Geschichten:Das neue Haselhain - Falken im Sturzflug
Baronie Dürsten-Darrenfurt, nahe Schloss Darrenfurt, Mitte Hesinde 1040 BF (im milden Perricumer Frühwinter)
Majestätisch hob der Greifvogel vom Ledernen Handschuh des jungen Baron ab um Jagd auf seine Beute zu machen. Er schwang sich in die Lüfte nur um kurz darauf pfeilschnell herab zu stoßen, seine Beute zu packen und mit sich wieder in die Lüfte zu heben. Ebenhin zurück zu seinem Herren. Der ihm mit einem rohen, aber kleinem Stück Fleisch dafür belohnte.
„Hervoragend, Euer Hochgeboren, Ihr lernt schnell das Tier zu beherrschen und es zur rechten Zeit gehen zu lassen. Ihr seid ein Jäger ebenso wie er, der weiß wann und wie er zuschlagen muss.“, Voltan von Altmark stand ehrliche Zufriedenheit im Gesicht.
„Ich hatte aber auch einen außerordentlichen Lehrer, Euer Edelgeboren. Eure Leidenschaft für und Euer Wissen über diese prächtigen Tiere ist erstaunlich. Dazu dieses bereits schon herrlich abgerichtete Tier zum Geschenk. Er konnte sich nur schnell an mich gewöhnen. Aber mir ist als verbirgt sich noch eine zweite Ebene hinter Eurer Rede.“, der junge Baron Thorondir sah den alten Nebachoten stolz an. In den letzten Monden war dieser immer wieder ein willkommener Gast an seinem Hofe gewesen und der Baron war ein guter Menschenkenner, so konnte er den Altmärker immer besser einschätzen. So war dieser zwar ein durch und durch politischer Mann aber bei weitem nicht so durchtrieben wie sein nebachotischer „Widersacher“ aus Morganabad.
„Ihr habt recht, mein Baron, ich will und kann Euch nichts vormachen. So will ich es Euch gerade heraussagen. Ihr habt mich gebeten Euch Rat zu geben wenn ich es erachte dass es angebracht sei.“
„Ganz Recht, mein Bester, allerdings gilt dies in Angelegenheiten bei denen ich Euch nach Eurem Rat frage.“, Voltan versuchte sich nicht anmerken zu lassen dass er diese Antwort nicht erwartet hätte, als der Baron weiter sprach, „Also betrachtet Euch als gefragt.“ Der junge Thorondir grinste frech.
Voltan bedachte den Scherz mit einem anerkennenden Nicken. „Nun, Ihr habt schon seid geraumer Zeit die Würde des Baronsreifes inne. Und Eure jungen Jahre halten Euch nicht davon ab ein guter Herr zu sein. Dürsten-Darrenfurt blüht wieder auf. Und ihr versteht es Raulsche und Nebachoten an einen Tisch zu bringen oder zumindest koexistieren zu lassen. Gut, mein unverholener Gegner in Morganabad einmal ausgenommen. Doch ich denke es ist auch an der Zeit dass Ihr Euch der Politik außerhalb unserer Heimat widmet – Gnitzenkuhl, eher eine Sache eurer Raulschen Berater, welches ihr ja auch bereits angegangen habt, aber aufgrund der Dringlichkeit vorallem Haselhain. Und wie der Zufall es will könnte dabei auch der Darrenfurter eine Rolle spielen, aber auch eine Bitte meinerseits.“ Voltan wusste dass er nun auf einem schmalen Grad wanderte, aber er war bereit diesen im Sinne der Baronie und seiner Familie zu begehen, diesen Schritt musste er wagen. Zumal die Raulschen in der Baronie sich ebenfalls regten und – erstaunlicher Weise ausgerechnet zu ihm Kontakt aufgenommen hatten. Wohl um den viel unangenehmeren Nebachoten in Morganabad noch weiter in die Schranken zu weisen, ein gefährliches Spiel, denn er wusste, dass auch bei diesen Raulschen Vorsicht angebracht war.
