Geschichten:Demission und Nachberufung - Schlange und Eidechse

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Königlich Neerbusch, Junkertum Eibenhain, Gut Eibenheim, Efferd 1034 BF

Dramatis Personae



Die Bauern des Dörfchens Eibenheim staunten nicht schlecht, als an ihnen eine prunkvolle Kutsche mit den Insignien der Hesinde-Kirche vorbei rauschte. Selten kamen Reisende in das verschlafene Dörfchen in den Ausläufern des Reichsforsts – von einigen wenigen Pilgern, die zum hiesigen Tempel der Schwanentöchter wollen, mal abgesehen.

Die Kutsche kam im Vorhof des Gutes Eibenheim, gelegen zwischen den beiden Seen Rotwasser und Feenwasser, zum Stehen. Sofort war das Getümmel groß; Diener, Stallburchen und sonstige Bedienstete wuselten wild durcheinander. Aus der Kutsche entstieg, etwas geschafft von der langen Reise, Adran von Feenwasser, seines Zeichens Abt der Klosterlande St. Ancilla in der Gerbaldsmark. Seit er in Amt und Würden war, kam Adran nur noch selten in seine waldsteiner Heimat – manch eine böse Zunge behauptet gar, der Abt hielte Waldstein für einen hesindeverlassenen Ort und würde ihn deshalb meiden.

Oben auf der Balkonbrüstung des Haupthauses standen bereits Elaya von Feenwasser und ihre Schwiegertochter Simiane Sumudai vom Mandlaril-Feenwasser. Adran erklomm in wallenden Gewändern die hölzernen Stufen empor und begrüßte die beiden gelehrten Damen.

„Mutter, Hesinde zum Gruße, ich bin erfreut dich in so guter gesundheitlicher Verfassung anzutreffen.“ Mit diesen Worten umarmte Adran die zierliche alte Dame aufs herzlichste.

„Mein Sohn, schön dich zu sehen. Du lässt dich viel zu selten hier blicken.“ Elaya´s Blick wirkte mahnend, bevor sich ihre Gesichtszüge zu einem Lächeln entspannten und sie die Umarmung erwiderte.

„Meine liebste Schwägerin“, Adran ging auf Simiane zu, „wie ich sehe konntest du dich von deinen Studien losreißen. Darf ich daraus schließen, dass du mich zu der Hochzeit unserer Nichte in den Nordmarken begleiten wirst?“

„Liebster Schwager, auch ich bin den Freuden des Lebens nicht gänzlich abgeneigt - auch wenn mein lieber Gemahl das wohl anders sieht“, Simiane lachte, „aber was kann es erbaulicheres geben, als eine Hochzeit.“

„In der Tat, zumal die Gästeliste viel versprechend wirkt.“

Die drei Herrschaften betraten nun das Haus, während die kleine Jurga einem Diener half die Habseligkeiten des Abtes ebenfalls herein trugen. Adran erkundigte sich bei Elaya wo sich Edorian zur Zeit aufhalten würde, worauf hin sie zum Arbeitszimmer deutete.

Adran klopfte an die schwere Eichentür des Arbeitszimmers, die auch sogleich von Edorian´s Knappen Linnert geöffnet wurde. Im Zimmer herrschte geschäftiges Treiben, Edorian saß an seinem Schreibtisch und ging einige Dokumente durch, während sein Schwager Hartudan von Hartwalden-Hartsteen einen Stapel Pergamente sortierte. Ein auf dem Boden liegendes, aufgeschlagenes Buch verriet dem Abt, dass Linnert wohl bis eben in dieses vertieft gewesen sein musste.

Nachdem sich die Herren begrüßt hatten, wandte sich Adran zu Linnert. „Mein Junge, wie ich hörte, bist du fleißig am lernen. Dein Vater hat mir einen Brief für dich mitgegeben... Geh doch bitte in den Salon, dort kannst du ihn in Ruhe lesen.“ Linnert schaute kurz zu Edorian und als dieser mit einem Nicken sein Einverständnis gab, sauste der Junge los.

