Geschichten:Der Heerzug gen Waldfang
Zusammengestellt au getreulychen Berichten undt guten Zeugen zur Mehrung des Wissens und höherem Ansehen der Zwölfgötter; von Uldarian Tengal, Scriptor Urbis Luminis
Der Aufmarsch
Über den Aufmarsch der vereinigten Truppen aus zahlreichen Baronien berichtet der alte Herold Jirian von Cnotenstock
Am Morgen des 17. Praios erschallten mit den ersten Praiosstrahlen des Tages die zwölf mächtigen Kriegshörner Natzungens, worauf sich droben im Schlosse und drunten im tiefer gelegenen Heerlager ein großer Trubel ausbreitete. Während sich die hohen Herrschaften und tapferen Ritter am Morgenmahl erquickten und sich die glänzenden und prächtigsten Wehrgehänge anlegen ließen, sattelten schwitzende Knechte und Mägde ein gutes Hundert Rösser und spannten Zugtiere vor die Kriegswagen.
Zwischen den Dutzenden farbenfrohen Zelten im Heerlager liefen die Soldaten mit Schild, Speer oder Schwert, um sich in Reih und Glied hinter ihren Bannern zum Appell zu sammeln.
Die ersten schaulustigen Einwohner aus Unternatzung sammelten sich schon auf dem Schlossweg, als all die Barone und edlen Streiter noch im Schlosse Nacia weilten, um zuzusehen und mitzuhelfen, die große Tribüne für den Staatsrat Praiodan und unbeteiligte Herrschaften aufzubauen. Ein gutes Dutzend der teuersten und beeinduckendsten Schlachtrösser wurde in zwei Reihen vor dem Schlossportal aufgestellt. Als die schweren, bronzebeschichteten Torflügel aufschwangen, bezogen wir unsere Stellung in einer Gasse vor den Pferden und bliesen in die Hörner, dass uns die Wangen zu platzen drohten, als all die adligen Frauen und Mannen in blitzenden Brünnen und mit Furcht einflößenden Waffen aus dem Schlosse strömten, mit grimmen Mienen und fest entschlossen, Rondras Willen zu vollstrecken. Klirrend und scheppernd wuchteten sich die stolzen Herren und Damen auf ihre vertrauten Rösser, um darauf unter dem Echi unserer Hörner, die wir aufgeregt bliesen wie die jungen Spunde, den Weg zum Heerlager hinabzureiten, allen voran der schöne Gaugraf Ugo von Mühlingen im blaugüldenen Kriegsrock auf einem schneeweißen Elenviner.
Als wir die Hörner geschultert hatten und in gebotenem Abstand hinterher schritten, sahen wir, wie der Reiterpulk sich auflöste und die Adeligen und Haupotleute vor ihren Bannern verharrten.
Das Ereignis aus Sicht der Kurier- und Herold-Scriptora Dana Gerstdorp
Schon in aller hehren Götter früh’ riss mich ein wahrhaft fürchterliches Getöse von meinem Strohsack in der Schlossherberge. Im ersten Moment dachte ich, Rondras Donner selbst hätte mich geweckt, und ein Sturm würde hereinbrechen, dermaßen schallte das dumpfe Hörnergrollen, das man gewisslich noch in Gareth gehört haben mag!
Nach dem Frühstück beeilte ich mich, beritten zu den Schlosswiesen zu gelangen. Den Weg säumtzen schon Hunderte Schaulustige, die sich im weiten Kreis westlich vor dem Schloss versammelt hatten. Es kursierten die aufregendsten Gerüchte unter den Zuschauern, von denen ich nur die abenteuerlichsten wiederzugeben vermag: dass die Baonin Maline von Natzungen ein ganzes Regiment almadanischer Krieger angeworben hätte; dass der stolze Melcher Dragendot mit Thorwalern am Heerzug teilnehmen würde, gar dass der König selbst mit einer Schar gefallener Amazonen unterwegs sei, debn Aufstand persönlich niederzuschlagen. Doch kaum etwas davon sollte sich als wahr erweisen.
Mit dröhnenden Kesselpauken, Marschtrommeln, Kriegshörnern und Sackpfeifen rückte von Osten her ein langer Heerwurm heran. Voraus stapften die Bläser und Trommler und Knechte mit großen Fahnen und Figuren an Holzstäben, die einen zähnefletschenden Fuchs, zwei Greifen mit erhobenen Krallen und brüllende Löwen darstellten. Dahinter kam kläffend die wilde Meute abgerichteter Hunde, blutgierig geifernd. Zwanzig Schritt weiter ritten hinter dem knatternden Banner Garetiens der stolze Gaugraf Ugo von Mühlingen ihn einem prächtigen Waffenrock aus blaugoldenem Brokat auf einem herrlichen Schimmel; knapp dahinter folgte ihm seine Adjutantin, die Baronin Maline von Natzungen, auf einem nachtschwarzen Ross in silbern funkelnder Brünne und einem kunstvollen Kettenrock, an ihrer Seite der Hofrat Endor Pagan und die Schwertschwester Zulia von Wendfels. Der Boden erbebte alsdann unter dem Hufgetrampel der fünfzig Reiter des Gaugrafen, denen ein weiteres Banner Fußkämpfer unter dem Wappen des Mühlrades folgten.
