Geschichten:Der Kaltensporn - Erster Firun
Kaiserlich Ochsenblut, Klosterlande St. Radul, 1. Firun 1035 BF
Es schneite, stark.
Der grimmige Gott schenkte der Veranstaltung ein gesegnetes Wetter. Die illustre, in dicke Pelze gekleidete Zuschauerschaft, schaute gebannt auf die schneebedeckten Stufen die zum Eingangsportal des Klosters St. Radul führten. Dort, auf der letzten Stufe, stand nun die Junkerin von Raulsfeld, ihr gegenüber der bärtige Abt des Klosters, Firumir Fährtenleser, der traditionell ein Gewand aus weißgetünchter Ochsenhaut trug, dann einige weitere Firunsjünger die mit ernster Mine die Szenerie beäugten und als Schutzpatronin Ochsenbluts, die Gräfin selbst.
Nach einem Nicken und grimmen, tiefen Murmeln des Abtes, welches von den starken Schneeböen nahezu völlig verschluckt wurde, senkte die Junkerin ihr Knie, offensichtlich noch unter Schmerzen, und hob den langen, mit Fellen behangenen, eisgläsernen Speer, der Kaltensporn, mit beiden Händen dem Abt und der Gräfin entgegen.
Der dunkelblonde, bärenhafte Hüne vor ihr nickte, blickte dann zur Burggräfin, die ihm beinahe scheu in die Augen sah und dann ebenfalls nickte, während der eiskalte Wind an ihrer Kleidung und an ihren Haaren riss. Dann nahm er den Speer an sich, packte ihn mit fester Hand, reckte ihn empor und schleuderte ihn mit einem gewaltigen Brüllen und der Kraft eines Geweihten des weißen Gottes von sich. „DIE JAGD IST ERÖFFNET!“
Doch der Speer durchschnitt die Luft, gab ein lautes Sirren von sich, das selbst die heftigen Winde übertönen wollte und schien ewig fliegen zu wollen, als sich urplötzlich eine Woge aus Schnee aufblähte, den Speer verschluckte und sich auftürmte zu einer Säule aus Schnee, Eis und Wind, die nun auf das Klostertor zu wirbelte und bei den Zuschauern einen Moment Panik aufkommen ließ, als man Abt, Gräfin und die anderen dort nicht mehr hinter der tosenden weißen Wand erkennen konnte.
Hektische Rufe wurden laut und die Leute vor dem Tempel lösten sich langsam aus ihrer Schreckstarre, liefen erschrocken von der Szenerie weg oder aufgeregt darauf zu, in die Schneeverwehungen hinein.
Diese wirbelte aber immer heftiger, so dass die, auf sie zueilenden Helfer, sie nicht durchdringen konnten, und toste schließlich um den Tempel herum und verschwand genauso schnell wie sie gekommen war. Dann war Stille, die Anwesenden blickten sich irritiert um und erschauderten dann bei einem Blick hinüber zum Tor des Klosters. Der Moment der Stille zog sich ins unermessliche.
Der Kaltensporn hatte sich tief in die Mauern des Tempels gebohrt, direkt daneben stand kreidebleich die Gräfin von Ochsenblut.