Geschichten:Der Zauberer von Ox - Büchermarkt
Rondra 1034 BF, Burg Ox, Baronie Viehwiesen
Dramatis Personae
- Leobrecht von Ochs, Reichsvogt auf der Efferdsträne
- Anaxios Illosos von Ochs, Baron auf der Viehwiesen
„So etwas kann auch nur einem Magier einfallen !“ entgegnete ihm sein Onkel. „Meinst Du wirklich, dass dies Gold in unsere Kassen spülen wird ? Dir ist doch klar, dass schon die Organisation einige Hundert Dukaten verschlingen wird.“
„Ja, ich weiß, lieber Onkel. Aber bitte, lies weiter. Ich habe Einladungen an alle reichstreuen Akademien und an alle Hesindetempel des Reiches versandt. Einige haben bereits geantwortet und mir ihr Kommen angekündigt. Seine Spektabilität, der Akademieleiter zu Punin höchstselbstens hat mich für mein Engagement gelobt. Es wird nicht nur ein einfacher Bücher- und Schriftenmarkt. Nein, wir haben die verschiedensten Themenbereiche abgedeckt. Von Ackerbau, über Baukunst, Magie, Theater bis hin zu Volksweisheiten. Jeder, der sich für das hesindegefällige Wissen interessiert, wird hier fündig werden.“
Leobrecht runzelte die Augenbrauen. Doch Anaxios ließ sich dadurch nicht aus dem wohl ausgearbeiteten Konzept bringen. „Ziel soll sein, genug Gold einzunehmen, um die von mir geplante Hesindeschule gründen zu können.“ – „Hesindeschule ?? Was zum…“ – „Ja, lieber Onkel. Sieh doch: Die Bauern bestellen ihr Feld, die Handwerker handwerken und wir Adeligen intrigieren. Aber wie viel besser würde uns all dies gelingen, wenn wir unseren Konkurrenten in unserer Bildung immer ein Näschen voraus wären. Eine Hesindeschule kann bewirken, dass die Bauern ihre Felder taktisch klüger bestellen, dass die Handwerker mit modernerem Gerät arbeiten und dass der Adelige sehr viel schneller die Absichten seines Gegenübers ergründen kann. Wir alle haben etwas zu gewinnen durch diese Schule.“
„Das ist eine interessante…“ Wieder unterbrach Anaxios seinen Onkel. „Ja, und ich habe bereits einen Hesindegeweihten für diese Aufgabe begeistern können. Es handelt sich um seine Gnaden Harad Treublatt. Er erhielt letzten Sommer seine Weihe. Er ist ein junger Mann voller Tatendrang und kommt morgen zu Besuch, um sich ein Bild von unserem schönen Land und den darin lebenden Menschen zu machen. Also, was meinst Du, Onkel ?“
Leobrecht fand wieder zu seiner routinierten Contenance. „Mein lieber Anaxios ! Wenn Du willst, dass Dein Plan funktioniert, dann musst Du das Volk mit einbinden. Wir haben hier in Viehwiesen viele Bauern mit Vieh und so manchen Handwerker. Lass diese Menschen an Deinem Projekt teilhaben. Wenn auch sie ihre Waren feilbieten können, werden die Einnahmen erheblich steigen. Denk daran, dass derjenige, der ein teures Buch kaufen will auch genügend Gold und Silber besitzt, um weitere Einkäufe zu tätigen, wenn er die Gelegenheit dazu hat.“ Anaxios nickte verstehend.
Leobrecht reichte seinem Neffen das Manuskript zurück. „Kommen wir zu einem anderen Thema. Anaxios, ich habe Dir vor einer Weile aufgegeben, Dich auf die Suche nach einer Ehefrau zu machen. Was haben Deine diesbezüglichen Bemühungen ergeben ?“
„Nunja, lieber Onkel, das ist so eine Sache mit den Frauen.“ – „Anaxios, ich will keine Ausflüchte hören. Du bist nicht mehr der Jüngste und das Haus Ochs braucht unbedingt mehr Nachkommen … Sag mal, Anaxios, hast Du überhaupt schon Erfahrungen sammeln können mit den Frauen, oder … ?“ Die Mine Anaxios hellte sich auf. „Aber sicher, lieber Onkel, das habe ich wohl. Vor einem Götterlauf habe ich eine junge Dame kennen gelernt, die mich bat, einen bösen Zauber von ihr zu nehmen.“ Leobrecht runzelte erneut die Augenbrauen. „Ja ja, aber ich war zu dieser Zeit sehr geschwächt, da ich bereits eine Handvoll Zauber gewirkt hatte. Sie bat mir an, meine Kräfte zu stärken und ich willigte ein. Ihre Thesis war sehr … anregend … und ich fand auf diesem Wege heraus, dass sie eine Tochter Satuarias war.“ – „Eine Hexe ?!?“ – „Ja, eine Hexe. Aber sie war gar nicht so schlimm. Sie war sogar eher … anschmiegsam … Es war ein sehr wohltuendes Erlebnis. Und Du wirst es nicht glauben, aber danach hatte sich meine astrale Kraft wieder derart regeneriert, dass ich den bösen Zauber von ihr nehmen konnte und mir damit ihre ewige Dankbarkeit sichern konnte.“
„Dankbarkeit … von einer Hexe … Naja, sei´s drum … die Ehefrau.“ – „Ach ja, die Ehefrau. Du wirst gemerkt haben, lieber Onkel, dass ich am Hofe unserer geliebten Königin von der Edlen Chaliba von Brendiltal sehr angetan war. Ich muss zugeben, dass sie mir bereits beim Kampf um den Sturmfels sehr imponiert hatte. Sie ist so gebildet und so willensstark.“ Die Mine Leobrechts verfinsterte sich leicht. „Ja, ich weiß, sie ist auf das Haus Ochs nicht so gut zu sprechen, seit Du sie verschmäht hast. Wohlgemerkt: aus – wie ich finde – äußerst nachvollziehbaren Gründen. Das hat sie mich im Übrigen auch spüren lassen. Aber irgendetwas in ihren Augen sagt mir, dass sie mich nicht ungeprüft abweisen wird. Aus diesem Grunde habe ich sie zum Büchermarkt auf Burg Ox eingeladen.“
„Mein lieber Anaxios ! Ich hoffe inständig, dass es tatsächlich die Augen dieser Dame sind, die Dir dies sagen – und nicht ihre … Kurven. Du kennst sicher das Sprichwort: Nichts ist gefährlicher als die Rache einer verschmähten Frau. Ich will es nicht erleben, dass Chaliba von Brendiltal ihre wohlmöglich vorhandenen Rachegelüste auf Deine Kosten auslebt, nur weil Du die Regierungsgeschäfte nicht selbst ausführen darfst. Sollte es zu einer Übereinkunft zwischen Dir und der Nebachotin kommen, wird daher zur Sicherheit die gute Helmine auch weiterhin Deine Amtsgeschäfte leiten. Du erlaubst sicher, dass ich das eine oder andere Auge auf das Verhalten der guten Chaliba werfe – nur, um sicher zu gehen.“
„Sicher, Onkel, aber ich hoffe, Du vertraust auf meine … Fähigkeiten, den wahren Willen eines Menschen zu ergründen. Denk daran: Das Geschenk der Mada hat mir die Fähigkeit verliehen, die Gedanken anderer Menschen sondieren zu können. Du weißt, dies hat uns schon das eine oder andere Mal ganz famose Einsichten verschafft. Ich verspreche Dir, ich werde getreu nach dem Sprichwort handeln: So prüfe trefflich, wer sich binde.“