burg Hutt, Alrik von Hartsteen, sowie den von der Kaiserin jüngst zum Reichsvogt von Puleth ernannten Bodebert von Windischgrütz. »Ts, meine Herren, man hätte sich doch nicht einschleichen müssen, ich bin ein wenig enttäuscht.«

»Macht Euch keine Hoffnung, Eure Wachen schlafen entweder oder sind im Kampf gegen Hartsteener Ritter unterlegen«, wandte sich der füllige Bodebert an Anselm. »Wir wollen Euch bitten, wenn Ihr die Freundlichkeit besitzt, uns nun zu folgen. Wir haben leider nicht die ganze Nacht Zeit für eine vergnügliche Plauderei, Ihr werdet dies sicherlich verstehen.«

Die drei Entführer führten Anselm in das Kellergewölbe. Mit einer Kerze in der Hand in einer Ecke neben einem großen Bierfass erkannte er Wahnhilda. »Hier ist der Fluchttunnel, Edelhochgeboren«, flüsterte die Magd. »Er führt in ein Wäldchen am Fuß des Hügels, dort wo ich Euch die Pferde anbinden hieß.« - »Du bleibst hier, dein Fehlen würde Aufsehen erregen. Die Dukaten lassen wir wie vereinbart deinem Verlobten in Bugenhog zukommen«, sagte Hilbert, gab der jungen Frau die Hand und zog sich wieder die Gugel über den Kopf.

Anselm blickte die Magd, die den Blickkontakt mit ihm mied, mit gekränkter Miene an. »Wahnhilda«, setzte er an zu sprechen, dann erkannte er, wie sehr er sich von einer kleinen unbedeutenden Magd hatte narren lassen. Seine aufsteigende Schamesröte blieb glücklicherweise im tiefen Dunkel des Tunnel unbemerkt.