Geschichten:Der Wald erwacht – Mit Feuer und Eifer
Markt Tannwirk, Anfang 1044 BF:
Schwarz stiegen die Rauchschwaden gen Himmel empor, breiteten sich aus und hinterließen einen beißenden Gestank. Isfarion hielt sich die Nase zu und kniff seine Augen zusammen. Edorian fühlte mit seinem Reisegefährten, für ihn war dieser Gestank schon schlimm, doch wie musste es für jemanden sein, dessen Geruchssinn weit ausgereifter war als der seine.
„Was bei den Katzen Simyalas ist hier denn los?“, fragte der Halbelf angewidert.
„Menschenfleisch“, erwiderte Edorian seufzend. „Die haben wieder irgendwen zum Schuldigen auserkoren und dann im Namen ihres Glaubens verbrannt. Ich hatte gehofft diese Zeiten wären vorbei. Offenkundig habe ich mich geirrt, wie bei so vielem.“
Der Wagenzug aus Silz schlängelte durch den vor der Palisade gelegenen, wenig ansehnlichen Außenbezirk des Marktes Tannwirk. In einfachsten Holzhütten lebten hier ehemalige Flüchtlinge aus Tobrien und der Wildermark, Kriegsversehrte der letzten Schlachten, gescheiterte Existenzen und auch allerhand zwielichtiges Gesindel. Mit einfachen Handlangerarbeiten und Tagelöhneraufgaben versuchten sich die eine Hälfte über Wasser zu halten, die andere verlegte sich aufs Betteln, Taschendiebstahl, Schmuggel, oder den betrügerischen Verkauf von Praios-Reliquien und angebliche Schutzamulette an Durchreisende, wie Edorian gehört hatte.
Eine Hand voll Personen, die in der Kluft der Bannstrahler gekleidet war, trat an den Wagenzug heran. „Heyda, wo soll es hingehen?“
„Zum Markt natürlich“, zischte Isfarion.
„Wir werden die Planwagen durchsuchen, Aurelia, beginne, bei Praios!“ Die großgewachsene und massige Knappin der Bannstrahler, die eine auffällige Brandwunde auf der linken Gesichtshälfte trug, schritt auf den ersten Wagen zu.
„Einen Moment, ich bin der gräfliche Wegevogt Edorian von Feenwasser und ich verlange eine Erklärung von Euch!“
„Ach jechen, eine Erklärung verlangt der Elfentänzer, na so was.“ Die Bannstrahlererin mit den kurzgeschorenen Haaren und strengen Blick lachte laut auf. „Die drei Ketzer haben gestanden mit den dämonischen Mächten des Waldes verbündet gewesen zu sein. Für dieses Vergehen würden sie vom gleißenden Götterfürsten gerichtet.“ Die Frau deutete auf die Überreste von drei Scheiterhaufen.
„Gestanden nach Folter durch euch, nehme ich an?“ Edorian spie die Worte nahezu aus.
„Aber bitte, gestanden, weil sie Praios gefällig die Wahrheit über ihren Frevel gesprochen haben.“ Die Ritterin von Bannstrahl Praios legte ihren Kopf schief. „Entstammt Ihr nicht auch so einer Magie verfluchten Familie? Ist Eure Mutter oder so nicht auch so ein Elfenbalg. Und was ist eigentlich mit Eurem Begleiter, der auf einmal so still ist?“
„Was in Praios Namen ist hier los?“ Eine weit über 60 Winter zählende Frau im Ornat einer Praiota schritt herbei. Edorian kannte sie flüchtig, es handelte sich um Griffpurga von Hagenau-Ehrenfeldt aus dem erzkonservativen Praios-Tempel zu Weißenstein. „Ah, der Feenwasser, ich schlage vor Ihr zieht weiter.“
„Was genau geht hier eigentlich vor?“ Edorian war tatsächlich ein wenig froh – auch wenn er sich das selbst nie eingestanden hätte – das die Praiota aufgetaucht war, denn vor dem fanatischen Eifer der Bannstrahlerin hatte er sich gefürchtet.
„Wir sind auf Geheiß von Prälat Gutfried von Weißenstein hier um gewissen Umtrieben in Tannwirk nachzugehen.“ Die Gesichtszüge der alternden Praiota waren streng. Es war so, als hätte dieses Gesicht nie gelacht.
„Ist Vogt Derrelsbach unterrichtet?“, wollte der Wegevogt wissen.
„Wir sind auf sein Bitten hier! Und Euch und Eurer kleinen Wagenkolonne empfehle ich weiterzuziehen!“ Mit diesen Worten wandte sich die Praiota ab und Edorian blickte eindringlich zu Isfarion. Dieser ließ seine Begleiter verstehen nicht weiter zu fahren und so drehte der Wagenzug ab und fuhr gen Süden.