Geschichten:Der Pfalzgraf erntet den Sturm - Teil 7
Grafschaft Hartsteen, Reichsstadt Hartsteen, abgebranntes Anwesen des Pfalzgrafen
Verbittert stapfte Bernhelm von Wetterfels durch die schwarzen Ruinen seines ehemals prunkvollen Anwesens. Seine Diener hatte man ausnahmslos zusammengetrieben und verschont, aber das ganze Haus und mit ihm das wertvolle Inventar, die alten Möbel, der Schmuck und die tulamidischen Wandteppiche, sowie die Orden, die Kaiser Hal ihm damals nach der Ogerschlacht an die Brust geheftet hatte, waren ein Opfer der Flammen geworden.
Und nicht zu vergessen das Ölportrait seiner Frau – die einzige weltliche Erinnerung, die ihm an sie geblieben war.
Die Knochen seiner Pferde waren mit Asche und Ruß beschmiert, keines der Tiere hatte überlebt. Ein Vermögen war binnen weniger Stunden in stinkenden schwarzen Rauch aufgegangen.
Was war er für ein Narr gewesen zu glauben, dass die Pulethaner ihn in Frieden lassen würden, nur weil er das Mädchen in seiner Hand hatte. Das Leben der Kleinen war ihnen sicherlich egal, daran hatte er keinen Zweifel. Angetrieben von ihrem blinden Durst nach selbstgefälliger, selbst hergestellter Gerechtigkeit kannten sie kein Erbarmen.
„Wie viel Hass, müssen diese Männer für mich wohl empfinden,“ sagte er traurig zu sich selbst. Radulfs Bruder saß noch immer schweigend auf seinem Ross und bewachte Ariescha von Brendiltal, die mit großen Augen die Ruine musterte. Die kleine Nebachotin bemerkte, dass in Bernhelm ein Wandel von statten gegangen war. Er benahm sich stets laut und furchtlos, dich nun war er regelrecht in sich gekehrt.
Sie verstand nicht, warum dieser Mann ihren Vater und seine Freund hatte ermorden wollen und in mancher Stunde zweifelte sie daran, dass er es tatsächlich jemals getan hatte. Sie verstand nicht viel von anderen Menschen, als Nebachoten, aber es passte nicht zu ihm gedungene Attentäter zu schicken. Bernhelm von Wetterfels war ein Mann der Tat. Wenn es Kämpfe auszufechten gab, dann tat er das selbst, da war sie sich sicher, ganz wie ihr Vater.
Das Hufgetrappel eines sich schnell nähernden Pferdes erklang und Ariescha zuckte erschrocken zusammen. Ein Reiter im gelb-blauen Wappenrock des Grafen eilte aus der Ferne herbei. Vicarius von Firunshöh ließ seine Finger vom Heft seines Schwertes wieder zu den ledernen Zügeln seines Reittiers wandern.
„Mein Herr!“ rief er laut. „Ein Reiter von Eurer Burg nähert sich.“
Bernhelm hatte die Worte des jungen Kriegers zwar gehört, aber er beachtete sie nicht.
Der Bote preschte heran und zügelte sein erschöpftes Ross. Das Tier war schweißnass und atmete sehr schwer. Der Reiter selbst war staubbedeckt und hatte wohl weder gerastet noch geruht in den vergangenen Stunden.
„Die Zwölfe zum Gruße, edler Herr! Ich muss mit dem Herrn Grafen sprechen! Es ist von höchster Dringlichkeit“
Vicarius drehte sich im Sattel. „Mein Herr Bernhelm! Es ist eine wichtige Botschaft, ich...“
„Jetzt nicht!“ grollte der Graf zornig.
Der junge Edle hörte sich an, was der Bote zu sagen hatte und stieg dann entsetzt ab, um zum Grafen zu eilen.
„Die Burg wurde überfallen!“
Bernhelm rührte sich nicht, sondern betrachtete ein verschmortes Medaillon in seinen dicken Fingern.
„Mein Herr!“ Vicarius zögerte einen Moment und schüttelte den großen Mann dann kräftig. Der Graf stieß ihn wütend von sich. „Was kann denn in Praios’ Namen nur so bedeutsam sein?“
Vicarius wiederholte seine Worte und sah wie sich die Stirn seines Herrn in Falten legte. Dann grunzte er verächtlich. „Warum sollten sie auch halbe Sachen machen. Wie viele tot?“
„Keiner, mein Herr. Offenbar wurden das Essen oder die Getränke vergiftet, so dass die meisten Insassen der Burg in tiefen Schlaf fielen. Auch mein Bruder, obwohl er offenbar mit einem der Eindringlinge kämpfte, denn er trug eine Wunde am Kopf davon. Offenbar suchten die feigen Diebe etwas. Ein Teil der Burg, vor allem Eure persönlichen Gemächer wurden schwer verwüstet und geplündert.“ Bernhelm ließ das Medaillon achtlos fallen und straffte sich. „Dort auf dem Pferd sitzt, was sie gesucht haben.“ Ariescha fühlte ein unangenehmes Kribbeln, als der Graf in ihre Richtung stierte.
„Hat man schon herausgefunden, wer der Verräter war?“ Bernhelms Stimme war nun kalt und beherrscht.
Vicarius nickte. „Es muss einer der Küchenjungen gewesen sein. Er wurde heute morgen nicht mehr in der Burg gefunden. Offenbar haben wir damals den falschen als Spitzel fest gesetzt.“
Der Graf brummte missmutig. „Das wissen wir nicht. Vielleicht gab es zwei Verräter. Lass den anderen ruhig im Verlies schmoren. Wir kehren nach Reichsgau sofort zurück. Die Dreistigkeit und Unverfrorenheit dieser Pulethaner kennt wohl gar keine Grenzen mehr. Mir scheint, sie haben meine letzte Botschaft, die wir ihnen auf der Strasse nach Perricum überbracht haben, nicht richtig verstanden. Los, wir reiten!“
Langsam schritt Bernhelm zu seinem Ross und stieg auf. Ein wenig seiner alten Stärke schien zurück gekehrt, aber dennoch war er zweifellos angeschlagen. Sein Blick fiel erneut auf die kleine Nebachotin. „Und mich nennt man einen Barbaren und Schlächter. Sieh dir an, was die feinen Gesellen deines Vaters und der gesamten Brut angerichtet haben! Ich stahl mich nicht im Schutz der Nach, feige wie ein Dieb ins Haus meines Feindes, um ihn anzugreifen.“
Er richtete sich im Sattel auf. „Ich kämpfe immer mit offenem Visier,“ sagte er mehr zu sich selbst.
Für einen Herzschlag tat er Ariescha sogar leid. Der junge Edle packte ihr Pferd am Zügel und sie ritten zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, ohne die Stadt Hartsteen betreten zu haben.
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