Geschichten:Das neue Haselhain - Rosen und Säbel
Rashia'Hal, Baronie Haselhain, Anfang Rahja 1041 BF
Fatime genoss die Kühle des Wassers im Becken, die wohligen Düfte der Pflanzen und Behälter um dieses herum. Auch sah sie sich satt an den wohlfeilen Rundungen der Statuetten hier, ebenso an denen ihrer Mitgäste. Die wenn sie nicht durch optische Reize bestachen, es mit Güte oder Kunstfertigkeit taten und der Baronin eine äußerst angenehme Begleitung waren. Rashia'Hal bot immer wieder aufs neue die wahrhaftige Nähe zur lieblichen Rahja und ihren milden Schwestern, und kein einziges Mal schien dieser warmherzige Schleier sich zu lüften oder an Kraft zu verlieren.
Bei solchen wohligen Gedanken driftete Fatimes Kopf zwangsläufig zu Yurika von Aimar-Gor, mit der sie nach der Kollegs-Eröffnung noch ein paar äußerst inspirierende Tage verbracht hatte, ehe die Hesinde-Geweihte wieder in die Kaisermark abreisen musste. Beinahe trübselig plätscherten ihre Hände einen sehnsüchtigen Rhythmus auf der Wasseroberfläche, was ihre Mitgäste zu amüsieren und dichterisch anzuregen schien. Doch Fatime hatte dafür keinen Kopf.
Sie hing den Tagen mit der Hesindegeküssten immer wieder nach und streifte dabei zwischendurch immer wieder die Ereignisse des beinahe vergangenen Jahres. Der Weggang ihres Gockelgatten, der nur noch seiner Obsession folgte, ihr Entschluss diesen Umstand zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Der Widerstand der ihr dafür entgegen schlug, den sie mit viel Kraft meistens meisterte. Die neue Zeit gab ihr da recht, wie ein altes Kleidungsstück war Haselhain, ja ganz Perricum, bereit alte schwere Lasten und großherrliche Bürden hinter sich zu lassen und in neue Gewänder zu schlüpfen. So bereit dass es schon beinahe unheimlich war und die Baronin erwartete stets den Aufschrei der alttraditionellen Flickschneider, die die alte Gewandung noch einmal überstreifen wollten. Sie und alle tsaliebenden anklagend, doch bisher war dies ausgeblieben, bis auf eine paar ewig mäkelnde, denen aber kaum einer Gehör schenkte. Und das war sicherlich nicht nur durch den höhnischen Umgang ihres Gatten und zuletzt ihrem Vorgehen damit geschehen. Der Al'Haresh hatte es nach dem Tod des heiligen Simold damals verkündet - eine neue Zeit brach an und immer mehr verstanden dies auch.
Und sie gab hier einen Takt vor, zusammen mit anderen, hauptsächlich Vorreiterinnen. Aber auch andere - dass musste sie zugeben - wie Selo oder ihr Vater taten auf ihre Weise etwas dazu. Perricum veränderte sich in schnellen Schritten. Das Treffen der edlen Damenschaften im Herbst, dessen Früchte noch wachsen müssten, die von ihr wohlwollend betrachtete Gründung des Dreitempelorden im Frühling, die Eröffnung des Kollegs vor einigen Monaten. Die Geschichte des erblühenden Perricums nahm Fahrt auf und nicht einmal das Lüften des Geheimnisses ihres Sohnes hatte dem Abbruch getan. Was sie verwunderte, auch wenn sie spürte dass sich um den verprellten Voltan von Altmark einige dunkle Wolken zusammen zogen, die das schöne neue Bild trübten. Sie wusste wie eng der Altmärker am Ohr des Barons von Dürsten-Darrenfurt saß, es zwitscherten die Madasänger, dass der Baron den Sichelblicker bald dafür belohnen würde. Und es war gewiss dass dieser dies nutzen würde, soviel verstand sie von der Politik inzwischen, aber vorallem vom gebrochenen Stolz so vieler Männer, selbst oder gerade der eines so gebildeten Mannes wie Voltan von Altmark. Das war nicht zuletzt an dem gerade abkühlenden Verhältnis zur Nachbarbaronie zu spüren. Der Altmärker würde die neue Stärke der Familie und das Kolleg nicht abrupt wieder riskieren, doch irgendwann würde er sich aus dem Schatten wagen, da war sich Fatime sicher.
