Geschichten:Der Pfalzgraf erntet den Sturm - Teil 8
Grafschaft Eslamsgrund, Baronie Gallstein, Burg Mor'Tres
Selindes ganzer Leib schmerzte. Ein dicker Verband aus hellen Leinentüchern, der vorne schon rötlich durchgeweicht war, bedeckte ihren linken Ringfinger.
Gnadenlos hatte der Verliesknecht ihren Finger vor ihren Augen abgeschnitten und dann noch seinen Hohn an ihr ausgelassen. Sie hatte geschrieen und gezappelt, doch er kannte kein Erbarmen.
Grob hatten zwei alte Weiber sie in einen Zuber gesteckt und mit der Bürste geschrubbt, bis ihre Haut rot war und schmerzte und dann kam das Schlimmste. Wie über eine billige Hafendirne war dieser vermeintliche Edelmann über sie her gefallen. Eine solche Erniedrigung hatte sie in ihrem Leben noch nie erfahren. An das Bett gefesselt hatte sie es über sich ergehen lassen und all ihr Flehen hatte sich als nutzlos erwiesen. Er hatte ihr die Kapuze dafür sogar abgenommen, damit er sich an ihrem Leid ergötzen konnte.
Den Rest der Nacht hatte sie in ihrer Zelle gesessen, geweint und zu den Zwölfen gebetet, doch eine Antwort hatte sie nicht erhalten.
Die Tür öffnete sich und sofort zuckte sie zusammen. Die Stimme ihres „Gastgebers“ erklang frisch und wohlklingend.
„Ich wünsche Euch einen guten Morgen, liebste Dame von Wiesenbrück. Ich hoffe, Boron hat Euch süße Träume beschert.“
Der unschuldige Ton in seiner Stimme schnitt durch ihr Herz wie eine Streitaxt.
„Ihr seid ein Scheusal,“ keuchte sie. „Ich bete dafür, dass mein Verlobter oder sein Herr, Graf Bernhelm Euch den Kopf abschlagen.“
Claudio lachte verhalten. „Aber bitte, meine Dame. Solch harte Worte aus Eurem zarten Mund. Der werte Pfalzgraf, sowie Euer Verlobter kennen mich gar nicht und ich bezweifle, dass sie einen Unbekannten auf der Strasse erschlagen würden. Nun, würdet Ihr bitte einen Brief für mich schreiben?“
Sie zögerte. „Niemals werde ich Euch helfen, Ihr widerwärtiger Bastard!“
„Ich kann unverschämte Frauenzimmer nicht ausstehen,“ fauchte Claudio bösartig. Alle Höflichkeit war aus seinem Antlitz und seinen Worten gewichen. „Ich werde Isgerion bitten, Eure Zunge als nächstes heraus zu schneiden, dann haltet Ihr wenigstens Euer dummes Maul! Und anschließend werde ich ihm und seinen Kameraden erlauben sich ein wenig mit Euch zu vergnügen und glaubt nicht, dass diese Herren so zuvorkommend sind, wie ich.“
Er machte auf dem Absatz kehrt und wollte den Raum verlassen, als sie schwach die Hand hob. „Wartet, bitte,“ flüsterte sie, wieder Tränen in den Augen.
Er hielt inne und blickte zurück.
“Holt Papier und Feder, ich schreibe Euren verfluchten Brief.“
Claudio lächelte zufrieden. „Ich finde es beruhigend, dass Ihr einlenkt, aber um ehrlich zu sein, habe ich darauf gerade gar keine Lust mehr. Ich werde Isgerion Euch erst die Zunge herausschneiden lassen und dann schreibt Ihr den Brief, wenn Ihr keine Bekanntschaft mit den Stallknechten und einigen anderen Herren machen wollt. Vielleicht lernt Ihr dann ein wenig Demut.“
Selinde konnte das alles nicht glauben. Sie hoffte, dass dieser Albtraum endlich vorbei sein würde und sie wieder in ihrem Bett erwachen würde. Sie schluchzte verzweifelt und winselte um Gnade wie ein getretener Hund.
Ihre verquollenen Augen gaben mehr Wasser und sie presste die Hände vor das Gesicht. Sie weinte bitterlich, bis man sie anstieß und ihr ein feines weißes Stofftaschentuch reichte.
„Kein Grund so traurig zu sein, meine Dame,“ erklang Claudios honigsüße Stimme.
„Vielleicht überlege ich es mir noch einmal anders. Das mit Eurer Zunge. Es wäre eine Schande, denn Ihr könnt doch sicher gut damit umgehen. Wenn Ihr die Güte hättet mir das einmal zu beweisen, sagen wir heute Nacht, dann könnte ich auch Milde zeigen. Ihr müsst wissen, dass ich kein herzloser Mensch bin.“
Verzweifelt und halb wahnsinnig vor Angst willigte sie ein. „Ich tue, was Ihr wollt, aber foltert mich nicht mehr... bitte lasst mich doch gehen.“
Claudio lachte aufgemuntert. „Wir werden sehen. Aber jetzt frühstückt doch erst einmal, dann seid Ihr bestimmt gestärkt genug, um einen Federkiel zu halten. Aber achtet auf Eure Finger, ich möchte ja nicht, dass Ihr Euch weh tut.“
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