Der junge Baron wurde entsprechend aufmerksam und skeptisch: „Und das wäre? Aber ich gebe Euch zu bedenken nicht zum neuen Flüsterer am Ohr der Barone von Dürsten-Darrenfurt zu geraten, wie einst eben dieser Barnhelm.“
„Ihr sprecht recht, mein Baron. Doch bin ich mit nichten wie dieser. Um Euch das zu beweisen will ich ganz offen mit euch sprechen.“, nun ließ Voltan seinen Falken steigen, „Ihr wisst ja um die Bemühungen meiner Anverwandten in Haselhain und die Schwierigkeiten die der Haselhainer hat, er sitzt zwischen den Stühlen und kämpft mit den Traditionalisten in seiner Familie und der Baronie denen sein „raulsch-garetisches Gebaren“ ein Dorn im Auge ist und will nun die Planungen zum Kolleg meiner Verwandten in Altmark für sich verinnahmen. Da er selber ganz eigene Pläne für Haselhain hat, wie ich Euch schon berichtete. Zwar gelang es ihm die Traditionalisten zu spalten, dennoch sind sie eine starke, treibende Kraft in der Baronie. Und soweit ich in Erfahrung bringen konnte - unterstützt mit Zuwendungen aus Morganabad. Der Darrenfurter erhofft sich davon wohl zukünftige Verbündete im Osten.“
Der Falke stürzte nieder, der junge Baron hob beide Augenbrauen, kräuselte den Mund und bedeutete Voltan weiter zu sprechen.
„Das habe ich von meinen Freunden aus der Stadt Morganabad. Diese haben dem Darrenfurter ja zuletzt die Stadt wieder entrissen. Was die Zuwendungen auch immer geringer werden lässt.“
„Und Ihr, bester Voltan, erzählt mir das nun weshalb?“
„Nun, mein Baron. Weil ich eine Bitte an Euch habe. So wünsche ich mir Eure Unterstützung meiner Familie in Haselhain, in zweierlei Hinsicht. Wenn ich mit Eurer Erlaubnis oder gar in Eurem Auftrag zum Baron dort reisen dürfte, könnte ich so vielleicht Einfluss auf ihn nehmen, besonders wenn ich unter Eurem Banner dort anreisen würde. Für diplomatische Gespräche ist es ohnehin Zeit, ich könnte mir vorstellen sogar Baha mit mir reisen zu lassen, als klares Zeichen gen Morganabad. Euer Leumund könnte der Position meiner Familie um das Kolleg und generell in der Baronie bedeutend mehr Gewicht verleihen. Doch Haselhain ist derzeit generell noch in einer äußerst guten Verhandlungsposition.“
„Womit wir vermutlich zum wahrscheinlich deutlich unangenehmeren Teil von „zweierlei“ kommen.“, Thorondir lauerte, obwohl oder grade weil er grundsätzlich gewillt war Voltans Familie zu unterstützen. Wäre dies doch auch nur zum Vorteil für ihn und Dürsten-Darrenfurt.
Der Nebachote stockte etwas, tatsächlich würde der nächste Teil ein eher unangenehm-politischer sein, doch notwendig. „Für wahr, mein Baron, denn dieser Teil beinhaltet die temporäre Stärkung Eurer und des Haselhainers Rivalen, mit zugegebener Maßen ein bis zwei Unbekannten darin. Wie ich schon sagte – dem Darrenfurter werden die Mittel knapp um die Traditionalisten Haselhains zu füttern, die eben die starke Position des Haselhainers kontinuierlich schwächen. Würdet ihr dem Junker von Morganabad nun, aus noch zu definierden, sinnvollen und unzwielichtigen Gründen Unterstützung zukommen lassen, könnte dieser weiter die Traditionalisten in Haselhain unterstützen, ihr seht worauf ich hinaus will.“
„Ja, das sehe ich durchaus. Und ich finde es außerordentlich delikat. Wie wollt ihr verhindern dass dies eskaliert, was niemanden helfen würde?“, kritsich aber durchaus interessiert wartete der Baron auf eine Antwort.
