Geschichten:Das Erbe Simyalas – Blick in die Zukunft
Burg Falkenwind, Firun 1044 BF:
Allerich stand im obersten Turmzimmer des Bergfriedes und blickte über den tiefverschneiten Reichsforst. Wie ruhig und friedlich doch alles aussah. Doch ruhig und friedlich war es nicht. Innere Unruhe machte sich in ihm breit.
"Die Wölfe kommen diesen Winter wieder besonders nah an die Siedlungen", bemerkte Vallbart. "Auch scheinen einige Rudel außergewöhnlich aggressiv."
"In Serrinmoor ist es auch so", pflichtete Celissa bei. "In Schennich soll es gar eine Art Angriff auf das Gut gewesen sein, wie mir der dortige Ritter bei allen Göttern versichert hat."
"Irgendwas vertreibt die Wölfe aus dem Wald." Die Stimme Allerichs war ruhig und sanft wie immer. Sein Blick schreifte immer noch in die Ferne. "Sie fliehen vor etwas."
"Aber was?" Die Stirn Celissas legte sich in Falten.
"Das wird uns offenbar, wenn die milde Ifirn Einzug gehalten hat." Allerich dreht sich zu seiner Schwester und seinem Vetter um, ging zu einem kleinen Tischchen und goss sich etwas Gewürzwein in einen Becher. Lang war es her, als die Drei das letzte Mal zusammenkamen. Viel zu lange. Hatte die Familie Falkenwind doch mittlerweile eine besondere Stellung inne. Sie stellten nicht nur den Baron von Falkenwind, sondern auch den Landvogt von Silz und die Kronvögtin von Serrinmoor. Vallbart galt als enger Vertrauter der Elfengräfin, als ihre Stimme unter den Menschen. Ja, seit die Dominanz der Streitzigs und Zweifelfelser durch die Tode der jeweilgen Familienoberhäupter und der damit einhergehende Neuaufstellung der beiden Adelsgeschlechter gebrochen war, hatte sich das Machtverhältnis in Waldstein geändert. Die anderen Familien blickten nun verstärkt auf die Familie Falkenwind, die schon seit Urzeiten mit ruhiger Hand über das Herz des Forstes herrschten und offenbar nicht nur das Vertrauen der Elfengräfin besaß, sondern auch das Wohlwollen des Königshauses. Durch die geheimnisvolle Aura, die die Familie und ihre Herrschaft umgab, glaubten nicht wenige die Familie würde den verwunschenen Forst und seine Kreaturen verstehen.
Doch der Wald hatte sich verändert und die Falkenwinder blickten ebenfalls fragend ins Dickicht des Waldes. Darüberhinaus gab es auch andere, familieninterne Angelegenheiten zu klären.
"Elida, sie zählt bereits acht Winter. Hast du dich entschieden wie du mit ihr verfahren wirst?" Celissa sah mit ernstem Blick zu ihrem Bruder. "Sie ist deine Erbin und trägt eine doppelte Bürde."
"Bürde oder doch Segung?", warf Vallbart ein. "Sie ist ein Geschenk des Schicksals. Womöglich wird sie uns auf einen neuen Weg führen."
"Wie meinst du das?", wollte Celissa wissen.
"Sie trägt die Macht der Holden Ulfindel in sich und den Segen Madas. So weit wir wissen gab es das in unserer Blutlinie noch nicht. Wir leben in besonderen Zeiten ... die Zeitenwende hat bereits begonnen. Das Singen die Elfen in ihren Liedern. Neues vergeht, Altes kehrt zurück."
"Die Frage ist doch, was das alles für Elida bedeutet, ganz praktisch. Soll Madas Segen in ihr geformt werden und wenn ja von wem? Wir können sie ja schlecht auf eine Akademie schicken ... ."
"Da kann es nur eine Antwort geben." Unvermittel stand Allerichs Mutter Rahjagunde im Turmzimmer. "Sie muss von den Weisen des Waldes ausgebildet und auf ihr Schicksal vorbereitet werden. So will es die Vorsehung." Die alterslos wirkende Mutter des Barons gehörte selber zu den Töchtern Saturias.
"So will es die Vorsehung oder so willst du es?", konterte Vallbart. "Eine Hexe mit der Macht der Holden auf dem Falkenwinder Thron würde die Macht im Wald emfindlich verändern. Wir würden damit nicht wenige Elfensippen verärgern."
"Es ist Zeit für andere Machtverhältnisse ... hast du nicht von einer Zeitenwende gsprochen?", giftete Rahjagund zurück.
"Mutter, bitte." Celissa verdrehte ihre Augen. "Vielleicht sollte Elida zur Blütentänzer-Sippe geschickt werden. Das würde unsere Verbindungen zu denen weiter festigen. Die Feenwelt und die der Elfen ist eng miteinander verwoben. Vallbart, Navariel ist auch bei der Sippe aufgewachsen."
"Ja, Salinyome ist uns eine gute Verbündete, aber Elida muss auch auf ihre zukünftige Rolle als Baronin vorbereitet werden." Vallbart blickte ernst in die Runde. "Ich schlage vor sie als Mündel der Gräfin zu mir nach Silz zu schicken. Ich kann ihr beibringen was sie benötigt um das Erbe unserrer Familie anzutreten, von den Elfen am Hof kann Madas Gabe geformt werden."
"So soll es sein", sprach Allerich und nickte seinem Vetter zu. "Das wird das Beste für sie sein."
"Du machst einen großen Fehler, Sohn."
"Nein, Mutter, es ist die richtig Entscheidung."
Mit einem schrillen Kreischen verschwand die Mutter des Barons.
"Hälst du es für weise Mutter so zu verärgern?" Ein fragender Blick richtete sich zu Allerich.
"Es muss so sein."