Geschichten:Das Schweigen im Walde I: Feuersbrunst - Teil 4
Erinnerungen III – Schatten am Himmel
Am Siegestempel zu Puleth, 27. Peraine 1027 BF
Der Graf hatte einen zeitigen Aufbruch befohlen. In Reih und Glied hatten die Truppen des vereinigten garetischen Ades zum Appell Aufstellung bezogen, derweil die kommandieren Obristen und Hauptleute die Befehle ausgaben. An verschiedenen Stellen rund um das Heerlager waren zuvor diverse Feldgottesdienste abgehalten worden. Während die meisten Soldaten den Rondradienst besucht hatten, waren etliche der Söldner vor das Lager gezogen, nachdem sich herumgesprochen hatte, daß dort eine Andacht zu Ehren des Blutigen Schnitters abgehalten werden sollte. Die Kriegsknechte nutzten die Gelegenheit, vor dem Kampf dem Söldnergott Kor zu huldigen und folgten der von Jessa al Tern geleiteten Zeremonie. Selbst Bruder Ingmar, der seit einiger Zeit in Puleth weilte und den Ingerimmschrein errichtet und geweiht hatte, hatte zum Gottesdienst in das Rund des Tempels geladen, doch seinem Aufruf waren nur wenige gefolgt, vornehmlich Handwerker aus den Landwehrbannern.
Danos von Luring war mittlerweile recht erbost, da Maline von Natzungen nicht zu erblicken war und äußerte seinen Unmut darüber, was Yendor Falkwin Limpurg von Gallstein nur zu einer spöttischen Bemerkung über die Baronin veranlaßte. Unwirsch hob der Graf bereits an, zu der versammelten Menge zu sprechen, als die versammelten Kämpfer von einer merklichen Unruhe erfaßt wurden. Verwirrt sahen der Graf und die Obristen sich um und erschraken. Doch das, was sie am fernen Himmel erblickten, überstieg alle Vorstellungskraft: Eine gigantischer Felsbrocken schwebte da in etlichen Meilen am Himmel und war doch mit bloßem Auge zu erkennen. Mühsam versuchten die Hauptleute, die Truppen zur Ruhe zu bringen, was mit einigem Aufwand auch mehr der weniger gelang. Unschlüssig berieten sich die Offizieren und waren gerade übereingekommen, dem fliegenden Etwas einen Spähtrupp entgegenzuschicken, als ein Reiter in hohem Tempo herbeipreschte, eine Staubwolke hinter sich herziehend. Auf einem schwarzen Roß, angetan mit geschwärzter Rüstung und dem weißen Wappenrock mit zerbrochenem Rad und Rabenschwingen darauf, hielt er direkt auf die Kommadierenden zu und kam kurz vor ihnen zum stehen.
„Boron möge uns gnädig sein. Ich bringen Kunde aus Wehrheim“, sprach die Golgaritin erschöpft. „Richild von Moorbrück mein Name, Landmeisterin im Orden des heiligen Golgari“, stellte sie sich vor.
„Sprecht“, erwiderte Graf Danos, „was ist geschehen? Und was ist das für ein Ding dort am Himmel?“ Mit ausgestreckter Hand wies er auf den wieder etwas größer gewordenen Felsbrocken am Himmel.
„Wehrheim ist vernichtet. Die Schlacht ging verloren.“
Den Umstehenden verschlug es die Sprache; Baron Gallstein fand zuerst die Worte wieder. „Wehrheim ist gefallen?“ fragte er in scharfem Ton.
„Nicht nur gefallen; vernichtet. Die fliegende Feste des Feindes hat einen wahren Weltenbrand verursacht und die Stadt nahezu zerstört. Ja, ihr habt recht gehört: Jener Fels am Himmel dort ist eine fliegende Festung, eine Burg erschaffen durch finsterste dämonische Kräfte. In ihrem Schatten ziehen die untoten Kreaturen des Endlosen Heerwurms, der nur seit der Schlacht auf dem Mythraelsfeld noch angewachsen sein wird, denn die Schlacht ging für das Reich verloren. Das Reichsheer ist zerschlagen und besiegt, und nun zieht der Feind nach Süden, geradewegs zur Kaiserstadt. Ich bin hier, um Euch zu warnen und bin ohne Unterlaß geritten.“ Die Golgaritin schwieg, nachdem sie geendet hatte.
„Wir müssen die schwarzen Horden aufhalten, und wir müssen schnell handeln. Ich fürchte, uns bleibt nicht viel Zeit“. Der Graf straffte sich, dann begann er neue Befehle auszugeben. Einige weitere Barone und Heerführer hatten sich mittlerweile bei ihnen eingefunden.
„Leihenbutt, Ihr reitet hinüber zur Pfalz und warnt den Schroeckh. Sie sollen sich dort verschanzen und sich dort halten, solange es geht; wenn ihr dies ausgerichtet habt, kehrt zu mir zurück. Uslenried, Ihr nehmt einen Teil der Truppen und verteidigt die Stadt. Gallstein, ihr kümmert Euch um den Schutz des Tempels.“ Weitere Befehle folgten, Dann wandte er sich an alle. „Uns bleibt nicht viel Zeit“, wiederholte er, „bereitet Euch und Eure Truppen vor und veranlaßt alles, was nötig ist, um der Gefahr zu begegnen. Ich verlasse mich auf Euch, und nicht nur ich, sondern das ganze Reich. Wir sind der letzte Schild des Reiches, bevor das Herz getroffen wird. Die Götter mit Euch. Für Praios, Königin und Garetien“, rief er und schlug die Faust auf die Brust; die übrigen taten es ihm gleich und eilten fort, wie ihnen befohlen war.
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