Geschichten:Das neue Haselhain - Eine Albernierin kehrt nach Hause II

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Festung Haselhain, 17.Travia 1040 BF

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Normalerweise würde sie Selo in seinen Gemächern erwarten aber die Aussage von Rohalan hatte so formel geklungen so dass sie beschloss, ihn zuerst im kleinen Ratzimmer zu suchen. Kaum hallten ihre Stiefeltritte den Gang entlang huschte auch schon einer der vor dem Saal stehenden Bediensteten zwischen den dort positionierten Gardisten hinein um sie anzukündigen und hielt ihr danach die Tür auf, so dass sie eintreten konnte.
Selo saß dort auf dem tiefen Lehnhocker mit der hohen Lehne am Kopfende des langen, breiten und recht flachen Tischs. Sie stellte fest, dass die Sitzkissen auf den flachen Sitzbänken entlang des Tischs weniger geworden waren und der Raum auch sonst aufgeräumter erschien. Der Baron schaute sie an, nickte ihr zu und bedeutete ihr sich auf eines der Kissen nahe seinem Lehnhocker zu setzen. “Edle Dame, ich begrüße Euch. Wie ist die Reise verlaufen? Ich vermute recht albernisch.” Fassungslos schaute Lyn ihn bei diesen Worten an und blieb stehen. Ein weniger barscher als beabsichtigt erwiderte sie “Kannst Du mir sagen was das soll? Wenn Du keinen Wert auf ein Gespräch mit mir legst dann sag es, aber behandel mich nicht wie eine Fremde die du gerade zum ersten Mal siehst!”
“Aber, aber, gute Lyn, ich dachte wir verstehen uns auch durch die Blume. Und ich dachte ein solcher Ton wäre gebürlich für die Abgesandte eines Fürsten, ebenso wie er es für einen Baron wäre, nicht wahr? So können sich die Gemüter sogleich wieder beruhigen, denke ich. Hier, kostet von den köstlichen Früchten und Kernen und von dem guten Zitronenmet aus Laskanshain, eines Eurer Erbstücke die Ihr Haselhain hinterlasst.”
Lyn beruhigte sich tatsächlich etwas und nahm Platz. “Ich bin aber nicht als Abgesandte des Fürsten hier sondern als Freundin, die sich verabschieden möchte.” Müde wirkte sie jetzt und auch ein wenig wehmütig.
“Das ist mir bewusst, könnt Ihr auch in noch so persönlicher Sache vorsprechen, die Leute werden euch immer als das wahrnehmen was Ihr seid oder besser wie sie Euch sehen. Da gibt es durchaus Verschiebungen. Aber wie dem auch sei, trinkt doch einen Schluck mit mir, auf dass Ihr Euch verabschieden könnt.” Lyn nickte “Das tue ich gern. Und wie ‘die Leute’ mich sehen, ich denke dessen bin ich mir durchaus bewusst. Doch sag mir, was siehst du?” Bei diesen Worten goss sie wie selbstverständlich erst Selo und dann sich aus der Karaffe Met ein. Selo schob genüßlich-theatralisch eine Augenbraue hoch, ein Mundwinkel verzog sich spielerisch ein wenig in die Höh: “Den Westwind.” Die Antwort schien Lyn zu überraschen, und ihre Gedanken gingen zum stetigen Beleman und dem stürmischen Rondrikan als sie Selo anschaute und sich ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht zeigte. “Den Westwind?” sie nickte bedächtig “ja, vielleicht hast du Recht… Du hast ein gutes Gespür für Menschen, behalte es bei…”
Der Baron lächelte knapp und setzte dann den Met an, trank einen guten Schluck und setzte wieder ab: “Wirklich eine äußerst besondere Gaumenfreude, diese Bastardierung von Würze und Tradition. Ein Getränk wie es mir gut ansteht. Oder auch Euch.” Auch Lyn nahm einen Schluck des Zitronenmets und erwiderte dann “Ja, manchmal kann eine Veränderung der Tradition etwas neues, ebenso Gutes hervorbringen. Auch wenn es immer jemanden geben wird, dem das Original, der Ursprung besser schmeckte.”
Ein knappes Nicken. “Aber zurück zu Eurem Abschied. Ich hoffe die Vorkehrungen hier erleichtern diesen?” Lyn spürte erneut, wie sie kurz davor war, Selo entgegen zu schleudern was sie von seiner abweisenden Art und dem Ausräumen ihrer Schreibstube wirklich hielt, doch zwang sie sich dazu, ruhig zu atmen, die rechte Hand so zu ballen, dass sie ihre Fingernägel in ihrer Handfläche als leichten Schmerz spürte und erwiderte leicht schnippisch “Sie beschleunigen ihn auf jeden Fall.”
