Geschichten:Der uralte Bund (Prolog) – Fredegard von Hauberach

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Reichsstadt Perricum, 1043 BF:

Fredegard von Hauberach hatte wieder einmal das Waisenhaus der Reichsstadt besucht, dabei voller Güte einige Geld- und Sachspenden übergeben sowie den älteren Kindern mit viel Liebe beim Erlernen von Lesen und Schreiben geholfen; wie fast immer unterstützt von ihrer Ziehtochter Janne, einer zumeist recht ernst wirkenden Halbwüchsigen. Nachdem "Tantchen Fredegard" sich sehr herzlich von den Kindern und Helfern des Waisenhauses verabschiedet hatte, wandte sie sich, kaum dass sie um die nächste Straßenecke gebogen waren, mit geschäftsmäßiger Miene an ihre Begleiterin: "Waren unter den Gören welche, die Du gebrauchen kannst, Janne?"

"Ich denke schon, Frau Fredegard. Dieser achtjährige verlauste Braunhaarige, Voltan, macht einen ganz aufgeweckten Eindruck. Ich werde ihn noch eine Weile beobachten und wenn er diese Einschätzung bestätigt, werde ich schauen, ob er als Spitzel taugt. Falls nicht, verkaufen wir ihn halt an die Al´Anfaner."

"Scharfsinnig und pragmatisch zugleich; Deine Denkweise gefällt mir, mein Kind. Und eines der Mädchen, Haldane, scheint zudem als Konvertitin infrage zu kommen. Die sollten wir im Auge behalten. Aber mal was ganz anderes: Möchtest Du mich auf eine Hochzeit in Garetien begleiten?"

Janne war für einen Moment völlig perplex, bevor sie mit kaum verhohlener Freude zu antworten vermochte. "Oh, sehr gerne! Wie Ihr wisst, bin ich bisher noch nie aus Perricum herausgekommen."

"Na, dann wird es aber höchste Zeit. Und bevor Du fragst: Ich bin mir natürlich im Klaren darüber, dass Du demnächst eigentlich in Zackenberg Deinen Dienst als Kindermädchen meiner Enkelinnen aufnehmen solltest, aber das kann ruhig noch ein paar Wochen warten. Ich werde nachher eine entsprechende Depesche auf den Weg bringen und das regeln."

"Danke. Wer heiratet eigentlich, wenn ich fragen darf?"

"Zwei Menschen die für sich genommen ziemlich uninteressant sind. Die Braut ist ein Niemand, doch der Bräutigam ist ein entfernter Verwandter der Kaiserin, weshalb die Gästeschar wohl ebenso groß wie exquisit ausfallen dürfte. Und da diese verrückte Fehde, die derzeit große Teile Garetiens heimsucht, wegen des Winters ruht, werden aller Voraussicht nach auch viele der daran Beteiligten die Gelegenheit nutzen, sich bei der Vermählung den Wanst vollzuschlagen und über alles Mögliche zu reden, bevor sie sich im Frühjahr ersteren wieder gegenseitig aufschlitzen. Und wer weiß, vielleicht lässt sich sogar jemand von der Kaiserfamilie oder der Großfürstenbewegung, von der ich Dir später mehr erzählen werde, dort sehen. Das dürfte jedenfalls höchst unterhaltsam werden. All dies - Fehde, Hochzeit, Kaiserhaus und Möchtegerngroßfürsten - interessiert mich an sich herzlich wenig. Und dennoch möchte ich trotz des Winters diesem Ereignis gemeinsam mit meiner Zofe-" Fredegard zwinkerte ihrer Ziehtochter kurz zu, "beiwohnen. Und das möchte ich, weil?"

Janne dachte einen Augenblick nach, bevor sie mit fragendem Unterton antwortete: "Um Euch über die verschiedenen Gruppierungen und deren Ziele aus erster Hand zu informieren und vielleicht das eine oder andere nützliche Geheimnis in Erfahrung zu bringen?"

"Das auch, ja. Aber wenn möglich, will ich noch mehr erreichen. Derzeit ringen wie gesagt auf verschiedenen, teils miteinander verwobenen Ebenen allerlei Gruppierungen und Personen um die Macht im Königreich. Und ich möchte, dass das noch lange so bleibt, denn ein in jeder Hinsicht instabiles Garetien erlaubt uns die Gewinnung neuer Glaubender und die Besetzung einzelner Posten mit Dienern des wahren Götterfürsten oder zumindest unwissender Mirhamionetten. Und während ich mich zu diesem Behufe unter die adligen Gäste mischen werde, wirst Du Kontakte zu deren Bediensteten knüpfen und diese aushorchen. Es ist nämlich immer wieder erstaunlich, wie gut diese Menschen über die kleinen und großen Geheimnisse ihrer Dienstherren informiert sind und wie gerne sie sich mit vermeintlich Ihresgleichen darüber die Mäuler zerreißen."

"Ich verstehe. Und wie erwähnt freue ich mich, als Eure Zofe mit dabei sein zu dürfen, doch weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau, was in dieser Rolle von mir erwartet wird. Ich will ja nicht unangenehm auffallen und dadurch womöglich Eure Pläne gefährden," schloss das Mädchen entgegen seiner sonstigen Art leicht verlegen.

"Mach´ Dir deswegen keine Sorgen, Janne. Die Arbeit als Zofe ist recht simpel und bis wir aufbrechen, habe ich Dir alles Wesentliche dazu erklärt. Aber genug davon, es ist Zeit für das Mittagessen!"



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Tra 1043 BF
Fredegard von Hauberach


Kapitel 1

Salix von Hardenstatt
Autor: Wallbrord