Geschichten:Das neue Haselhain - Die Baronin VII
Baronie und Festung Haselhain, Tsa 1041 BF
Fatime sortierte ihre Korrespondenz, die geschwungen gezeichneten und schwungvoll formulierten Schreiben häuften sich, nicht immer konnte sie ihrem Anspruch von Filigranität und dichterischer Wortmalerei dabei gerecht werden, auch wenn der Rohalan Albentir als alter Meister der Schreibstube und neuer Hofherold ihr bei Seite stand ebenso wie ihre engsten Vertrauten. Doch der Alltag als Baronin, nomineller Leiterin zweier Schreibschulen und Gönnerin eines Hesinde-Kollegs ließen nicht immer Kunst zu, sondern verlangten nach schnödem Tagwerk, auch weil sie immer noch gegen muffige Traditionen ankämpfen musste. So häuffte sich viel an, zumal ihre Bemühungen Früchte trugen, während ihr Gatte sich immer noch im Fuchsrudel herumtrieb. Die Gespräche und Schreiben mit den ausgesuchten Hohen Damen Perricums zeigten ihre Wirkung und man begann sich gemeinsam zu organisieren, Kontrakte auszuhandeln, gemeinsam auf und Interessen zu vertreten, mal offen mal verborgen in der Stadt wie auch in den Kulturlanden. Denn auch wenn sie doch nicht immer die gleichen Interessen verbanden, verband sie doch ihr Wille zu einer Blüte der Hohen Frauen dieser Lande. Die einen aus einer gewissen kulturellen Gewohnheit heraus, wie Raulsche und vorallem ehemalige Aranierinnen, die anderen aus dem Drang heraus endlich aus dem Schatten ihrer Männer zu treten, die lange genug den falschen Ton angegeben hatten, auch wenn sie dies beileibe nicht so drastisch dachte.
Und während die einen sich schon organisierten, taten sich an anderer Stelle noch weitere auf, wie auf ein unsichtbares Signal hin, es war beinahe beängstigend, dachte sich die Baronin und schmunzelte, vorallem aber wohl für die Althergebrachten.
Den persönlich-vertrauten Brief über das Herdentor-Haselhain-Verhältnis - wie die Schreiberinnen es nannten - an Sulamith von Aimar-Gor verzierte Fatime noch zusätzlich, auf eine gewisse Art und Weise verstand sie sich sehr gut mit der Junkerin, eine Stadt-Frau, die wusste was sie wollte. Das gefiel der Baronin und lag ihr sehr nahe, außerdem war es besser eine solche Frau zur Freundin zu haben, statt als Rivalin. Das würden einige Herrschaften bald zu spüren bekommen. Und sie würde einen Teil daran haben. Ein Garant dazu war die Verwandte der Reichsjunkerin - Fatimes Kammerherrin Suldana von Aimr-Gor, aber auch die Gemahlin des Barons von Herdentor, ein schüchternes Ding welches man in Gesprächen immer mehr an sich band - eine Verwandte ihres Gemahls im Übrigen.
Den äußerst kunstfertigen und bisweilen etwas anzüglichen Brief an Yarasha von Weißbarûn veredelte sie noch mit ihrem Lieblingsduft, darin erfreute die Baronin sich ungemein blumig über die Fortschritte der Vorsteherin von Rashia'Hal bezüglich ihres Konvents der für Ende Tsa angedacht war.
Den Brief an die Altmärkerin - bezüglich des Kollegs - hingegen hielt sie recht schnörkel- wenn auch nicht kunstlos. Ailah schätze eher die nüchterne Betrachtung, die allein aber auch schon Kunst war. Die letzten Bauarbeiten am Kolleg nahmen nun wieder Fahrt auf und Fatime hatte in ihrem Brief noch einmal betont, ihren Teil der Abmachung bezüglich der Angelegenheit einzuhalten und die Altmärkerin zur Einweihung des Kollegs zur Junkerin zu erhöhen. Auch um sie damit etwas eigenständiger zu machen, da ihr Vetter aus Dürsten-Darrenfurt immer noch einen großen Einfluß auf sie hatte, zumal er sich am Hofe des dortigen Barons einen imme rgrößeren Ruf erarbeitete. Davon ab interessierte sich die Baronin brennend dafür was die baldige Junkerin bei der Bauarbeiten am Kolleg dort gefunden haben wollte. "Ein fantastisches Stück Historie, ein wahres Artefakt." hatte es in ihrem letzten Brief geheißen, doch Alltag, die neuen Bünde und Winter hatten Fatime bisher an einer näheren Nachfrage gehindert. Und sie wusste auch nicht, ob die Altmärkerin sie wirklich daran teilhaben lassen wollte. Das galt es heraus zu finden bzw. in die richtigen Bahnen zu lenken. Spätestens bei der Einweihung des Kollegs in gut anderthalb Monden. Fatime setzte doch noch einen Schnörkel im Wort und Schrift ans Ende des Schreibens an die alte Rivalin ihres Gattens Familie. Dann suchte sie etwas Zerstreuung in den Armen und Augen ihrer derzeitigen Favoriten und Favoritinnen. Ihr Gatte trieb sich rum? Sie brauchte ihn bei Leibe nicht für erquickende Unterhaltung und Nähe, sie war die Baronin von Haselhain und den Gockel vergaß man langsam.