Geschichten:Der uralte Bund – Amselflug (Auf der Pfalz)

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Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF:

Ein kleine Weile saß Anaxagoras am Mittagstisch und ließ sich ein dezentes Mahl auftischen, das er nun begutachtete. Allzu oft fand man doch die eine oder andere unappetitliche fleischige Beilage. Als Verwandlungsmagier bekam tierisches Leben einen anderen Stellenwert und man sah das Verzehren von Leichenteilen etwas anders. Allzu oft kam ihn der Gedanke, wie viele unachtsame Zauberer oder Elfen wohl schon auf dem Teller gelandet waren, wenn sie aus Fleischgier geschossen wurden. Aber der Grünkohleintopf schien in Ordnung zu sein. Der schwere Gewürzwein aus der Region, war eher ein Experiment zum deftigen Grün mit Erdknollen-Beilage. Nach ein Paar Löffeln, die er mit dem recht fruchtigen Hypocras abgeschmeckt hatte, musste er den Aufwärter zu sich rufen, um der Küche sein Lob auszusprechen. „Sehr köstlich und doch angenehm bodenständig“ war sein wohlgemeintes Urteil. „Jetzt hätte ich noch eine Bitte, ich plane heute Abend nicht alleine eure Küche herauszufordern. Dummerweise ist mir noch nicht bekannt, wo die Dame, die ich bitten möchte, in der Stadt untergekommen ist. Da ich nun wirklich nicht in der Ortskunde sonderlich bewandert bin, würde ich gerne eure Expertise erbitten, ob ihr nicht diese Einladung einer gewissen Nurinai ni Rian zukommen lassen könntet. Sie ist eine Geweihte des Boron, die irgendwo zu Gast sein müsste und ihr habt doch bestimmt Kontakte zu den anderen Häusern in der Stadt.“ So legte er ein feines Brieflein, mit ein paar Silbermünzen darauf, auf den Tisch. „Auch hat sich eigentlich jemand nach mir erkundigt oder etwas für mich hinterlassen? Ich werde noch kurz aus dem Haus gehen und hoffe, ihr könnt mir weiter helfen. Ach und gebt mir doch bitte noch ein paar Flaschen Wein mit. Etwas preiswertes, das die Wächter am Tor, für ein paar hilfreiche Hinweise gerne konfiszieren mögen.“

So schickte sich Anaxagoras an, seinen Wintermantel anzuziehen um selber auch noch nach der Dame, die er suchte, zu fragen. Er wollte es bei den Torwachen versuchen. Das Tor zur Pfalz musste jeder Gast bestimmt irgendwann passieren, aber auch die Wächter, die am Tag der Jagd am Tor Wache hielten, wollte er aufsuchen und dort ein wenig herumfragen. Am Tor zur Pfalz nahm er die Spur der gesuchten Boroni auf. Nach dem die Wächter seine Konterbande dankend gefilzt hatten, erfuhr er, dass die beschriebene Geweihte vor etwa einem Stundenglas das Tor passiert hatte. Sie war dem Hauptmann der Pfalz und weiteren Personen gefolgt, die einen Karren dabei hatten. Die Wachen mutmaßten nach ein paar weiteren Silbertalern, dass auf dem Wagen eine Leiche transportiert wurde, die in die Totenkammer in den Gewölben der Pfalz verbracht wurde. Was blieb ihm weiter, als den Karren nun zu suchen, den er bald im Hof vor dem Bergfried auffand. Er sah sich eine Weile im Hof um. Bewacht wurde der Karren scheinbar nicht und die Bediensteten, die über den Hof wuselten, waren zu sehr mit ihren Aufgaben beschäftigt. So konnte er sich den Karren genauer ansehen. Vielleicht etwas Blut auf der Lade, ein achtlos abgestreiftes Kleidungsstück oder vielleicht hatte der Tote etwas beim Transport in das Gewölbe um den Wagen herum verloren. Er schritt um den Wagen herum und besah sich die Ladefläche genauer. Auf dem ersten Blick konnte er nichts erkennen und keine Spuren sehen. Doch dann entdeckt Anaxagoras etwas in einen der Ecken. Bein genaueren Hinsehen erkannte er was es war: eine menschliche Zunge. Eine Abscheu gegen solche Dinge hatte er nach zahlreichen Anatomiestunden in seinem Studium abgelegt. Schnell kramte er Großvaters alte Schnupftabakdose aus seiner Umhängetasche hervor. Schnupftabak war nicht das Seine. Aber das Erbstück war immer wieder nützlich. Zum Beispiel passte eine Zunge genau hinein. Und so etwas wollte man doch nicht achtlos herumliegen lassen. Nun schaute er sich den Bergfried genauer an. Vielversprechende Fenster und Lüftungsschächte, die ihm weiterhalfen, fielen ihm nicht auf. Also musste er wohl den Haupteingang nehmen, um die Katakomben der Pfalz zu erforschen. Dabei hoffte er, dass das Personal allzu dienstbeflissen nicht auf ihn achtete oder die Traute besaß, ihn anzusprechen. Im Inneren des Turmes ging eine Treppe nach unten, die an einer verschlossenen Tür endete. Zwei Hausritter bewachten das doppelflüglige Tor in das Gewölbe, die nicht so aussahen, als ließen sie jemanden passieren. Vielleicht war ein allzu taktloses Vorgehen auch gerade unangebracht. Der Aufwand eines Eindringens und die Würde des Verstorbenen rechtfertigte nicht seine Ambitionen, die in ihm brennende Neugierde zu stillen. Die Geweihte würde eine Begräbnis-Zeremonie durchführen, wie er vermutete und dann wieder heraus kommen. Er musste nur unauffällig bleiben, warten. Er schaute sich nach einem guten Platz um, von dem aus er den Eingang zum Bergfried gut im Blick hatte. Das Eingangsportal des Ingerimm-Schreins bot sich an. Die Tempel und Schreine des roten Gottes waren zudem immer gut beheizt. Aber auch die Wirtschaftsgebäude lagen nahe. Vielleicht sollte er dem berühmten Koch Albrax Pfannenwender eine kurze Aufwartung machen, um sich auszutauschen. Unter dem Arkadengang vor der Küche war man für einen Plausch einigermaßen geschützt und konnte doch den Bergfried gut im Blick behalten. So ging der Magier erst einmal zur Küche hinüber und fragte nach dem berühmten Koch der in der Pfalz weilte. Vorgeblich wollte er ihm Koschammern-Zungen feilbieten. Zum Ingerimm-Schrein konnte er sich dann immer noch begeben, um sich etwas aufzuwärmen.