“Beschleunigen? Ja, das wohl auch, doch war mir nur danach Euch eben diesen zu erleichtern - ich denke Erleichterung ist das Wort das wir suchen.” Lyn atmete erneut tief ein und war sich nun relativ sicher, dass Selo diese Vorkehrungen tatsächlich nur aus diesem Grund getroffen hatte. “Die Aussicht darauf, meine Kinder und mein Heimatland wieder zu sehen machen mir den Abschied leichter.” entgegnete sie leise “Aber leicht wird er dadurch dennoch nicht. Dies hier war für lange Zeit mein zu hause und es zu verlassen fällt mir schwer. Vor allem da ich das Gefühl habe, Haselhain und dich dadurch im Stich zu lassen…“
Der Baron verzog den Mundwinkel, man mochte kaum zu sagen was dies zu bedeuten hatte, dann lehnte er sich zurück gegen die große Lehne, deren Schnitzereien bewehrte Reiter auf ihren Pferden zeigten. Über seinem Kopf das Wappen Haselhains, die zwei Säbel die über seinem Haupt thronten. “Das ist mir wohl bewusst. Doch sprachen wir bereits darüber. Die Zeit die Ihr hier verbrachtet war eine schwierige. Wir alle haben sie be- doch vorallem überstanden, doch jetzt bricht für Haselhain, für ganz Perricum, vllt sogar für das Reich, eine neue Zeit an, die Dinge ordnen sich neu und Euch ruft Albernia, Eure Pflicht an Haselhain ist getan. Doch dies soll nicht bedeuten, dass die Bande die gebunden sind abreissen müssen. Das neue Haselhain wird den Weg meines Bruders fortsetzen, nein, es wird noch einen Schritt weiter gehen, es wird sich öffnen - müssen. Die Nebachoten sind sich uneins wie selten zuvor, die Einheit die sie stärkte und die Eslam und Simold schmiedeten ist nur noch ein vager Schatten dessen was sie zu deren gemeinsamer Lebzeit war. Die Welt verändert sich, das hat sie stets getan, auch wenn der einfache Geist das vielleicht nicht wahrhaben will. Und wir müssen uns auf diese Veränderungen einstellen. Deshalb, Lyn,...”, der Baron wurde wieder Selo, beugte sich vor, beinahe wirkte es als müsse er sich ein Lachen verkneifen, “...deshalb, wirst du ein Stück Haselhain mit dir nehmen. Ich habe veranlasst, dass dich dies hier begleiten wird.” Selo holte eine längliche, verzierte Kiste hervor und öffnete sie, darin lag ein altes Säbel, nicht unähnlich denen auf dem Haselhainer Wappen, welches auch am Knauf glänzte. “Es ist alt, es ist kein Original, das wäre wohl zu viel des Guten, aber es hat Tradition und vor allem es wird jedem deutlich machen, dass Haselhain mit dir ist. Selbst im fernen Albernia. Für den Kampf ist es wohl nicht mehr recht zu gebrauchen doch der Zierde wegen, wird es dich oder deine Gemächer, zu Land oder zu Wasser, gut schmücken. Zeig ihnen wer wir hier sind.”
Selo hatte es tatsächlich geschafft, Lyn sprachlos zu machen. Sie starrte auf den Säbel in der Kiste und spürte wie sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete. Sie brauchte einen Moment um sich zu sammeln, dann blickte sie Selo direkt an und erwiderte “Das werde ich. Danke.” Sie suchte erneut für einen Moment nach den passenden Worten ehe sie fortfuhr “Die Zeit hier in Perricum, mit ihm, mit seinem… deinem Volk… sie hat mich geprägt und verändert. Ich bin nicht mehr dieselbe die ich war, als ich vor sieben Götterläufen hier ankam. Und auch Du hast daran einen nicht unerheblichen Anteil.”
Als hätte Selo keine andere Reaktion erwartet, nickte er beiläufig, lächelte milde und fuhr ungehindert fort: “Und deshalb soll dieses Volk auch in deinen Kindern weiterleben, zu diesem Zweck wird dich meine Anverwandte Marda mit nach Albernia begleiten, als Zofe deiner Kinder, damit sie von den Geschichten aus der Heimat ihres Vaters hören können, von echter nebachotischer Zunge. Sie wird auch ein Auge auf sie haben wenn du mal fern von ihnen bist. Natürlich nur wenn dir das genehm ist.”
Lyn lächelte Selo an, auch wenn die Überraschung deutlich aus ihren Zügen sprach “Es würde mich sehr freuen, wenn meine Kinder auch in der Ferne die Sprache ihres Vaters hören und lernen können sowie die Geschichten die mit den Nebachoten verbunden sind. Und ich bin da fürwahr die falsche Lehrerin. Darum würde ich mich sehr darüber freuen, wenn sie mich begleitet, allerdings nur, wenn dies auch ihr ausdrücklicher Wunsch ist. Denn dies bedeutet für sie ein Leben fern der Heimat und dies ist nichts, was ich jemanden nur aus Pflichtgefühl zumuten möchte.”
