Geschichten:Das Leben geht weiter - Hirschlein
Friedheim, 21. Efferd 1044
„Nicht so viel schreien“, riet die Peraine-Geweihte Fürchtelind Bachbauer mit fester, aber ruhiger Stimme, „Sondern pressen, dann habt Ihr es bald geschafft.“
„Das sagt Ihr schon….“, schimpfte Meara ni Rian energisch, „… schon den ganzen Morgen, Schwester… Fürchtelind!“
„Ach, das kommt Euch nur so vor“, behauptete die Geweihte mit einem Lächeln auf den Lippen und gerade als die Rían etwas erwidern wollte, bahnte sich eine weitere Wehe an. Die Geweihte sagte: „Gut! Ihr macht das gut! Jetzt noch ein kleines Stück. Ein winziges Stück.“ Und Meara zeterte: „Es geht… geht nicht. Ich kann… kann nicht.“ Dann war diese Wehe vorüber und die Rían schöpfte Kraft, bis zur nächsten. Dann sagte die Geweihte wieder, dass es bald geschafft sei und Meara schimpfte wieder, dass sie das schon die ganze Zeit sage oder aber, dass es eben nicht ginge oder beides. Irgendwann jedoch war es dann wirklich geschafft: Lautstark kündete der erste Schrei des Kindes von dessen Geburt.
„Ein Knabe“, erklärte die Geweihte, während sie der Mutter das Neugeborene auf die Brust legte, „Ein kräftiges und rosiges Kind. Und ganz der Vater.“
Ungläubig betrachtete Meara den Knaben, fuhr ihm mit zitternden Fingern über das kleine, noch etwas blutige Köpfchen mit dem spärlichen blondem Haar und lachte und weinte zugleich und wusste so gar nicht, wie ihr da gerade geschah. Einige Augenblicke ließ die Geweihte Mutter und Kind in Ruhe, deckte sie lediglich zu, weil Meara zu frieren begann.
„Wie soll er denn heißen?“
„Bolzer“, erklärte Meara eilig und fügte dann noch hinzu, „Bolzer Oisín“
„Ein schöner Name. Hat er eine Bedeutung?“
„Ja“, erklärte die Rían nur, verschwieg jedoch das der Knaben nach seinem richtigen Vater Bolzer von Nadoret benannt worden war und sein albernischer Beiname ‚Hirschlein‘ bedeutete – ein wohl ungewollter Hinweis auf seine Herkunft aus der Familie Nadoret, die einen Hirsch im Wappen führten. Aber wer war denn schon dem Albernischen mächtig?
„Dann wollen wir mal den stolzen Vater dazu holen“, entschied die Geweihte schließlich.