Geschichten:Das neue Haselhain - Das Schwert stärker als das Buch?
Festung Haselhain, Anfang/Mitte Boron 1040 BF
Fatime besah sich ihren Gemahl genau. Er hatte diesen seltsamen Gesichtsausdruck zwischen Witz und Wahn. Er grübelte und immer wieder ließen seine Gedanken die Muskeln seines Gesichts absurd zucken.
Sie war just von ihrem Besuch bei ihrer Familie zurückgekehrt, hatte ihn so vorgefunden und er hatte ihr berichtet, was vorgefallen war. Die Stimmung in Haselhain begann wieder zu kippen. Nachdem Selo mit seiner Idee vom „Neuen Haselhain“ die Trauer und Schande der Niederlagen von Krise und Gaulsfurt wieder etwas hatte glätten können, regte sich jetzt Widerstand gegen sein „Raulsches Gebaren“ und seine Idee. Aller Orten regten sich Stimmen er würde Tradition und Geschichte der Nebachoten nicht kennen oder sie gar mit Füßen treten. Die Nebachoten seien ein Volk von Kriegern und dem Sohn der Leuin verpflichtet um eines Tages wieder IHRE Gunst zu erhalten, hieß es. Er würde nun die anderen Götter hofieren und so riskieren IHRE Gunst für immer zu verspielen. „Welch 1000jährige Wahnvorstellung…“, hatte er ihr zu gemurmelt, „als hätten Darpatbogen, Arivor, Perricum und Gaulsfurt dies nicht schon längst bewiesen.“
Fatime selbst sah dies nicht so klar, aber hatte ihn da nicht umstimmen können, zumal ihr seine Vision gefiel und sie ihr Volk noch nie so einseitig gesehen hatte, davon kündeten auch die alten Geschichten.
Aber damit nicht genug, dieses Gerede hatte wohl den alten Amnon, schon immer recht wankelmütig, von seiner klaren Positionierung zu Selo in die Neutralität abrücken lassen. Ärgerlich, aber noch schwerer wog, dass jemand versucht hatte Schriftstücke in der Schreibstube zu manipulieren – wie Rohalan ihm berichtet hatte – wahrscheinlich um Selo Veruntreuung oder zumindest Verschwenung anzudichten. Nachdem dies durch Rohalans Umsichtigkeit vereitelt wurde war es stattdessen zu einem kleinen Feuer dort gekommen, welches die Arbeit von Wochen zerstört hatte. Außerdem fehlten Abschriften einiger Protokolle zu seinen Ideen und Plänen, von denen er selbst zum Glück die Originale aufbewahrt hatte. Diese Vorgehensweise sprach auch eine klare Sprache gegen die „Raulsche Bürokratie“ hier, die zwar auch schon unter seinen Vorgängern gab, aber welche er nocheinmal forciert hatte.
Hinter all diesem Treiben vermutete Selo die Traditionalisten um Asadan und Ramaro, wie Fatime sich dachte wahrscheinlich zu recht.
„Was also gädänkt där Goc’kel szu tun, Gäliebtär? Wirst du sie zu Nar‘ren ärklären?“, Fatime hauchte ihm den Satz ins Ohr, irgendwie ließ diese wahnwitzige Ader ihres Gatten ihr Blut in Wallung bringen. Sein Blick, den er jetzt aufsetzte um so mehr, dieses hintergründige Lächeln. „Nein, ich werde sie belohnen, meine süßgezeichnete Haimamuda“
Fatime sah ihren Gatten erstaunt an, dann begriff sie, was sie noch hungriger auf ihn machte. „Wie?“, flüsterte sie und streichelte ihm dabei über den Hinterkopf und sah ihm in die Augen. „Ich werde Ramaro in den kleinen Rat berufen. Asadan aber nach wie vor außen vor lassen. Von dort aus werden wir weiter sehen, wie wir mit dem Alten umgehen und was es bewirkt. Aber jetzt steht mir der Sinn nach etwas Zerstreuung.“
„Oh – und mir ärst, main Marben. Eurä Gämahlin värlangt äs ebänso danach. Komm – heute gähört där Goc’kel nur mir.“