Geschichten:Der Rote Buhurt auf dem Erlgardsfeld - Gerüchte im Gasthaus

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24. Praios 1043 BF, in einem gemütlichen Gasthaus irgendwo in den zentralen Mittellanden

Das Gasthaus Tobors Kessel war an diesem Abend gut besucht. Und das nicht nur, weil das Essen gut, das Bier kaum verdünnt und die Preise recht günstig waren. Viele der Gäste haben sich in die Schankstube begeben um den beiden Barden zu lauschen, die für ein wenig Speis und Trank (und eine kostenlose Übernachtung) ihr Können feilboten.

Eine Elfe mit smaragdgrünen Augen saß gut sichtbar auf der Kante eines erhöhten Hockers neben der Theke und sang eine Ballade in einer fremden aber anmutigen Sprache. Niemand verstand die Worte, die sie sang, aber die Gefühle und die Emotionen, die sie hervorrief, wenn man ihrer Stimme lauschte, sprachen eindeutig von einer Geschichte wie sich zwei Liebende aus verschiedenen Welten trafen und sich trotz aller Widerstände fanden.

Begleitet wurde sie auf einer Leier, die der Mann hinter ihr spielte, der aber von der Menge kaum wahrgenommen wurde, da alle Blicke auf der Elfe lagen. Das lag nicht daran, daß er schlecht spielte – nein, vielmehr spielte er recht passabel –, doch abgesehen, daß er nur der Begleiter in diesem Lied war, war das Können der Elfe doch um ein vielfaches besser und zog somit den Bann der Zuhörer auf sich. Dennoch mochte der aufmerksame Beobachter erkennen, daß die Kleider der Barden zwar von einfacher aber hochwertiger Machart waren und die Augen des Leierspielers zeugten von Lebenserfahrung.

So sah man, wie eine junge Frau sich an die Schulter ihres Begleiters lehnte, wie eine Edeldame ihren Becher Wein in der Hand hielt aber vergaß daraus zu trinken und wie sich ein grummeliger Zwerg verstohlen eine Träne wegwischte, während alle dem Lied lauschten.

Als das Lied endete hing noch einen Augenblick die Magie des Liedes in der Luft, der man gedanklich nachhing (die sinnbildliche Magie wohlgemerkt!) Doch langsam kam wieder Bewegung in die Gaststube, anfangs nur das Zurechtrücken des Stuhles oder das leise Flüstern von Worten, bis dann mit dem Aufschäuchen der Schankmagd durch die Wirtin die Magie gänzlich verflog und man sich wieder seinem Tischnachbarn widmete, neue Getränke bestellte und wieder der übliche Lärm einer gutbesuchten Gaststube in das Ohr des Gastes drang.

Als ein Mann mittleren Alters mit Knebelbart – seinen Kleidern nach wohl ein gutbetuchter Händler – bemerkte, daß die beiden Barden nun ihre Mahlzeiten einnehmen wollten, lud er sie an seinen Tisch ein, den er sich mit zwei weiteren Händlern teilte.

"Setzt Euch zu uns, ihr guten Leute", sagte der Mann. "Ihr habt so vortrefflich gesungen, meine Dame, Ihr habt mein Herz sehr bewegt. Sogar Gisbert hat sich eine Träne verdrücken müssen." Er deutete auf seinen Tischnachbarn, einen älteren Mann, bei dem die Haare allmählich grau wurden und zustimmend und lächelnd nickte. "Er ist aus Eslamsgrund, aber als fahrender Händler ist man doch überall zu Hause, nicht wahr Gisbert? Der Jungspund dort ist mein Neffe Ludalf", er deutete auf einen jungen Mann mit einem grünen Halstuch, "und ich bin Yehodan Stippwitz, ihr könnt mich aber auch Jeho nennen", ergänzte er mit einem Zwinkern.

So setzten sich die beiden Musikanten an den Tisch der drei Händler und bedankten sich für die Einladung. So sehr während dem Auftritt die Elfe im Vordergrund war, so hielt sie sich nun im Gespräch eher zurück und ließ ihren Begleiter reden. Man fragte sie, wer sie seien und woher sie kamen und wie sehr doch die Götter die Stimme der Elfe gesegnet haben müssen.

Als die Wirtin aber den beiden ihr Essen brachte, ließ man sie in Ruhe speisen und die Händler widmeten sich wieder ihrem Gespräch, das sie führten, bevor die Elfe ihren Auftritt hatte.

"Sag Gisbert, du wolltest doch irgendetwas erzählen, was in Luring geschehen ist", begann Yeho.

"Oh ja, meiner Treu", seufzte der Angesprochene. "Ich war letzte Woche beim Turnier am Erlgardsfeld. Da sind die hohen Herren Ritter aufeinander los gegangen, sag ich dir. Mit scharfen Waffen! Ich bin noch am selben Tag abgereist, da das bestimmt nichts Gutes zu bedeuten hat."

"Mit scharfen Waffen? Das hat es doch zuletzt bei Kaiser Valpo gegeben. Was für eine Unsitte!"

"Nein, nein Yeho, du mißverstehst. Sie hatten blanke Waffen gezogen in der Absicht den Gegner zu töten. Das war kein Turnier mehr! Da sind die reichsforster Ritter auf die Hartsteener los, weil diese die Schwester des Grafen schwer verletzt haben. Und um dich ein wenig in Geschichte zu unterrichten, das war nicht Kaiser Valpo, sondern Kaiser Perval."

