Geschichten:Das Leben geht weiter - Entdeckungsreise in ein neues Leben
Baronie Kressenburg, 8. Praios 1044 BF
Das Kressenburger Neujahrsturnier war in diesem Jahr deutlich kleiner ausgefallen als in den Götterläufen davor. Viele, vor allem garetische Gäste, hatten den Weg durch die von der Fehde verheerten Ländereien nicht für ein Turnier in der Greifenfurter Provinz am Rande des Reichsforstes auf sich nehmen wollen. Unswin war es nur Recht gewesen, bedeutete dies doch auch, dass weniger neugierige Augen anwesend waren, die Meara und ihren Zustand hätten entdecken können.
Am späten Morgen nach der Entscheidung in der Tjost fuhr die Kutsche des Barons auf dem Burghof vor. Die wenigen Habseligkeiten der Reichsforsterin wurden aufgeladen, bevor Unswin die Edeldame persönlich zum Gespann führte. Dann übernahm er mit seinem Ross die Führung. Sie würden die Baronie von Süd nach Nord einmal durchqueren müssen, was in etwa einer halben Tagesreise entsprach, wenn man die Pferde etwas mehr antrieb. Mit Mearas Schwangerschaft im Hinterkopf, plante der Ritter jedoch etwas ruhiger zu machen und nicht vor dem Abend auf dem heimatlichen Gut einzutreffen.
Für die junge Frau mit den albernischen Wurzeln gab es auf dem Weg indes viel Neues zu entdecken. Zunächst fuhr die Kutsche den steilen Burgberg auf der Südseite hinab, um schließlich auf dem großen Platz vor dem fast fertigen Neubau des Praiostempels die Straße zum Greifenfurter Tor gen Norden einzuschlagen. Nachdem sie auf diese Weise den Burgberg einmal halb umrundet hatten, ließen sie die Stadtmauer hinter sich. Meara sah zu ihrer Rechten gen Efferd die weitläufigen Wiesen und Felder, auf denen die Stadtbauern für den täglichen Bedarf des Hauptortes der Baronie arbeiteten. Zu ihrer Linken plätscherte eilig der Kressenbronn, welcher bei Kressenburg aus dem Reichsforst traf und sie den ganzen Weg bis Friedheim begleiten würde. Gleichsam bildete der breite Bach eine Art Grenze, denn während sich an seinem diesseitigen Ufer die Handelsstraße und urbar gemachtes Land befanden, so ragte auf der anderen Seite das Unterholz des Reichsforstes bis über die Wasserfläche.
Nach einer Weile erreichten sie den Weiler Kressenforst. Hier änderte der Bach seine Flussrichtung von Nordost auf Nordwest. Während gen Osten ein Karrenweg zum Junkergut Kieselbronn abzweigte, folgte die Handelsstraße weiter den Lauf des Kressenbronn. Die Landschaft änderte sich jetzt langsam. Der Reichsforst trat nun auch am westlichen Ufer zurück und nach nicht allzu langer Zeit kamen sie in ein größeres Dorf. Hexenfeuer wurde es genannt, wie Unswin der Reichsforsterin bei einem kurzen Halt erklärte. Hier gabelte sich die Handelsstraße. In nordöstlicher Richtung führte der Weg über das Junkergut Praiostann nach Eslamsroden, eine Baronie die ebenfalls von der Familie Keilholtz regiert wurde. Dieser Vetter aus dem jüngeren Zweig war zudem der Bruder von Baron Ardos Gemahlin Praiadne.
Die Kutsche folgte indes dem nordwestlichen Abzweig in Richtung der Reichsstadt Greifenfurt. Wenige Meilen später durchquerten sie den Weiler Perainehof, wo an einer Furt der Karrenweg nach Immingen im Südwesten abging. Der Bach verlief jetzt über längere Zeit fast schnurgerade in Richtung Nordwesten, während er an beiden Ufern von Weiden und Wiesen gesäumt war. Kurz bevor sie am späten Nachmittag den Marktflecken Tsanau erreichten, kam ein schlanker Ausläufer des Reichsforstes dem Kressenbronn noch einmal nahe, nur um dann reichen Gerstenfeldern zu weichen. Tsanau selbst war der zweitgrößte Ort in der Baronie, mit mehreren Schreinen und Herbergen und einer Wassermühle in welcher alles Korn aus dem nördlichen Teil der Baronie gemahlen wurden.
Unswin hieß sie den belebten Ort ohne Halt zu durchqueren. Nur wenige Schritte nach dem letzten Gehöft mündete von Osten kommend ein schnell fließender Bach in den Kressenbronn, welcher Kieselbach geheißen wurde und an dieser Stelle von einer festen gemauerten Brücke überspannt war. Es war, wie Unswin erklärte, tatsächlich die einzige Brücke in der ganzen Baronie. Direkt am nördlichen Ende der Brücke fiel Meara ein Grenzstein auf, der noch zu jung war um Moos angesetzt zu haben. Freudig rief der Ritter seinem Gast in der Kutsche zu, dass sie sich jetzt auf seinem Land befanden und bald am Ziel ihrer Fahrt ankommen würden.
Tatsächlich waren sie kaum ein halbes Stundenglas länger unterwegs, bevor die Kutsche durch einen weiteren Weiler fuhr, auf einem kleinen Dorfplatz abbog und einen Hügel hinauf auf einen Gutshof zuhielt.
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