Geschichten:Briefe aus Khunchom - Eine Warnung und ein Gefallen
Burggraf der Raulsmark
Die Zwölfe zum Gruß!
Lasst mich ohne Umschweife zum Grund meines Schreibens kommen. Aus verlässlicher Quelle vom Kaiserhof habe ich Bericht, der auch für Euch von einigem Wert sein dürfte. Und da Ihr der Vetter des Gatten meiner Schwester seid und Euch großzügig beim Zustandekommen dieses Traviabundes gezeigt habt, sehe ich darüber hinweg, dass die bösartigen und verachtenswerten Intrigen Eures Eidams Malepartus von Helburg meinen Leumund zu Unrecht beschmutzt haben und mich in diese schlimme momentane Lage geworfen haben, die ich nur als Bürde der Götter und schwere Prüfung für die Stärke meines Glaubens auffassen kann.
Laut meiner Quelle fand vor kurzer Zeit eine geheime Unterredung des Garether Markvogts mit Ihrer Kaiserlichen Majestät statt. Neben anderen Themen informierte Rabenmund die Kaiserin über die gegenwärtige Situation der Baronie Vierok. Offenbar hat sich der gesundheitliche Zustand von Baron Irian in den letzten Monden bedeutend verschlechtert, so dass in Bälde mit seiner Reise über das Nirgendmeer zu rechnen sei. Rabenmund informierte zudem, dass Junkerin Waltrude von Borstenfeld sich an ihren Lehenseid gegenüber Baron Irian bis zu seinem Tod halten wolle, allerdings dann die offene Fehde mit der Vieroker Baroness Malevinde um die Baronskrone suchen werde. Der Markvogt gab der Kaiserin zu verstehen, dass er nicht gedenke in dem Konflikt einzugreifen und den Sieger des Waffengangs als rechtmäßigen Baron anzuerkennen gedenke, vor allem weil die Familie Vierok über keinerlei eigenen Rückhalt mehr in der Baronie verfüge. Von der Kaiserin gab es keine Einwände gegen Rabenmunds Absichten.
Da Ihr über Euren Sohn Orlan direkt in die Auseinandersetzung involviert seid, rate ich Euch schnell zu handeln und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Meine Familie hegt keinerlei Interesse daran, die Machtbasis der Borstenfelds weiter ausgeweitet zu sehen, auch wenn ebenfalls kein Interesse daran besteht einen vorschnellen Konflikt mit dem Bugenhoger Pfalzgrafen zu beginnen. Wenn ich meine persönliche Meinung äußern darf, dann rate ich Euch allerdings die Verbindung zu den Vieroks zu lösen, befürchte ich doch großen Schaden für Euren Sohn Orlan.
Darüber hinaus bitte ich Euch um einen Gefallen. Wie mir die gleiche Quelle mitteilte, ist ebenfalls die Nachbesetzung von Kaiserlich Randersburg beschlossene Sache. Auch wenn mir nicht bekannt war, dass Pfalzgraf Ungolf von Hirschfurten verstorben ist, scheint er doch in diesem Frühjahr Golgaris Schwingen gehört zu haben. Als Nachfolger hat die Krone Udilbert von Hardt beschlossen.
Aus meiner Zeit am Reichsgericht ist mir bekannt, dass der Vater des Windhager Adligen vor wenigen Jahren eine stattliche Summe Dukaten an den damaligen Baron von Leihenbutt Nimmgalf von Hirschfurten, genauer gesagt dessen damaliger Gemahlin Simiona di Silastide-Marvinko, verliehen hat. Hardt hatte einmal meine Expertise eingeholt über die Chancen einer Klage am Reichsgericht, dann allerdings von dem zeitaufwendigen und unsicheren Gang vor das Gericht abgesehen, vor allem weil selbst ein Urteilsspruch in seinem Sinne die Rückzahlung der Schuld nicht gewährleistet hätte, da er als Windhager Vogt nicht über die Machtmittel verfügte, die Schulden einzutreiben. Über die Jahre nun hat sich die Schuld durch Zins und Zinseszins auf eine Summe von mehr als Dreißigtausend Dukaten aufsummiert – was die Familie Hirschfurten bei einer Forderung des Goldes in den Ruin treiben würde.
Wie Ihr vielleicht wisst hat Baron Nimmgalf am Grafenhof von Luring einige Feinde, die eine solche Schuld ausnutzen würden, um seinen Einfluss in Reichsforst empfindlich zu schwächen oder womöglich zu weit schlimmeren Dingen verwenden würden. Leider scheint mir mein Bundesbruder nicht die üblen Fallstricke wahrnehmen zu wollen, die sich da vor ihm befinden. Lieber lässt er sich als Turniersieger und siegreicher Recke unter dem Banner der Königin Garetiens feiern, als sich um die ermüdenden Finanz- und Handelsgeschäfte seiner Baronie und Familie zu kümmern. Wenn Ihr ihn in einem gemeinsamen ruhigen Augenblick als Mann von großer Erfahrung und Reputation ein wenig ins Gewissen sprechen würdet, wäre ich Euch zu großem Dank verpflichtet. Ein wenig trifft es mich daher unangenehm, dass er mir vor wenigen Monden in seiner Gutmütigkeit und Großzügigkeit in einer Geste grenzenloser Freundschaft einen nicht unwesentlichen Betrag zur Verfügung gestellt hat, wo er doch womöglich in naher Zukunft diese Mittel weitaus dringlicher benötigen wird als ich.
Es verbleibt mit freundschaftlichem Gruß in der unerbittlichen und traurigen Verbannung
Hilbert von Hartsteen
im Perainemond des Jahres 1039 BF
zu Khunchom