Dahinter führten unter dem Wildkatzenbanner der Natzunger Konstabler ya Gollt und eine Handvoll stolzer Ritter berittene Schützen und Lanzenreiter, denen zahlreiches schwerbewaffnetes Fußvolk hinterdrein schritt, darunter ein Halbbanner almadanische Langschwerter. Direkt hinter den Natzungern erschien das stolze Wappent des uslenriedschen Barons Wulf von Streitzig j.H. zur Greifenklaue und das Banner von Hirschfurten. An der Seite des finster blickenden Barons Wulf, der eine beeindruckende Plattenrüstung trug, ritt der Baron Radulf von Hirschfurten. Hinter den beiden ritten der uslenriedsche Hauptmann Cern von Aschenfeld, die stolz blickende Schwertschwester Rondrina von Streitzig und die Kor-Geweihte Jessa al Tern sowie ein liebfeldischer und ein Beilunker Magus.
Zwölf stolze Ritter folgten ihnen und dreißig Söldner der gefürchteten Schwarzen Schwerter aus dem Horasreich unter dem Kommando von Colonello Guvio di Szarfas. Ehrfürchtiges Raunen löste ein Zug angetrunkener Thorwaler aus, die angetan mit Fellen und bunten Lumpen brüllend ihre Riesenäxte schwangen. Schallendes Gelächter brach aus, als der Hetmann Eldgrimm, ein hünenhafter Kerl, aber hässlich wie ein Oger, den Schaulustigen sein blankdes Hinterteil entgegenstreckte.
Den Söldlingen folgte hoch zu Ross die sichtlich eingeschüchterte Jungfer Derya mit zehn Berittenen. Zwanzig Schritt weiter folgte die Rittfrau Lydia von Hartsteen mit einem Halbbanner der sertischen Waldwehr. Großen Applaus erntete auch der jungen Baron Brander von Bärenau, der ein Halbbanner Kürassiere und zahlreiche Landsknechte und albernische Söldlinge unter dem geviertelten Wappen von Bär und Drachen ins Felde führte.
Je ein weiteres Banner Landsknechte und Söldner folgten der Baronin Efferdane von Gareth zu Rabensbrück an der Seite ihres Waffengefährten Lares Torkildson, der Baronin Maline von Hohentann zu Schwanenbruch in Begleitung des Junkers Traviadan von Abilacht, ihres Weibels Mondan von Greyfenfurt und der Rondra-Geweihten Lija von Donnerbach sowie dem Baron Erlan von Zankenblatt zu Syrrenholt, dem bornischen Freiherrn Baludian zu Byrkenweiler. Diesen folgte der kleine Tross des ansonsten eher hesindegläubigen Haduwulf von Falkenstein. An dessen Seite ritten der Falkensteiner Hofmagus und der Hesinde-Geweihte Eldron Lanka.
Das Ende der Heerschlange bildeten eine Handvoll fahrender Ritter, drei Dutzend garetische Söldlinge und ein Dutzend freiwilliger Glücksritter, denen etliche Kriegswagen und Hornissen folgten. Sechs Zwerge aus Uhdenberg trieben ein Gespann mit einer gewaltigen schweren Rotze vor sich her.
IN einem weiten Bogen zog das weit über 300 Köpfe zählende Heer über die Wiesen, begleitet vom Applaus und Hoch-Rufen der Natzunger. Schließlich sammelten sich die Reiter und Fußkämpfer in zwei langen Reihen vor dem erhöhten Stuhle des Staatsrates, der in goldfunkelndem Gewande stolz und erhaben auf dem hohen Podest thronte, wo viele Natzunger noch lieber ihren König, den Reichsbehüter Brin, gesehen hätten. All die Adligen und Hauptleute traten vor und bildeten zwei Halbkreise vor dem Podest, Dort sch schworen sie mit hoch erhobenen Schwertern in den Namen aller Zwölf Götter, nicht eher zu ruhen, als bis die götterlose Brut in Waldfang geschlagen und jeder Ketzer seinem Richter vorgeführt wurde, damit das Übel mit Stumpf und Stiel ausgerottet werde. Der ansonsten eher unerschütterliche Staatsrat Praiodan von Luring erschien ob dieser Treue und dem gerechten Zorne seiner Barone sichtlich berührt und sprach mit donnernd bebender Stimme des Praios Segen über die versammelten Streiter. Darauf folgte eine große Waffenweihe, die von den Geweihten des Garether Rondra-Tempels ohne viel Prunk geleitet wurde.