Geschichten:Demission und Nachberufung - Besuch im Kloster St. Ancilla
Dramatis personae:
- Gerion von Keres, Magier aus der Raulsmark
- Adran von Feenwasser, Abt des St. Ancilla-Klosters
Kaiserlich Gerbaldsmark, Kloster St. Ancilla, 15. Tsa 1034 BF
Gerion stieg von seinem Pferd ab und gab einem seiner Begleiter seine Zügel. Anschließend schritt er den vom Schnee befreiten Weg zu den Stufen des Klosters St. Ancilla. Als er die Eingangshalle betrat, die mit Symbolen der Hesinde-Kirche geschmückt war, wandte sich ihm eine Novizin zu, der die Gäste des Klosters begrüßte.
"Den Zwölfen zum Gruße", sagte Gerion. "Könnt Ihr dem Abt Adran von Feenwasser bitte ausrichten, daß Gerion von Keres ihn zu sprechen wünscht."
Die Novizin nickte und führte den in edler Kleidung gewandten Adligen durch die grosse Eingangshalle des Klosters, dicht gefolgt von Gerion's beiden Begleitern. Sarella hatte nicht gleich erkannt, dass es sich bei dem Gast um einen Magier handelte, aber der hüfthohe und verzierte Zauberstab mit einer Kristallkugel am oberen Ende, verrieht der guten Beobachterin Gerion's Profession. Die junge Novizin führte die Gäste in den Verwaltungstrakt und bat die Herrschaften einen Moment zu warten. Sie verschwand hinter einer schweren Eichentür die sich nur einen Moment später wieder öffnete. Ein junger Geweihter um die 30 öffnete die Tür.
"Hesinde zum Gruße, mein Name ist Bander Linderhold, ich bin der Präfekt des Klosters St. Ancilla. Eure Hochwürden Adran von Feenwasser wird Euch nun empfangen."
Gerion trat durch die Tür, als seine Begleiter dies ebenfalls wollten, deutete der Präfekt den beiden, dass sie vor der Tür warten sollten. Gerion gab ihnen zu Verstehen, daß es schon in Ordnung sei.
Der Präfekt führte Gerion in das Arbeitszimmer des Abtes. Dort saß der edel gekleidete Adran von Feenwasser an einem schweren Schreibtisch. "Hesinde zum Gruße, werter Gerion von Keres, was kann ich für Euch tun?"
Auch der Magier grüßte den Abt und setzte sich auf den Stuhl, das ihm angeboten wurde. "Ich hatte kürzlich auf Burg Menzelshall ein nettes Gespräch mit Eurer Tochter Linai", begann Gerion. "Eine beeindruckende Frau. Und sie sprach voller Begeisterung von diesem Kloster. Sie erzählte auch, daß dieses Kloster dafür bekannt ist Hofkaplane auszubilden?"
"Linai ist in der Tat eine beeindruckende junge Frau", der Abt lächelte mild, "so sie ihre von der Allwissenden reich beschenkten Gaben zu nutzen weiß, wird sie es noch weit bringen." Nach einer kurzen Pause fuhr der Abt fort. "Meine Tochter erzählte mir von Eurer Unterhaltung, sie war sehr von Euch und Eurer Schwester angetan." Adran fixierte Gerion mit seinen blauen Augen.
"Dieses Kloster hat seit seiner Gründung durch Rohal den Weisen die Aufgabe Wissen zu sammeln und zu bewahren ... Aber was nützt alles Wissen, wenn es nicht angewendet wird?! Die Novizenausbildung hier in St. Ancilla legt einen grossen Schwerpunkt auf die praktische Anwendung von Wissen - und wo ließe es ich besser anwenden als an Adelhöfen, oder was meint Ihr. Wohlgeboren?" Der Abt lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute dabei auffordernd zu Gerion.
Jetzt hatte Gerion ein Fundament, wovon er behutsam das Gespräch auf sein Thema lenken konnte. "Dies stimmt völlig mit der Meinung meiner Schwester überein", lächelte Gerion. "Sie würde es gerne sehen, daß es hier so wäre wie im Horasreich - was die Bildung betrifft. Und wie Ihr zweifellos selbst wißt, ist die Mutter des Horas selbst die Magisterin der Magister. Und diese ist ihm zweifellos auch eine gute Ratgeberin.