"Ach Valpo hin, Perval her, der eine Kaiser ist genausogut wie der andere. Da haben sich also die Ritter gegenseitig die Schädel eingeschlagen? Wegen einer Frau?"

"Nicht irgendeine Frau, Yeho. Die Schwester des Grafen! Lechmin heißt sie. Sie trat bei der Tjoste gegen Odilbert von Hartsteen an. Das ist der Erbe vom Grafen Luidor, mußt du wissen. Nun, wie auch immer, jedenfalls unterlag Lechmin dem Odilbert und wurde schwer verletzt."

"Nun ja, das ist sicher tragisch. Aber Unfälle passieren. Und auf Pferden mit Lanzen aufeinander zu breschend ist sicher nicht der sicherste Sport, auch wenn sie vielleicht abgestumpft sind, äh, die Lanzen meine ich. Und deswegen gehen sich die Ritter mit scharfen Waffen an?"

"Es heißt, Lechmin war schwanger und hat dabei ihr ungeborenes Kind verloren. Andere meinen, Odilbert hatte eine präparierte Lanze gehabt und keine abgestumpfte."

"Das ist ja ein Ding. Klingt ja fast so, daß er diese Lechmin umbringen wollte. Dann kann ich das schon verstehen, daß da die Herren Ritter böse werden. Und dabei auch noch sein Kind verlieren ..." Yeho schüttelte bedauernd den Kopf.

"Und hier noch eine Runde Bier." Die beleibte Wirtin stand am Tisch und stellte jedem einen der bestellten Becher vor die Nase – die Elfe bekam stattdessen Wasser. "Was habe ich gehört? Jemand hat ihr Kind verloren?", fragte sie neugierig und setzte sich hinzu. Und so erzählten sie der Wirtin die Geschichte.

"Also Jungs, eins kann ich schon mal sicher sagen", erzählte die Wirtin. "Schwanger war die sicher nicht. Ich meine welche werdende Mutter wär so dumm und würde bei so etwas mit machen? Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe sechs Kinder zur Welt gebracht. Da geht man solche Risiken nicht ein! Ich meine sogar die hohe Herrschaft weiß das. Als ich mit Lisa schwanger war", sie deutete auf die Schankmagd, "hatte unser Herr eine Fehde mit seinen Nachbarn und zog alle ein, die Waffen führen konnten. Ich aber war Schwanger und da sagte der Weibel 'werdende und stillende Mütter sind von der Waffenplicht ausgebunden' oder so ähnlich."

"Stimmt schon", stimmte Yeho nickend zu. "Da klingt die präparierte Lanze schon glaubwürdiger. Und so ist der Adel: bringen sich gegenseitig um, damit sie mehr Titel bekommen."

"Die Frage ist nur, was nun folgen mag", überlegte Gisbert. "Ich glaube kaum, daß die Hartsteener sich das gefallen lassen. Wahrscheinlich wird es wieder Krieg geben."

"Oh je, ich hoffe doch nicht", meinte die Wirtin. "Tobor, Boron habe ihn selig, sagte immer, im Krieg sterben nur wir einfachen Leute."

"Was meint Ihr, Alrik?", fragte Yeho und blickte den Barden an. "Ihr scheint mir ein recht aufgeweckter Bursche zu sein. Was haltet Ihr davon? Wird es Krieg geben?"

Der angesprochene Barde blickte auf und er bemerkte wie ihn alle anblickten und warteten was er dazu sagte. "Ach, das scheint mir doch ein wenig zu hohe Politik zu sein. Da halte ich mich lieber heraus."

"Ach was", meinte Gisbert. "Ihr müßt doch auch eine Meinung dazu haben."

"Genau", plichtete die Wirtin bei. "Gerade Ihr als Barde solltet doch immer ein Auge oder ein Ohr darauf haben."

"Nun gut", gab der Barde seufzend nach. "Ich denke, daß die Kaiserin es nicht gerne sieht, wenn sich zwei ihrer Grafen befehden, insbesondere, da sie gedenkt, ihren Waffenarm wieder auf Sollstärke zu bringen, da sie langfristig auf eine Rückeroberung von Maraskan sinnt. Sie wird die beiden Grafen auffordern sich zu treffen und sich zu einigen. Vielleicht im Gespräch, vielleicht auch in einem Duell. Mehr wird sie da nicht machen können, da die Ochsenbluter Urkunde eine Fehde explizit erlaubt. Wenn es zu einer Einigung kommt, wird eine Entschädigung gezahlt. Und dann dürfte das Schlimmste auch schon geschehen sein. Wenn es allerdings zu keiner Einigung kommt ... nun ja, dann wird es Krieg geben." Bei dem erschrockenen Blick der Wirtin ergänzte er: "Aber keine Sorge, wir sind hier an der Grenze zum Kosch. Hier dürfte es relativ sicher sein. Ich glaube kaum, daß man hier viel davon mitbekommen wird."

Die Händler blicken den Barden erstaunt an. "Da hat aber jemand eine fundierte Meinung", bemerkte Gisbert und betrachtete den Barden in einem neuen Licht.

"Ich sags ja, er hat Köpfchen", sagte Yeho. "Aber laßt uns nicht auf das mögliche Wenn und Aber spekularir ... spikulareren – ach scheiß drauf! – uns den Kopf darüber zerbrechen. Laßt uns doch lieber an was fröhlicheres Denken! Wie ich sehe, habt ihr eure Teller leer gegessen und geschmeckt hat es euch wohl auch. Wollt Ihr uns dann nicht mit einem weiteren Lidchen beglücken?"


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