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Albrax hatte derweil die Posche-Kutsche in die Remise nahe ihrer Unterkunft gefahren und die Pferde versorgt. Nun legte er seine Kleidung für die beiden Rollen zurecht, die er heute noch für die Familie A. spielen sollte. Im Dienste dieser Familie wurde es nicht langweilig. Besonders, wenn er Dienste erledigen durfte, wo jemand von und zu nicht weiter kam. Seine Ausbildung beim Onkelchen in jungen Jahren würde ihm hier vielleicht Türen öffnen. So inspizierte er das Messerset, das ihn sein Onkel Gurtag einst nach seiner Küchenlehre geschenkt hatte und legte die Küchenschürze bereit. Ja, eigentlich war er damals als Koch angestellt worden, um den exotischen Geschmackswünschen der Familie nachzukommen. Alles andere hatte sich dann ergeben, so das er mittlerweile Leibdiener, Kutscher, Wächter, Medicus, Laufbursche und Privatkoch in einem Zwergen vereinte. Heute sollte er zuförderst den Ruf seines verschiedenen Onkels Gurtag Pfannenwender als Schlunder Gourmetkoch nutzen, der sich seit seinem Heldentod bei der Brachenhatz im letzten Winter auch über den Schlund verbreitet haben mochte. Mit einem Empfehlungsschreiben seiner Herrin in der Tasche sollte er der Küchenmeisterin Elene seine Aufwartung machen und sich als bewanderter Helfer für die Zubereitung der Jagdbeute des Tages anpreisen. Mit dieser Gastgeste des Schlundes wollte man ihn ganz dicht an die Küchenmeisterin heran bringen, die scheinbar gut informiert war und bestimmt jede helfende Hand gebrauchen konnte. Welche Themen er anschneiden sollte, war ihm auch aufgetragen worden. Eine Schimpftirade auf das Fuchsrudel und ein dezentes Hinterfragen, warum es denn eine Greifenfurter Braut sein musste, mit dem patriotischen Verweis garniert, dass eine Reichsforster Verbindung doch eine bessere Partie hätte sein können. So sollte er in den nächsten Tagen Auge und Ohr in der Küche sein.

Die zweite Garnitur war der schlichte Wams eines bescheidenen Handwerkers, mit dem er am Abend noch einen Gang durch die Schankstuben antreten sollte, zu dem er gerne die Herrin der Pfalzküche einladen durfte. Denn Diese war scheinbar Stammgast und bestimmt redseliger, wenn jemand die Getränke bezahlte. Der Herr Magier hatte ihn ein gutes Handgeld für den Abendausflug mit gegeben, um entspannt Informationen aufzugreifen, nach der Schlohweißen Ausschau zu halten und einen zu heben. So macht er sich auf zur Küche der Pfalz.


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Der Besuch bei Albrax, dem treuen Freund der Familie, sollte noch nicht die gewünschte Erkenntnis bringen. Natürlich hatte der äußerst fähige Koch umgehend eine Anstellung in der pfalzgräflichen Küche erhalten, aber an die strenge wie abweisende Küchenmeisterin Elene von Erlenfall gab es kaum ein herankommen. War sie anwesend, beherrschte sie die Küche mit barschem Ton und harter Hand. Es gab jedoch ein vielversprechendes Zeichen: Die Spezialität des zwergischen Kochs hatte die alternde Küchenmeisterin so dermaßen überzeugt, dass sie sich gar einer Art Lächeln abringen konnte. Schon bald, da war sich Anaxagoras sicher, würde Albrax die Erlenfall auf ein Bier ins Dorf begleiten.

