Geschichten:Danos letzter Ritt - Das Buch Danos
Aus den Aufzeichnungen des Ritters und Dichters Barnemund von Plitzenberg
Oft schon fühlte ich mich wie ein Chronist des Hauses Luring oder der Grafschaft Reichsforst – verbrachte ich doch schon meine Knappenzeit beim seligen Grafen Rondger, der selbst als Krone der Ritterschaft galt. Wer hätte damals zu hoffen gewagt, dass sein Sohn ihn dermaleinst noch übertreffen würde? Ernst war Danos als Kind, ehrgeizig, standesbewusst und gerecht. Mir hat er zu wenig Streiche gespielt, war mir zu wenig Kind. Altklug hat er auf mich bisweilen gewirkt, vor der Zeit erwachsen geworden. Ich glaube, auch deshalb liebte er seien Tochter Lechmin von seinen Kindern am meisten, weil sie in ihm die Kinderträume weckte, die er zu früh ausgeträumt hatte.
Ahnte er sein Ende? Suchte er sein Ende gar? Ich glaube es ganz fest: Ritter Danos wollte im Kampf fallen. Schon seine Ritterwallfahrt in die Wildermark muss dem Zweck gedient haben, ihm, dem König der Ritter, einen würdigen Tod zu schenken. Nun schenkte ihm die Komturin Nissa ai Komra einen Tod, den ich nicht als würdig bezeichnen vermag. Doch was ist dieser letzte Augenblick jenes Lebens? Ein nichts, denn das Leben Danos‘ war würdig. Ein vorbildliches Leben, ein nicht nachlebbares Leben, Ein heiliges Leben vielleicht? Seine Gnaden Torm Gerrichson wird uns begleiten, weil er die Nachricht vom Tode Danos von Lurings nach Perricum zum Schwert der Schwerter bringen möchte. Er wolle dabei sein, wenn das Buch Danos aufgeschlagen werde.
Das ist ein göttergefälliges Unterfangen! Ein wahrer Grund, von der Fahne zu gehen und den Corpus des Grafen in die Heimat zu bringen.
Von der Fahne gehen? Was tun wir hier? 23 eidverschworene Ritter und Lehnsleute haben sich entschlossen, die Heerfahrt nach Mendena abzubrechen und zurück nach Reichsforst zu reiten, um Danos heimzubringen.
Sind wir 23 Eidesbrecher? Dürfen unsere beiden Anführer Nimmgalf von Hirschfurten und Hadrumir von Schwingenfels den Eid gegenüber der Kaiserin brechen? gegenüber ihrer Königin? Denn sie hat uns nach Mendena beordert im Namen unseres Lehnseides!
Die ehemaligen und jetzigen Knappen Ritter Danos‘ begleiten ihren Schwertvater, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Melina von Ehrenstein wurde sogar unflätig, als Malwarth von Eslamsgrund den Vorwurf der Fahnenflucht in den Raum stellte – ohne ihn auszusprechen. Kann man den Knappinnen ihre Entscheidung verdenken – Selinde, Walbirg oder erst recht Maya? Wie ist es mit den Jungrittern Linjan, Herdan oder Erlbrechta? Und schließlich den langjährigen Begleitern und – ja – Schülern des Grafen Melina oder Rondradan von Pfortenstein? Oder Grenstade und Luring-Mersingen Ich würde mich nicht hinstellen und ihnen falsche Loyalität vorwerfen! Letztlich gehe auch ich mit, weil ich einst stolzer Jüngling in der Luringer Knappenschar gewesen bin!
Aurora von Luring-Schneitzig hat sich uns angeschlossen, weil sie Güldenbeiß erst wieder aus der Hand legen will, wenn sie in Luring angekommen ist. Man hat ihr das Schwert gelassen, immerhin ist sie Familie, wenn auch aus dem „schwierigen“ Zweig. Yosmina von Isppernberg will ebenfalls ein Schwert zurückbringen: Sie meinte, Mondenglanz gehöre zurück nach Garetien und hätte nichts in Tobrien zu suchen. Sie muss es wissen – immerhin trägt sie dieses geheimnisvolle Schwert schon viele Jahre. Ihr folgt der Ochsenbluter Knappe Sol von Isppernberg, der leicht verletzt seine Tante begleitet.
Auch Angbold Flaß von Cresseneck will ein Schwert heimbringen, nämlich das Familienschwert, das seinem Vetter nach der Schlacht an der Tobimorastraße aus der Totenhand gewunden wurde. Er trauert. Wir trauern alle – die junge Rallerhain um ihren Vater, der an der Seite des Grafen fiel. Haderstein trauert? Ich bin davon überzeugt, auch wenn er seit dem Tod der Elfe von Gorsingen ein Gesicht wie ein Granitklumpen hat. Ich werde ein Auge auf ihn haben, denn er scheint mir arg gleichgültig zu sein. Und auf des Grafen Heroldin Selinde: Sie wirkt auf mich wie eine Alkoholsüchtige, die nach Wein dürstet.
Mit dem kleinen Ritter Linnert habe ich das Problem der Fahnenflucht eine halbe Nacht durchgesprochen: Er meint, nur die Magierin Gragelsfort könnte sicher sein, dass man ihr keinen Bruch des Lehnseides vorwerfen kann. Wir anderen …
Ich verlasse mich da auf das Wort der beiden Geweihten: Der Boroni Wingeren (dem sein roter Tropfen offenbar auch fehlt) gibt uns den Segen des Schweigsamen für die Rückreise und sieht nichts Verwerfliches darin, den Corpus eines so herausragenden Mannes wie Graf Danos aus den verfluchten Landen in geweihte Erde zu bringen.
Und dann vor allem auf das Wort von Torm Gerrichson: Wenn er das Buch Danos aufschlagen wird, dann war unsere Entscheidung, den Grafen nach Hause zu bringen, eine heilige Tat, die Rettung eines Heiligen und so etwas wie das Vorwort.
Rondra befohlen!
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