„Wie ich sehe entwickelt sich der Junge prächtig bei dir, Edorian.“

„Ja“, erwiderte der Angesprochene, „Linnert ist wissbegierig und versteht auch komplexe Zusammenhänge schon bemerkenswert gut... aber er ist ja auch unter deinen gelehrten Augen in St. Ancilla aufgewachsen, da hätte ich auch nichts anderes erwartet, lieber Onkel“, Edorian lachte und fuhr fort, „des weiteren scheint er ein Händchen für die Falknerei und das Fechten zu haben, was mich natürlich besonders freut.“

„Wohl gesprochen“, antwortete der Abt nicht ohne Stolz.

„Aber sag, Adran, was gibt es Neues aus den garetischen Landen? Bisweilen habe ich das Gefühl alles Wichtige scheint an mir vorbei zu gehen...“

„Es gibt in der Tat interessante Neuigkeiten“, setzte der Abt an, „wie du vielleicht weißt, gilt es einen neuen Reichsrichter zu berufen... und unsere königliche und kaiserliche Majestät wünscht sich wohl einen Garetier auf diesen Posten, wie man aus dem Umfeld der Kaiserin hört.“

Edorian wirkte wenig beeindruckt. „Ja, diese Neuigkeit ist selbst bis nach Waldstein vorgedrungen.Allerdings ist das eine Angelegenheit, die der Hochadel unter sich ausmacht. Ich wüsste nicht inwiefern mich das tangieren sollte...“

„Nun, die Kaiserin wird sehr genau auf die Gemütslage des garetischen Adels hören und sich dann entscheiden...“, nach einer kurzen Pause fuhr Adran fort, „ich persönlich halte Hilbert von Hartsteen für einen geeigneten Kandidaten für den Posten.“

„Wie kommst du gerade auf den Sertiser?“, fragte Edorian etwas ungläubig.

„Ich denke, dass ein Waldsteiner in hohen Ämtern und Würden durchaus zu unsrem Vorteil sein könnte... außerdem gibt es da noch eine... delikate Angelegenheit.“ Dies ließ Edorian nun aufhorchen. „Wie mir zu Ohren gekommen ist, hält der Sertiser einen Nandus-Geweihten auf der Pfalz Breitenhain unter Arrest... Die Kirchen der Hesinde und ihres göttlichen Sohnes Nandus haben ein Interesse diese Angelegenheit zu klären... wobei der Pentagon-Tempel bis dato von einer offensiven Strategie absieht... Sprich, wenn wir den Sertiser unterstützen, könnte dies zumindest eine Hafterleichterung für den Geweihten erwirken.“

„Hm, das ist wahrlich ein interessanter Gedanke...“ Auf Edorian´s Gesicht zauberte sich ein Lächeln.

„Ihr seid doch beide verrückt“, brach es auf einmal aus Hartudan heraus, der das Gespräch bisher wortlos verfolgt hatte, „Hilbert ist der denkbar ungeeignetste Kandidat!“

Edorian und Adran blickten überrascht zu dem Schlunder. „Hartudan, hast du getrunken?“ Solch harschen Worte war Edorian von seinem Schwager nicht gewohnt. „Was hast du gegen den Hartsteener, dessen Namen du in deinem Familiennamen führst?“

„Ach hör mir auf damit“, entgegnete Hartudan, „Hilbert ist doch total unfähig – Hartsteen hin oder her... außerdem weißt du genau wie es zwischen mir und dem Hartsteener Zweig meiner Familie steht – und das hat zu keinem geringen Maße mit dir zu tun, Edorian. Mein Vater hat es mir nie verziehen, dass ich einer neuadligen Familie diene… und auch noch in jene hinein geheiratet habe – auch noch bei Verlust meines Familiennamens für meine Kinder.“

„Mein lieber Hartudan, du hast wahrlich große Last auf dich genommen und ich anerkenne auch meinen Anteil daran. Lass uns in mein Gemach gehen und zur Beruhigung deines Gemüts ein Glas Eibenhainer Feentraum trinken. Bei der Gelegenheit kannst du mir dann nahelegen, wen du für den geeigneteren Reichsrichter hälst.“

Hartudan nickte und die beiden Männer ließen den Abt alleine im Arbeitszimmer zurück, der nur die Augen verdrehe. „Diese Schlunder.... die Allwissende muss bei deren Erschaffung geruht haben!“