Derweil zog es Anaxagoras wieder in den Burghof, gerade rechtzeitig, wie es schien. Vor dem Bergfried stand die weibliche Begleitung der Boroni. Sie trug den Wappenrock des Reichsforster Grafenbannes, dazu einen farblich passenden Mantel. Ihr blondes Haar war lang und fiel über ihre Schultern. Die Frau begrüßte gerade einen jungen Edelmann. Dieser hatte einen braunen, fast bodenlangen Umhang mit Pelzbesatz oben an, dazu einen dunkelgrünen Gehrock, ein schwarzes Hemd und dunkelbraunen Stiefeln. Er hatte blondes kurzes Haar und keinen Bart. Begleitet wurde der Mann von einem etwa 14 Sommer zählenden Jungen, der in einfachen braunen Gewändern gekleidet war und struppige, kastanienbraune Haare hatte.

Auf die drei zugehend bewegten sich schnellen Schrittes ein schneidiger Ritter um die 30 in den Farben von Kaiserlich Randersburg sowie ein Geweihter des Praios. Letzterer hatte eine kräftige Statur von nahezu zwei Schritt, einen kahlgeschorenen Schädel und trug eine klassische Geweihtentracht.

Anaxagoras schwenkte seinen Schritt unauffällig wie jemand, der wusste, wohin er wollte, im Schutz der Arkaden dem Ingerimm-Schrein entgegen und schenkte der Gruppe keine weitere optische Aufmerksamkeit. Vielmehr strebte er der Ecke entgegen, in der Schrein und Wirtschaftstrakt zusammenliefen. Dabei konzentrierte er sich auf den Luchsenohr-Zauber, der seine Hörfähigkeit enorm steigerte. In der Ecke angekommen, machte er sich zunutze, dass Geräusche sich an Wänden gern reflektierten und in der Festungsecke so gerne verstärkten. Er blieb dort stehen und kramte die Schnupftabakdose hervor, um deren Inhalt noch einmal zu inspizieren. Natürlich so durch Rücken und Wände abgeschirmt, das kein Gesinde, das vorbeischritt, aus Versehen das unschöne Objekt erspähen konnte, das darin lag. So belauschte er mit gesteigertem Sinn die Gruppe vor dem Bergfried, während er ihnen den Rücken zuwandte und in seiner Dose kramte, wie jemand der halt gerade auf dem Weg zum Tempel stehengeblieben ist, um in etwas zu kramen, um zu ergründen, ob deren Inhalt vom ursprünglichen Träger abgebissen wurde oder sich eher der glatte Schnitt eines Messers für die Amputation verantwortlich zeigte. So hoffte er in dem Treiben auf dem Hof, der sich begrüßenden Gruppe nicht aufzufallen, da sie sich sicher lieber auf sich und ihre Leiche im Keller konzentrieren würden.

Während Anaxagoras die menschliche Zunge in dem dekorativen Schnupftabakdöschen begutachtete und feststellte, dass diese abgeschnitten und nicht abgebissen wurde, versuchten seine gespitzten Lauscher etwas von seinen Zielobjekten in Erfahrung zu bringen. Die Frau schien den ankommenden jungen Mann mit 'Herr von Hardenstatt' zu begrüßen, während dieser sie mit 'Frau von Raukenfels' betitelte. Der auf die beiden zueilende Hausritter mitsamt dem Praioten ließ nichts von sich hören. Als sich der Magier zu der Gruppe umdrehte, verschwanden alle vier gemeinsam im Bergfried.

So musste sich Anaxagoras sputen, schnellen Schrittes aufzuschließen, um sich der Gruppe im Turm anzuschließen. Wenn der Anführer der Gruppe die Wachen dazu bewegte, den Eingang zu öffnen und die Gruppe nacheinander eintrat, ohne das sich jemand zu dem schließenden Tor umdrehte, müsste es doch gelingen einfach hinten an, mit ein zu treten. Die Gruppe kannte sich ja scheinbar bis zur Begrüßung gerade nicht und so dürften die beiden Wächter auch nicht bemerken, wenn eine weitere Person einfach hinter dem großen Geweihten mit eintrat und den Wächtern freundlich mit einem Nicken begrüßte. Dann wollte er den Gleichschritt des letzten in der Gruppe aufnehmen, um möglichst ungehört weiter mit gehen zu können. Imitation war Grundwissen an einer Verwandlungsschule. Die Amsel muss dem schwarzen Raben in die Finsternis folgen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Das war die Legitimation der Vogtvikarin des Fuchses. Und da Füchse ihn hergeleitet hatten, war ein spitzbübischer Akt sicher angebracht. Er würde einfach mitgehen, bis sich eine Gelegenheit bot, klammheimlich abzubiegen und eine Weile still zu stehen, um dann mit mehr Abstand weiter hinterher zu schleichen und zu lauschen. Rausreden konnte er sich bei Entdeckung immer noch.



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Autor: Amselhag & Bega