“Natürlich ist dies nicht ihr AUSDRÜCKLICHER Wunsch. Aber Marda war schon immer sehr neugierig. Sie hat zumindest eingewilligt.”, Selo wurde wieder etwas neutraler in der Stimme. Lyn biss sich leicht auf die Zunge, wollte sie darüber wie es war fernab der Heimat sein zu müssen gerade mit Selo keine Diskussion führen. Doch sie erinnerte sich an Marda, ein etwas ruhiges, aber durchaus hübsches junges Mädchen dass nun vielleicht 17 oder 18 Götterläufe zählte und daran, wie neugierig sie in dem Alter auf fremde Kulturen gewesen war. Sie selbst war in etwa demselben Alter gewesen, als sie nach Weiden ging und so erwiderte sie “Neugier ist schon einmal ein guter Anfang. Ich würde mich sehr freuen, wenn sie mich begleiten möchte.”
Selo schmunzelte heftig: “Gut, dann sei es so. Sie wird dich begleiten. Ich hoffe sie wird sich mit deiner Hilfe und ihrem Charme und ihren Qualitäten dort schnell zu Recht finden. Aber dabei habe ich keinerlei Bedenken. Hier wäre sie ein verschwendetes...eine Blume die zum welken verdammt wäre.” Auch Lyn schmunzelte, dann fiel ihr ein wieviel Wert Selo auf Politik im gesamten und politische Ehen im Speziellen legte “Ich helfe ihr auf jeden Fall, sich in meiner Heimat zurecht zu finden. Doch sag, gibt es etwas auf das ich achten sollte? Ist sie hier in Perricum schon jemandem nach ihrer Rückkehr versprochen oder wäre es dir sogar Recht, wenn sich die Bande zwischen unseren Heimatländern verfestigen?” Es war nicht so dass sie vorhatte, in irgendeiner Art zu interferieren, aber zu wissen was seine Pläne diesbezüglich waren konnte ja nicht schaden. Fragend blickte sie ihn an.
“Hier erwartet sie niemand spezielles und schon gar kein festes Band. Sie hat hier eher einen schwierigen Stand. Und so ist sie froh dir und ihrer Familie behilflich sein zu können.”, Selo sprach ruhig und so als hätte er alles gut durchdacht. “Aber ich denke hier muss nichts forciert werden, sei ihr bei den ersten Schritten einfach behilflich, der Rest wird sich mit Sicherheit von selbst ergeben. In erster Linie soll sie dir mit den Kindern behilflich sein.” Lyn schien über seine Worte sehr froh zu sein und erwiderte “Das klingt sehr gut. Und auch ich freue mich darauf, weiterhin die mir mittlerweile so vertraute Sprache hören zu können. Wird Marda denn schon morgen abreisebereit sein? Und - ich hatte vor wieder zurück gen Perricum zu reiten. Weißt du, ob sie dies… “ sie brach ab, schüttelte kurz den Kopf und meinte “dies sind Dinge die ich nachher selbst mit ihr besprechen kann.” Selo nickte, “ich denke es ist nur vernünftig wenn sie bereits die nächsten Tage mit euch segelt, ihr kennt die Tücken der langen Reise, es wird für sie besser sein jemand “Vertrautes” bei sich zu haben, meinst du nicht? Den Rest könnt ihr wahrlich unter einander besprechen. Sie wird dich erwarten. Doch lasst uns jetzt noch einen Schluck trinken.” Selo, goss ein, nahm einen Schluck und Lyn meinte die Verwandlung zurück in den Baron zu erahnen.
Auch Lyn nahm einen Schluck “Ach Selo, es gibt noch so viel, was ich dir sagen wollte, was ich dir beibringen wollte und auch was ich von dir lernen wollte. Doch nun rennt die Zeit und es bleibt fast nur noch die Möglichkeit, Lebewohl zu sagen. Ich werde morgen im Laufe des Vormittags abreisen, doch sag, wie sind Deine Pläne? Ich würde gern auch noch einmal mit Fatime sprechen, natürlich mit Marda und Meister Albentir. Und ich muss noch einige Briefe schreiben. Doch finden wir Zeit für noch ein letztes gemeinsames Mahl?”
Der Baron Selo schwieg lang, seine Mimik verriet Lyn nicht was er dachte, zum Schluß neigte er kurz das Haupt, schloß die Augen um Kopf und Lider kurz darauf wieder zu heben: “Oft sind der vielen Worte zu viel und aus Ungetanem und Ungesagtem kann man oft mehr lernen. Ganz ähnlich dessen, dass man aus dem Scheitern oft weitaus mehr lernt als aus dem Erfolg. Da sind wir doch beide virtuose Meister, nicht wahr? Doch ein letztes Mahl sollte uns heute Abend noch vergönnt sein, ich werde die anderen laden, so dass wir es gemeinsam einnehmen können und noch genug Zeit für Briefe und dergleichen bleibt. Dann können wir eventuell auch über meine weiteren Pläne reden, allerdings nicht mehr in die Tiefe gehend, Ihr versteht?” Lyn nickte und erwiderte “Ich verstehe. Und ein letztes gemeinsames Mahl wäre schön. Ich freue mich auf den Abend und werde mich dann jetzt den anderen Dingen widmen.”