Geschichten:Der uralte Bund (Vorspiel) - Fredegard von Hauberach II
Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF
Wie von ihrer Herrin befohlen, hatte sich Janne des Abends unter die Dienerschaft und Dienstboten der kaiserlichen Pfalz mit dem primären Ziel gemischt, den einen oder anderen auszuhorchen oder subtil zum Ausplaudern irgendwelcher tatsächlicher oder vermeintlicher Geheimnisse zu bewegen. Allzu viele waren nach einem Becher Wein doch sehr gesprächig.
Am nächsten Morgen traf sich Janne mit ihrer Herrin zum gemeinsamen Frühstück. Nicht ohne einen Anflug von Stolz berichtete sie über das, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Vieles war der übliche Gesindeschnack – wer mit wem ein Verhältnis hatte, wer guter Hoffnung war oder ähnliches. Doch eine Information hatte Potenzial zu mehr, da war sich Janne sicher, denn es ging um die Winterhochzeit.
„Also, wie bei jeder adeligen Hochzeit – so hat man es mir zumindest berichtet – schenken Braut und Bräutigam einander edle und symbolträchtige Geschenke. So soll die Greifenfurterin ein teures Greifendiadem bekommen und der Gareth einen Ring vom einem Kaiser Alrik. Des Weiteren soll ein sogenannter samtener Prinz persönlich zwei Kleinodien aus dem familiären Hausschatz derer von Gareth bereitgestellt haben und zwar zwei silberne Fuchsfibeln.“
„Aha. Prinz Storko ist also auch irgendwie mit von der Partie. Sonst noch etwas?“, fragte die Adlige kühl.
Janne spürte, dass ihre Herrin mit diesen dargebotenen Informationen noch nicht zufrieden war.
„Ja. Weit wichtiger erscheint mir, dass zwischen Braut und Bräutigam eine Wette laufen soll, wer von beiden es schafft, das Geschenk des anderen vor der Hochzeit zu stehlen. Sie versammeln nun ihre jeweiligen Vertrauten und hecken hierzu Pläne aus.“
„Na, das ist doch schon mal was, Janne! Sehr gut. Sofern Du nicht als Zofe an meiner Seite weilst, wirst Du weiterhin Augen und Ohren unter dem Gesinde offenhalten. Vielleicht kannst Du in Erfahrung bringen, wo diese Geschenke aufbewahrt werden. Falls ja, unternimm bitte nichts, sondern berichte mir umgehend. Ach ja, wenn Dir irgendwo der Name „Elenore“ unterkommen sollte, sei gleichfalls besonders aufmerksam und lassʼ es mich alsbald wissen, ebenso, wenn Du auf weibliche Hesindegeweihte treffen solltest. Was anderes: Wie gefällt Dir diese Festlichkeit bisher, Janne?“
„Nicht besser als die in Perricum. Die Leute hier, Adlige wie Bedienstete, sind vielleicht feiner gekleidet und tragen die Nase höher als bei uns zu Hause, aber ansonsten kann ich ehrlich gesagt keinen Unterschied feststellen.“
Die ehemalige Baronin konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie mit gespieltem Tadel erwiderte: „Aber, aber, mein Kind! Was sind denn das für respektlose Worte? Das hier ist immerhin das Herz des Reiches und der Adel hier demzufolge die Herzchen des Landes!“
Beide konnten ein Auflachen nur mit Mühe unterdrücken, während sie ihr Frühstück fortsetzten.
Fredegard und Janne waren, je nach Anlass, mal zusammen und mal getrennt unterwegs, um hier gepflegt über allerlei Belanglosigkeiten zu parlieren, sich über vermeintlich witzige Bonmots zu amüsieren und da den neuesten Tratsch auszutauschen oder über vulgäre Zoten zu lachen – wobei nicht immer offensichtlich war, welches Verhalten gerade welchen gesellschaftlichen Kreisen entsprang.
Am frühen Abend trafen sich Mutter und Ziehtochter zu einem kleinen Spaziergang als Edelfrau und Zofe und tauschten sich bei prächtigem Winterwetter über die jüngsten Erkenntnisse aus.
„Es ist erstaunlich, Frau Fredegard, wieviele Schlangenpriesterinnen sich hier aufhalten“, begann Janne leicht säuerlich, „Insgesamt habe ich fünf gesehen oder aus mehreren Quellen erfahren, dass sie hier sind.“ Das Mädchen zählte die Geweihten namentlich auf und beschrieb diese kurz anhand der jeweils aufgeschnappten Informationen. „Das macht es nicht gerade leicht, die Richtige aufzuspüren“, schloss die Halbwüchsige.