Ist Euch bekannt, daß es im Horasreich sogar Magiern und Geweihten erlaubt Lehen zu führen?", fragte Gerion und beobachtete aufmerksam die Reaktion des Abtes.
"Ja, das Horasreich handhabt diese Causa weise, war doch der verstorbene Staatsminister Abelmir von Marvinko ein Diener der Allwissenden und bekanntlich einer der grössten Staatsmänner der jüngeren Geschichte!", der Abt lächelte Gerion an. "Auch die Kirchenmarken im ehemaligen Darpatien haben bewiesen, dass Geweihte durchaus fähige Politiker sein können... oder man denkt sich nur in die Rohalszeit zurück, eine Epoche wo Kunst und Wissenschaft eine nie dargewesen Blüte erfuhren - bekanntlich war Rohal der Weise nicht nur ein Sohn des göttlichen Nandus, sondern ebenfalls ein Magier. Wie Ihr seht, Wohlgeboren, unsere beiden Professionen hätten eigentlich einen berechtigten Platz in der hohen Politik des Mittelreichs... nur verwehrt man uns diesen." Der Abt wirkte ernsthaft erzürnt darüber.
Gerion lächelte innerlich. Er hatte bereits vermutet, daß der Abt es in dieser Hinsicht ähnlich sah wie er und diese Antwort bestätigte es ihm. "Nur ist das Bild von Magiern wie Borbarad oder Galotta getrübt", sagte Gerion. "Und die Herrschaft von Geweihten hatte bis vor wenigen Jahren noch den Beigeschmack der Priesterkaiser. Wenn unsere Professionen in der Politik allgemein akzeptiert werden soll, muß sich erst dieses Bild bessern."
"Ihr habt die Sachlage auf den Punkt gebracht, Wohlgeboren, die Ausgangslage ist denkbar schlecht. Nichtdestoweniger ist es an uns dieses Bild zu verbessern", der Abt freute sich innerlich, dass jemand seine Auffassungen teilte. "Es ist unsere Aufgabe unsere beiden Professionen ins rechte Licht zu rücken. Wie ich hörte hattet Ihr maßgeblichen Anteil an der Bekämpfung des Untiers im fernen Perricum ... nun, es sind solche Heldentaten die wir brauchen um beim Adel wie beim gemeinen Volk gleichermaßen ein Umdenken in unserem Sinne anzustoßen. Aber was rede ich, sicherlich habt Ihr Euch doch schon weiterführende Gedanken zu dieser Causa gemacht, oder irre ich mich, Wohlgeboren?" Der Abt grinste Gerion an.
"Das habe ich in der Tat", sagte Gerion. "Und natürlich habt Ihr Recht, man muß mit gutem Beispiel vorangehen. Doch ein weiterer Schritt wäre, wenn man einen magierfreundlichen Richter auf den vakanten Reichsrichterposten setzt, oder einen den man beeinflußen kann. Dieser allein wird zwar nicht viel bewerkstelligen können, aber es wäre - wie gesagt - ein erster Schritt. Fällt Euch denn ein geeigneter Kandidat ein?"
Erst hatte sich Gerion überlegt einen magiebegabten Baron aus dem Schlund, Anaxios von Ochs, öffentlich vorzuschlagen, auch um zu sehen, welche Reaktion das hervorrufen würde, doch hatte es sich Gerion anders überlegt. Denn er konnte sich gut vorstellen, daß man damit in ein Wespennetz stechen und somit nur das Gegenteil erreichen würde.
Davon abgesehen, war Gerion neugierig, ob der Abt sich bereits für einen Kandidaten ausgeprochen hatte und ob es auch der war, den Gerion im Sinne hatte.