„Bei meiner Reise zum Baron von Haselhain werde ich, mit Eurer Zustimmung, bereits ein loses Abkommen für eine gemeinsame nachbarschaftliche Partnerschaft diskutieren, dass auch die Bekämpfung und Verfolgung des Schmuggels zwischen den beiden Regionen betrifft. Den Großteil der Unterstützungen für die Traditionalisten muss der Darrenfurter natürlich unter der Hand dort hinbringen, damit es nicht in seinen Büchern steht und keine offene Verbindung zwischen ihm und den Traditionalisten auszumachen ist.“
Des Barons Gesicht erhellte sich: „Ich verstehe – und irgendwann werden diese Bemühungen uns dahin leiten Barnhelm von Darrenfurt zu überführen, ihm eine Strafe auf zuerlegen und ihn somit hier sowie als Unterstützer in Haselhain endgültig in seine Schranken zu weisen. Könnte man die Beweislast nicht sogar noch erhöhen, in dem wir unsere Zuwendungen an ihn markieren oder ähnliches?“
Voltan war positiv überrascht. „Natürlich, ein grandioser Einfall, mein Baron.“ Zögerlich fügte er hinzu: „Also seid ihr mit diesen Plänen einverstanden?“
„Nunja, mein bester Voltan, ja, aber wir dürfen dieses Spiel nicht zulange treiben. Wenn es nicht schnell zu dem Erfolg führt den ihr mir und Euch versprecht oder gar die Stimmung all zu sehr kippen lässt, beenden wir diese politische Scharade sofort, ob Eure Familie dann ihren Stand klar gemacht hat oder nicht. Denn wenn gar die Rivalen des Haselhainers zu sehr erstarken haben wir da nur all zu wenig von, dass sind Leute wie der Darrenfurter, die sich nach alten Zeiten sehnen und nach ihnen zurückstreben, was selten ein guter Rat ist.“
„Natürlich, mein Baron, ich würde niemals im entferntesten das Wohl Dürsten-Darrenfurts ersthaft gefährden wollen, doch wenn mein Plan so aufgeht wie ich es mir erwarte, dann kann Euch das im Gegenzug nur Vorteile erbingen. Ein bisschen Wagnis ist in der Politik aber stets erforderlich, wenn man nach höherem strebt.“
Das Gesicht des Barons zeigte das er Nutzen und evtl. Kosten abwog, mit ernster und bedachter Miene. „Nun gut, Euer Edelgeboren, legt mir einen detailierten Plan vor, ich will alle Eventualitäten durchdacht wissen. Aber eines müsst ihr mir noch sagen, wie wollt ihr erreichen, dass die Entscheidungen gegen die Pläne Eurer Familie nicht schon all zu bald gefällt werden, bevor Euer Plan greift?“
„Euer Hochgeboren, es geht hier um ein Kolleg im Namen der Schlange Alverans. Außer in der Reichsstadt, die ihr Wissen eifersüchtig hütet, der Halle der Ahnen in Sebarin - die schon immer mehr hortete statt strukturierte - und wirklich weniger weiterer Orte Perricums gibt es wohl kaum so treue wie wissbegierige Diener Hesindes wie in den Reihen meiner Familie, die innerhalb der Kirche auch durchaus gut aufgestellt und vernetzt ist. Das weiss auch der Baron von Haselhain und so werde ich ihn zumindest hinhalten können. Und wenn alles nichts nützt werde ich die Gnitze bemühen.“ Voltan lachte lauf auf und der junge Baron stimmte in sein Lachen mit ein, als Voltans Falke seine Beute ebenfalls packte.