Auf der anderen Seite wurden die Verbindungen zu den Nachbarn im Osten zaghaft immer besser, während die Nachbarn selbst stritten und auch hier würde sich Perricums verändertes Gesicht zeigen, die meisten guten Geschichten begannen so wie es sich dort gerade anbahnte. Und ihr Haselhain würde ein Teil davon sein, so malte sie es sich aus. Ihre Position dort war vorteilhaft, auch wenn der Tanz auf zwei Hochzeiten riskant war. Doch dem - ihrem Mann noch halbwegs verbündeten - Korbrunner Altgedienten war sie eher ein Dorn im Auge, auch wenn er dies bisher nur versteckt äußerte und lauerte, da er sich keine zwei Fronten leisten konnte, während er - vertreten durch ganz andere - gen Norden mit den Säbeln rasselte, seinem Naturell entsprechend. Wobei das Säbeln rasseln eine Untertreibung sondersgleichen war, bahnte sich doch dort ein erneuter Bruderkrieg an, begonnen mit blutigen Morden. Dies alles bedrängte die angeschlagenen edlen, schwarzen Hengste im Norden nur all zu sehr, die nun in offener Fehde mit ihren verwandten Exilanten beim südlichen Nachbarn, was dem Korbrunner nur zuspielte. Und dies beobachtete nicht nur Fatime genau und so sponnen sich jetzt schon Fäden, die Haselhain ganz sicherlich eine interessante Nachbarschaft garantieren würde, die hoffentlich nicht auf tönernen Füßen stehen könnte oder evtl. gar auf neuen, nicht einer herrischen Willkür von althergebrachten Männern basierte. Man würde es bald sehen, denn dort würden sich die stricke noch in diesem oder dem nächsten Götterlauf spannen, da war sie sich ebenso sicher. Vielleicht könnte sie hier den Zweihochzeiten-Tanz perfektionieren und gleichzeitig das seidene Band mit den von ihr bevorzugten Vorreiterinnen stärken. Vielleicht, noch konnte sie die Spielerin nicht genauer einschätzen.
Kurz schweifte ihr Kopf bei den Gedanken an ihre wohl vielversprechendste Wunschkandidatin in Herdentor wieder ab zu den tiefgründigen Abenden mit Yurika von Aimar-Gor, während sich Fatime in die wohltuende Massage einer Rahjani ergab und sie einem Mitgast fröhlich-frivol zu blinzelte. Doch verspannte sie sich gleichzeit wieder, was die Rahjani mit ein paar sanften Worten entgegenzuwirken versuchte. Denn bei den Gedanken an den nächsten Götterlauf, welcher ihr nun unweigerlich in den Kopf kam, war ihr nicht recht wohl. Aber nicht wegen dem heiklen Tanz, auch nicht wegen der kühleren Nachbarschaft nach Dürsten-Darrenfurt oder gar den alttreuen Schlächtern in Sebarin. Es war der Besuch ihres Gatten, er immer näher kam. Sie hatte Selo schon lange nicht mehr gesehen und auch die Briefe waren weniger geworden und diese drehten sich immer nur um die immer gleichen Themen. Zu den wahrlich besorgniserregenden gesellte sich auch stets dieses unsägliche Turnier. Nicht nur, dass sie es entgegen der fragenden Gesichter der ohnehin schon versäuerten Traditionellen organisieren musste, sondern auch dass die diplomatischen und obsessiven Bemühungen und Bünde vorallem Selos der letzten Jahre der Baronie einiges abverlangten und sicherlich noch weiter würden. Ja, Haselhain war reich und fruchtbar, doch Geschenke, Bündnisse, die neue kulturelle Blüte und das Kolleg etc. kosteten so einiges. Sehr wahrscheinlich lohnende Investitionen, doch eine neue Entwicklung machte ihr genau dabei Sorgen, die Ernteeinkünfte, das stete Pfand Haselhains, waren die letzten beiden Jahre schlechter ausgefallen, in diesem Jahr sogar auffällig, wenn auch noch nicht besorgniserregend. Doch Selo war in seiner Obsession nicht aufzuhalten und sie konnte dem keinen Einhalt gebieten.