Der Abt sah Gerion einen Moment lang an bevor er antwortete. "Jaja, ein neuer hochadliger Reichsrichter soll her ... der Kreis der Kandidaten ist bis dato sehr erlesen... besonders der Raulsmärker und er Ochse können als erstklassige Wahl gelten. Dennoch halte ich persönlich Hilbert von Hartsteen für die bessere Wahl - berücksichtigt man die von Euch genannten `Qualitäten´, die der neue Reichsrichter mitbringen sollte ...", Adran machte eine kurze Pause. "Unser Anliegen wird nur durch die Unterstützung der Alten Familien von Erfolg gekrönt sein und Hilbert ist da bestens aufgestellt! Andererseits hat der Sertiser einen eigenen Kopf, was ihn zwar unberechenbar macht - auch für die Alten Familien - aber das bietet wiederum Raum für Einflussnahmen von Seiten Dritter. Sagt, Wohlgeboren, wo steht Ihr in dieser Angelegenheit?" Der Abt beobachtete Gerion nun genau.
Interessant. Auch der Abt war für den Hartsteener. Auch Gerion war der Meinung, daß Hilbert wohl in dieser Hinsicht die beste Wahl war, auch wenn er kurz unschlüssig gewesen war. So vermutete er doch eine mächtige Partei hinter dem Pfalzgrafen, die ihn ins Gespräch gebracht hatte. Und diese würde Hilbert wohl besser kontrollieren können. Besser wäre jemand, der ebenso beeinflußbar war wie er, nur daß dieser von keinem anderen kontrolliert würde. Doch gab es zur Zeit einen solchen Kandidaten nicht.
Der Grund, daß sich Gerion doch für Hilbert entschied war, daß man diesen selbst dennoch beeinflussen konnte, trotz einer unbekannten Partei. Es würde interessant werden.
"Ich denke ebenso, daß das nur mit Unterstützung der alten Familien zu bewerkstelligen ist", anwortete Gerion ohne eine Regung im Gesicht zu zeigen. "Der Pfalzgraf wäre in dieser Hinsicht wahrlich die beste Wahl." Geron vermutete, daß der Abt wohl auch eigene Pläne bezüglich Hilbert hatte. Adran hatte sich wohl schon einige Gedanken zu diesem Thema gemacht, so hatte er doch nicht lange auf eine Antwort warten lassen.
"Ich nehme an, Ihr habt bereits Eure Kontakte diesbezüglich genutzt?", fragte Gerion und war auf die Antwort gespannt. Er wußte, daß einige der Familie Feenwasser in der Kanzlei in Elenvina tätig waren.
"Ihr überschätzt einen einfachen Kirchenmann." Adran grinste breit. "Die Mühlen der Reichskanzleien arbeiten bekanntlich langsam und Meinungen gibt es derer so viele wie es dort Schreiber gibt. Ich kann Euch aber versichern, dass die Kandidatur des Pfalzgrafen von Sertis an höheren Stellen durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde." Der Abt lächelte vielsagend, er war verwundert darüber, dass sich Gerion nicht eindeutiger hinter seinem Lehnsherren Oldebor positioniert hatte, scheinbar war es ihm mit seinem Anliegen sehr ernst. Aber Adran ging es letztendlich nicht anders, fähigere als Hilbert gab es allemal ...
Davon abgesehen, daß Hilbert bereits die Unterstützung zweier Grafen hatte, dachte Adran. Sofern man Luidor von Hartsteen als Grafen bezeichnen durfte ...
"Auch die Kirche der Allwissenden steht dem Sertiser positiv gegenüber", ergänzte der Abt. "So hörte ich aus dem Pentagon-Tempel nur lobende Worte über den Pfalzgrafen." Der Abt wusste, dass die Hesinde-Kirche die "causa gerheimiensis" unter allen Umständen und ohne viel Aufsehen mit dem Sertiser zu klären gedachte.
Die Hesinde-Kirche ist auch für Hilbert?, dachte der Magus. Das ist ja interessant ...
Davon abgesehen, glaubte Gerion durchaus, daß der Abt gute Verbindungen besaß, egal was der Abt behauptete. Schon allein durch diverse Hofkaplane, die hier einst ausgebildet wurden und nun an verschiedenen Adelshöfen zu finden waren - so vermutete Gerion.
