Geschichten:Der Ruf des Südens - Rückkehr
Pelkhafen, Lande der Reichsstadt Perricum, 1. Rahja 1042 BF:
"Sie kommen!", rief die 10 Sommer junge Rylara aufgeregt. Die Novizin im Efferd-Tempel von Pelkhafen hatte genau im Blick wann welcher Handelskonvoi in See stach und wann eine Rückkehr zu erwarten war. "Die 'Eorcaïdos' ist zurück"
"Beruhige dich doch, das ist doch alles nichts besonderes", versuchte der sehr viel ältere Novize Jovis das Mädchen zu beruhigen.
"Die Hüterin hat gesagt, jetzt beginnen goldene Zeit für den Tempel und Pelkhafen, da doch der Handel mit Hôt-Alem mehr werden soll."
"Ich weiß was die Hüterin gesagt hat. Komm, wir gehen zum Hafen und sehen beim Abladen zu!" Jovis nahm Rylara an die Hand und sie liefen runter zum Hafen. Jovis verharrte dabei gedanklich bei seiner Tempelvorsteherin und Lehrmeisterin Sylva. Das herrische und unberechenbare Wesen der Hochgweihten lag ihm nicht. Auch waren es diese Wesenszüge, die ihm an seinem Gott immer mehr missfielen. Nicht die wechselhaften Gewalten von Wind und Wogen waren es, die den Novizen interessierten, sondern die rätselhaften, unendlichen Tiefen des Meeres und die Weite des Horizonts.
Mit einem beherzten Sprung sprang Tamin von Bord der 'Eorcaïdos' und war froh wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Es folgten ihm Ramirion und Bastan. Die drei jungen Männer hatten in den letzten sechs Monden Freundschaft geschlossen, auch wenn aller Anfang schwer war, wie er sich mit einem Lächeln erinnerte. Doch gegen Ende der Reise waren sie fast untrennbar – was auch ein schwieriges Unterfangen gewesen wäre, schließlich teilten sich die drei Männer auf der 'Eorcaïdos' eine Kajüte; wie auch schon auf der Hinfahrt. Auf der mehrere Wochen dauernden Überfahrt gen Süden hatten die drei also viel Zeit sich kennenzulernen. Manchmal hatte Tamin das Gefühl, dahinter lag Absicht. Vielleicht war es aber auch nur Zufall.
Wie dem auch sei, die drei verstanden sich prächtig. Bastans ruhige, ausgeglichene Art, gepaart mit der Fähigkeit seine Gegenüber in besonders unerwarteten Momenten mit trockener Sachlichkeit zu begegnen: Tamin liebte es! Ramirion mit seiner liebenswert verschrobenen Art, der aber, in den richtigen Augenblicken mit diplomatischem Geschick zur Höchstform auflief: Tamin liebte es! Und Tamin? Womöglich war es seine abgeklärte, pragmatisch-progressive Art, die die anderen beiden an ihm schätzten.
Alle drei konnten auf eine sehr erfolgreiche Reise in den tiefen Süden zurückblicken. Bastan hatte erfolgreich die Gegend um den neuen Stützpunkt auf Sourram kartographiert und dabei noch eine Unmenge an Zeichnungen von der Tier- und Pflanzenwelt anfertigen können. Ramirion und Tamin waren im Gefolge von Sibella persönliche Gäste von Fürstprotektor Refardeon II. von Hôt-Alem in dessen Palast. Da Sibella durch eine mysteriöse Erkrankung die meiste Zeit unabkömmlich war, oblag es an den beiden Männern ihre Aufgabe zu erledigen – und das taten sie mit Bravour! Ihre Auftraggeber dürften zufrieden sein, so befand Tamin.
Seine Gesichtszüge erhellten sich, als er von weitem seinen Bruder Jovis auf sich zulaufen sah.
Während eifrige Hafenarbeiten al'anfanische und uthurische Luxusgüter ausluden, war er einer der letzten, der von Bord der 'Eorcaïdos' ging. Er war in Hôt-Alem auf den Handelkonvoi aus Perricum aufmerksam geworden und machte sich durch sein Wissen über den sagenumwobenen Südkontinent Uthuria bald unabkömmlich. Denn er, als fähiger Navigator, hatte bereits an Handelszügen dorthin teilgenommen. Während er der Besatzung der 'Paradisvogel' half, sich auf die Überfahrt mit einem al'anfanischen Handelskonvoi vorzubereiten, suchte er immer wieder die Nähe zur Mannschaft der 'Eorcaïdos'. Als die Zeit des Aufbruchs nahte, bat er darum mitkommen zu dürfen. Da er sich während des gesamten Aufenthalts in Hôt-Alem als sehr nützlich erwiesen hatte, wurde ihm diese Bitte gewährt.
Die Überfahrt nach Perricum sollte ereignislos und ruhig verlaufen – woran er einen nicht geringen Anteil hatte, waren doch die Mächte der unergründlichen Tiefe mit ihm. Aber das wusste keiner.
Interessiert blickte er zu Tamin und die auf diesen zustürmenden beiden Novizen des Efferd. Ja, zu Bruder Efferd hatte er ein ganz besonderes Verhältnis.