Geschichten:Der Page - Schwertübungen im Morgengrauen
Dramatis personae:
- Balrik von Keres, Junker zu Hohenlinden, Ritter des Reiches
- Lomena von Sturmfels-Feuerfang, Junkerin von Raulsfeld
Turnierplatz bei der Burg Bärenau, Praios 1034 BF, während der Hochzeit zwischen Ochs und Bär
Im wattierten Waffenrock gekleidet ging Balrik noch vor dem Morgengrauen auf das Turniergelände um ein wenig mit dem Schwert zu üben. Die meisten waren noch in ihren Betten, nur die Dienerschaft war schon auf den Beinen, die das Frühstück für die hohen Herren bereiteten und um weitere Vorbereitungen für den Tag zu treffen.
Doch als er das Turniergelände betrat, war er nicht der einzige, der dort zu Üben gedachte. Eine junge Ritterin, in einer archaisch anmutenden, irgendwie nebachotischen Rüstung, übte dort bereits mit dem Schwert und schlug auf einen Haukerl ein. Als er sich zu ihr gesellte, drehte sie sich um. Balrik konnte drei Wappen auf ihrer Rüstung erkennen, ein großes in der Mitte das das Haupt eines tulamidisch wirkenden Mannes zeigte und zwei kleine an den Schultern, das Wappen des Hauses Sturmfels erkannte Balrik sofort und ein sehr skurriles Wappen das die Verbrennung eines Menschen zeigte.
„Einen guten Morgen wünsche ich“, sagte Balrik mit einem Lächeln. „Auch schon so früh auf um zu üben?“
„Raul zum Gruße. Selbstverständlich, denn wer etwas erreichen will muss dafür früh aufstehen.“ Sie musterte ihn und ihre Augen suchten ein Wappen, was ihr verriet, mit wem sie es zu tun hatte, doch fand sie keines. „Lomena von Sturmfels-Feuerfang“, nannte sie ihren Namen. „Und mit wem habe ich die Ehre?“
„Balrik von Keres“, stellte auch er sich sogleich mit einer leichten Verbeugung vor. „Seit ihr an einem Waffengang interessiert?“ fragte Balrik und hob das Übungsschwert.
„Warum nicht?“, lächelte Lomena und ging in Kampfposition. Auch Balrik stellte sich zum Kampf und es dauerte nicht lange, da hallte über den Platz das Schwertergeklirr.
Sie war nicht schlecht, das erkannte Balrik sofort, dennoch war er ihr fast die ganze Zeit über überlegen. Das musste auch Lomena anerkennen, die seinen offensiven aber leichtfüßigen Stil bewunderte, kein raubeiniger Kämpfer. Einmal gelang ihr sogar eine überaus raffinierte Finte, die er nur mit Mühe parieren konnte. Erst hatte er geglaubt, daß sie Anfang zwanzig war und ihren Ritterschlag erst vor wenigen Jahren bekam, doch ihre Erfahrung im Schwertkampf und – vor allem – ihre Augen, ihr selbstbewusster Blick, bewiesen, daß sie älter war.
Nach dem Kampf, beide hatten ihre Blessuren davongetragen, gingen sie zusammen zurück zur Burg.
„Werdet ihr auch am Turnier teilnehmen?“, fragte Lomena ernsthaft interessiert, denn der Junker gefiel ihr jetzt schon mit seiner Art.
„Ja, das werde ich.“ Eigentlich hatte Balrik nicht vor gehabt daran teilzunehmen (er nahm eher selten an Turnieren teil), doch hatte er sich gestern doch noch dafür entschieden. Er war neugierig, wie weit er diesmal kommen würde, denn die Tjoste gehörte nicht zu seinen großen Stärken. Einmal gelang es ihm tatsächlich ein Turnier zu gewinnen, doch war das viele Jahre her und es lag damals mehr am Glück als am Können. Und wer weiß, vielleicht konnte er sich sogar mit Nimmgalf messen? Er wußte zwar, daß er gegen ihn wohl keine Chance hätte, dennoch würde er es gerne mal ausprobieren.
„Würdet ihr mir beim Frühstück Gesellschaft leisten, ich bezweifle eh dass wir dort schon irgendjemand anderen antreffen. Die liegen alle noch in ihren warmen Betten.“, sagte Lomena mit einem leicht abschätzigen Blick.
„Aber selbstverständlich, ich bin auch eher ein Verfechter des FRÜHstücks.“, entgegnete Balrik ihr mit einem Augenzwinkern.
Dieser Herr gefiel Lomena wirklich.