"Nun, es scheint nicht schlecht für den Pfalzgrafen zu stehen. Die Frage ist nur, ob die Kaiserin ihn auch ernennen wird", meinte Gerion. "Doch sollte es nicht bei diesem einen Schritt bleiben." Gerion lehnte sich ein wenig vor. "Ich nehme an, daß Ihr Euch ebenso bereits Gedanken dazu gemacht habt, wie man das Bild unserer Professionen verbessern kann?" Es war weniger eine Frage, als mehr eine Feststellung.
"Nun", begann der Abt, "als Mann der Kirche bin ich zu subtileren Handeln gezwungen ...", der Abt rausperte sich, "... seit geraumer Zeit schicke ich meine Schäfchen an die Höfe des Adels - wie Ihr eingangs so zuteffend bemerkt habt - um heilend auf die Höflinge einzuwirken und in unserem Sinne zu erleuchten. Dies könnte einer der Grundpfeiler werden um unseren Professionen eine breitere Unterstützerbasis zu verschaffen. Aber dies braucht Zeit. Des weiteren sollte man die Macht der Druckerpresse nicht unterschätzen - eine sehr horasische Denkweise, ich weiss, aber so lassen sich auch weitere Unterstützer mobilisieren." Der Abt lehnte sich zurück und dachte nach, er hatte eine Art Propagandaoffensive im Sinn, die besonders die guten Taten von Magiern und Hesinde-Geweihten hervorheben sollte. Diese Art von Erleuchtung der Menschen sah er überdies als sehr hesindegefällig an.
Die Macht der Worte. Daran hatte Gerion noch nicht gedacht, auch wenn er schon öfters damit in Kontakt gekommen war. So konnte sich Gerion noch gut an einen Schreiberling erinnern, Ettel Bachental war sein Name, der von seinem "Tod" im Herold berichtet hatte. Vielleicht sollte er ihn noch einmal treffen ...
"Ich denke", sprach Gerion schließlich wieder, "wir könnten uns gegenseitig in dieser Sache helfen. So besitze ich nicht nur Kontakte in den höchsten Kreisen, sondern könnte auch einen Schreiber vom Garether und Märker Herold für unsere Sache gewinnen. Und es würde sich für uns beide lohnen in Kontakt zu bleiben."
"So soll es sein", der Abt lachte zufrieden, "ich denke ebenfalls, dass wir einander noch sehr nützlich sein werden." Der Abt war zufrieden in dieser Angelegenheit einen durchaus potenten Verbündeten gefunden zu haben. Dieser Gerion von Keres schien es wert zu sein, etwas zu protegieren. "Der Hesindegefällige Adel sollte in der tat zusammenstehen. Ach sagt, werter Gerion, Ihr gedenkt nicht vielleicht eines Eurer Nachkommen in die Obhut der Allwissenden zu geben?" Der Abt lächelte den Raulsmärker an und wartete auf eine Antwort.
Gerion lies sich mit der Antwort kurz Zeit. "Ich habe mir noch nicht viele Gedanken für die Zukunft meiner Kinder gemacht. Ich kann diesbezüglich noch nichts ausschließen."
Der Abt nahm Gerions Antwort schweigend zur Kenntnis, während er aufstand und Gerion so zu verstehen gab, dass es nun Zeit war zu gehen. "Euer Besuch in diesen heiligen Hallen der Allwissenden war sehr erfreulich, unsere Novizin Sarella wird Euch nun zum Ausgang begleiten, natürlich seid Ihr jederzeit wieder herzlich willkommen." Mit diesen Worten verabschiedenten sich die beiden Männer.
Auch Gerion war mit diesem Treffen zufrieden. Er würde mit dem Abt in Verbindung bleiben.
Es war allerdings nur zu dumm, daß er sich nicht öffentlich für Hilbert von Hartsteen ausprechen konnte, da sein Vater sich schließlich schon für Oldebor von Weyringhaus ausgesprochen hatte. Aber er hatte schließlich auch seine Kontakte ...
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