„Stimmt, aber wo bliebe da sonst auch die Herausforderung?“, erwiderte ihre Ziehmutter schmunzelnd. „Dann müssen wir eben, wie passend, unseren Verstand bemühen. Von den Fünfen habe ich die meisten ebenfalls selbst gesehen oder zumindest von ihnen gehört. Wenn wir sie uns mal ein wenig näher betrachten, können wir, denke ich, zwei dieser Frauen bereits ausschließen. Und zwar wen?“
Janne überlegte kurz. „Malveda von Vierok. Wie Ihr berichtet habt, war in der von Euch mitverfolgten Unterhaltung von einer „SchlangenPRIESTERIN“ die Rede. Malveda ist aber lediglich Novizin und zudem, wie es heißt, ziemlich verträumt. Wer jedoch die Zweite sein soll, die wir von der Liste streichen können, will mir aber leider nicht einfallen.“, schloss das Mädchen leicht zerknirscht.
„Für den Anfang gar nicht mal schlecht, mein Kind. Richtig, Malveda können wir aus den von Dir genannten Gründen ausklammern, zumal in der Unterhaltung von einer „neugierigen Schlange“ die Rede war, was, nach allem, was wir wissen, auf diese Novizin nicht zutrifft. Die zweite Kandidatin, die zumindest vorerst vernachlässigt werden kann, ist die Geweihte Canyraith. Der geht es vorrangig nur um die Schaffung immer perfekterer und damit langweiligerer Statuen; von einer ausgeprägten Neugier abseits davon oder gar Interesse an Politik wusste bei ihr jedoch niemand zu berichten. Bleiben also noch drei. Du wirst Dich nun verstärkt dieser Loderia widmen, die ich derzeit nicht einschätzen kann. Mit wem trifft sie sich, was sind ihre Gesprächsthemen und so weiter. Aber sei vorsichtig, die alte Vettel ist magisch begabt. Wichtig ist nur, ob sie sich irgendwie verdächtig macht. Daher ist es nicht notwendig, dass Du versuchst, jedes ihrer Gespräche zur Gänze zu belauschen, was wohl auch zu riskant wäre. Ansonsten halte einfach wie bisher Augen und Ohren auf. Ich werde mich um Yurika und Linai kümmern, deren Wege sich hier vermutlich mehr als einmal kreuzen dürften, gehört Letztere doch zum Gefolge des Bruders der Erstgenannten. Und die Aimar-Gor gelten als im Hochadel gut vernetzt, ambitioniert und in den Winkelzügen der Politik sehr versiert. Als wohltätige und kunstsinnige Witwe eines Perricumer Barons sollte ich mit ihnen sicherlich das eine oder andere Gesprächsthema finden, zumal die Familie auch in Perricum gut vertreten ist.“
„Ich sehe, ich habe da noch einiges zu lernen. Diese ganzen Familien, Allianzen, Fehden und dergleichen sind mir leider immer noch recht fremd.“
„Gräme Dich nicht, Kind, das wirst Du mit den Jahren noch lernen. Bosparan wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Aber nun zu dieser „Elenore“. Davon sind, dem Herrn sei Dank, nur zwei auf dieser Feier anwesend. Da die von uns Gesuchte bei dem von mir mitgehörten Gespräch als „illiterat“ bezeichnet wurde, können wir unsere diesbezüglichen Nachforschungen für den Augenblick recht kurz halten. Ich werde nachher mit beiden ein Gespräch über irgendwelche Belanglosigkeiten führen. Anhand der Formulierungen ihrer Antworten sollte sich leicht feststellen lassen, auf wen dieser Begriff zutrifft. Außerdem sollten wir beide uns dezent nach den Familienverhältnissen der beiden Frauen umhören, um herauszufinden, ob eine von ihnen irgendwie mit einem „Voltan“ in Verbindung steht, von dem ebenfalls die Rede war.“ Die Adlige machte eine kurze Pause, während der sie ihre Begleiterin nachdenklich betrachtete. „Eine letzte Sache noch, Janne: Du hast Deine Sache bisher ganz gut gemacht. Ich bin froh, Dich hierhin mitgenommen zu haben.“
Überrascht und gleichermaßen erfreut über dieses Lob schaute das Mädchen zu der älteren Frau herüber. „Und ich bin froh, Euch hier unterstützen und von Euch lernen zu können.“
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