Bevor die Gedanken der Baronin aber völlig ins düstere abrutschen konnten, gesellte sich der altersschöne Körper Yarasha von Weißbarûns neben den ihren, unterstrichen noch von dem eines jungen Athleten, augenscheinlich aranischer Abkunft.
"Mit Verlaub, Euer Wohlgeboren, ihr erlaubt doch zwei leidenschaftlich-treuen Dienern der Göttin und Bewunderern eurer Zunge sich neben Euch nieder zulassen?" Anmutig ließ die Tänzerin und Pflanzenkundige sich ins Wasser gleiten, so dass die Anwesenden in ihren Gesprächen kurz inne hielten. Ebenso tat es der athletische Mann. Nicht häufig gesellte sich die Klostervorsteherin höchstselbst zu ihren Gästen. Dementsprechend positiv überrascht war auch Fatime.
"Natürlich, eure Exzellenz, wie könnte eine Knospe der erhabensten Rose im Garten dies verwehren?"
"Aber aber, der Garten der Lieblichen und ihrer Schwestern weiss um viele schöne Kinder, meine Liebste. Die einen mögen die anmutigste Blüte tragen, die anderen aber die spitzesten Dornen, den lieblichsten Duft oder die heilsamsten Säfte. In Eurem Fall weiss ich aber nie mit Sicherheit zu sagen, welches dieser Kinder ich vor mir habe. Die schönste Rose ist doch die, die ihr Geheimnis stets bewahren kann. Und so möchte ich Euch danken für Euer göttinnengefälliges Engagement in Perricum. Haselhain erblüht, auch dank Euch zu neuer Pracht und selbst Rashia'Hal erwacht aus seinem Schönheitsschlaf. Gemeinsam strahlen wir ab auf den Rest Perricums. So inspirierte es auch zu einem Bund der Drei Schönen Tempel, der sicherlich Frohsinn und das Leben in die Markgrafschaft tragen wird, was sicherlich der ganzen Markgrafschaft noch von Nutzen sein wird. Die drei lieblichen Schwestern sind so voller Wohlwollen für Euch, Euer Hochgeboren, sie lächeln auf Euch herab und segnen eure Taten. Und wie könnte ich da anders als Euch zum Abschluss des Jahres, im Monat der Leidenschaftlichen, in der Schwestern Namen ein Geschenk zu übergeben?"
Fatime errötete fast unter den Worten und sanften Berührungen der Hochgeweihten, eine Seltenheit. "So...Liebreizenste und anmutigste Tochter Rahjas, Ihr macht mich verzückt, verlegen und neugierig zugleich, eine spannende und erregende Mischung, die ich auf der einen Seite gerne halten würde, auf der anderen auch auf den Höhepunkt gespannt bin. Was ist Euer Geschenk?"
Die Geweihte lächelte zweideutig und deutete neben sich. "Dieser soll mein Geschenk sein. Radschakani ist einer der graziellsten Chandjarrsharis (Säbeltänzer) in der Göttin Augen und ein ehrlicher Bewunderer eurer Kunst und edlen Persönlichkeit. Er möchte euch Inspiration und Diener sein und ich möchte euch in vertrauensvollen Händen wissen. Eine säbeltanzende Rose für die Baronin von Haselhain, was wäre passender?"