Geschichten:Düstere Schatten - Mühsame Suche
Baronie Kressenburg, Mitte Efferd 1038 BF
Seit einiger Zeit waren sie nun schon unterwegs und hatten das Gefühl, einem Gespenst hinterher zu jagen. Scheinbar überall in der Mark war es in den letzten Monden zu seltsamen Vorkommnissen gekommen, wobei Flügelschläge über dem Moor der Harschenheide noch fast das Harmloseste erschienen. Selbst den alten Henkersturm in Greifenfurt hatten sie sich noch angeschaut, weil es in der Reichsstadt mal wieder Gerüchte gegeben hatte, dass dort ein Geist umginge. Tatsächlich hatten sie hier aber nur ein paar Diebe erwischt, die mit Hehlerwaren feilschten. Nach deren Aufgreifen war es dort wieder ruhig geblieben.
Anfang Rahja waren sie endlich wieder losgezogen, um im Land Erkundigungen einzuholen und sich die Orte, um die sich die neuesten Geschichten rankten, genauer in Augenschein zu nehmen. In Weihenhorst hatten sie angefangen sich durch die Weiler zu fragen, waren dann weiter nach Nardesfeld und über Dreihügeln nach Süden gezogen. Nur ungern hatte die Junkerin dort ihre Tochter und deren Begleiter nach einer kurzen Nacht bereits wieder ziehen lassen, aber die Ritterin konnte ihrer Mutter die schwierige Lage und den Auftrag der Greifin verdeutlichen.
Im Steinwald hatten sie dann tatsächlich ganz in der Nähe der alten Findlinge einen verlassenen Lagerplatz finden können. Mindestens ein Dutzend Leute hatte sich hier in diesem Wald aufgehalten und alles gejagd, was ihnen in die Fallen gegangen war. Das hatte zumindest Beren, der Weibel der mitgeschickten Grenzjäger, berichtet. Auf dessen Wort konnte Rondraja sich verlassen, das wusste sie bereits aus früheren Aufträgen. Doch nichts deutete darauf hin, dass hier etwas mit großen Schwingen gewesen sei, wie es die Dörfler aus dem Dorf Karghyde berichtet hatten. Doch immerhin war hier jemand gewesen, der hier nicht hingehörte.
Als nächstes waren sie nach Zalgomühlen in der Baronie Zalgo gezogen, um dort den trocken gelegten Weiher zu begutachten und die Dörfler zu befragen. Der Baron selbst war ja mit dem Marschall auf Queste, was die Befragung der Bevölkerung deutlich vereinfachte. Doch da inzwischen nach der Hebung der Steine wieder Wasser eingelassen worden war, konnte die Gruppe nichts weiter finden. Doch die wilden Geschichten der Dörfler um Teichnecker und Dämonen halfen auch nicht viel weiter. Ein fahrender Händler konnte allerdings eine ähnlich ungewöhnliche Geschichte aus Waldschatten berichten, wo im letzten Herbst nach der Rübenernte wohl eine ganze Horde Wildschweine einen Acker umgegraben hatte.
Auf dem Weg nach Königsgau wurden Rondraja und ihren Begleitern dann mehrfach Geschichten zugetragen, dass vereinzelt stark gerüstete Leute in Schenken und bei Höfen abseits der großen Straßen gesehen wurden und gelegentlich zu zweien oder dreien bei einem Humpen Bier zusammensaßen. Niemand kannte diese Leute und immer blieb die Beschreibung gleich: die sahen aus wie Kriegsvolk. Einmal glaubte ein Bauer in Klappweiler sogar gesehen zu haben, dass alle ein Zeichen am linken Unterarm trugen, doch hatte er es nicht genau gesehen. Doch immer, wenn man ihnen diese Geschichten zutrug, waren die Leute schon lange nicht mehr gesehen worden.
Die Bevölkerung in Waldschatten dagegen hatte niemanden gesehen. Über den im vergangenen Jahr verwüsteten Acker wollte erst Recht niemand sprechen, denn da war ja nichts gewesen. Bestimmt hatte nur einer beim Umpflügen mal wieder zu tief gegraben und ein paar alte Gebeine aus irgendeinem Orkensturm zutage gefördert und dann wieder begraben. Der Junker war wie so oft nicht zu sprechen und im Wald verschwunden. Und hier in diesen Wäldern konnten sich die Gesuchten zu gut verstecken, als dass sie von der Straße aus eine Chance hätten, diesen seltsamen Trupp zu finden.
In den letzten Tagen grübelte die Ritterin immer mehr vor sich hin, wobei ihr Knappe sich stets in ihrer Nähe aufhielt. Des öfteren murmelte sie kaum hörbar ihre Fragen vor sich hin: Hier schien ihr mehr am Werk zu sein, als bloß ein paar einfache Diebe, die durch das Land zogen. Hier schien es sich um eine feste Truppe zu handeln. Sie trugen Rüstungen, Waffen und hatten ein Erkennungszeichen, was auch nicht unbedingt für einen Trupp Raubgesindel sprach. Irgendjemand hatte hier Leute postiert, die wohl etwas suchten. Doch wer konnte in ein besiedeltes Gebiet wie Greifenfurt Truppen schicken, ohne dass sie bemerkt wurden? Wer hätte wohl überall im Land Verbündete, um diese Schergen zu verbergen, wenn sie sich nicht in Heide, Moor oder Wald verkriechen konnten? Bei diesem Gedankengang kam sie immer wieder auf einen Namen, doch machte sie das nicht glücklicher. Bald würden sie in Kressenburg ankommen. Sie sollte Carten am Stadttor losschicken, um bei ihrer Schwester und dem Baron zu melden, dass sie in der Stadt waren.
Auch hier hatte es im Winter einen merkwürdigen Zwischenfall etwas nördlich der Burg in der Baronie gegeben und sie hoffte, dass jemand aus der Burg ihr bei den Nachforschungen würde helfen können. Es war nicht immer leicht, in der Ferne zu beurteilen, was die Leute wirklich gesehen hatten und was im Laufe der Erzählungen dazu erdichtet worden war. Aber die Leute in Kressenforst schienen zumindest guten Mutes gewesen zu sein, als sie dort hindurch ritten.