Geschichten:Der uralte Bund - Abendpläne
Im Innenhof der Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF
Salix von Hardenstatt trat aus der Tür heraus und atmete tief durch. Die feucht modrige Luft der Katakomben war etwas, um das er die Wachmannschaft und Kerkerinsassen definitiv nicht beneidete.
Er ließ kurz seinen Blick schweifen und erblickte in einer Ecke des Hofs, gut vor neugierigen Blicken verdeckt, Lingmar sitzen. Dieser schien ebenfalls den Innenhof im Auge zu behalten und als sich ihre Blicke trafen, nickte der „Lehrmeister“ seinem „Schüler“ zu und deutete auf eine abgelegene Tür.
Hinter der Tür lag ein unbenutzter Raum, eine ehemalige Werkstätte oder ein Lager vermutete Salix, der als Erstes ankam. Lingmar zog geflissentlich die Tür hinter sich zu, während der Adlige etwas weiter in den Raum hinein ging. Hier und da standen staubige Kisten und Möbel. Mit einer schnellen Handbewegung wischte er Spinnweben und Staubflusen von einem Tisch und zwei Stühlen und nahm Platz. Lingmar, der etwas verloren im Raum stand, blieb stehen, ehe der Perricumer ihm bedeute sich ebenfalls zu setzen.
„So, was hast du denn zu berichten? Konntest du alles erledigen, um das ich dich bat?“, fragte der Ältere der Beiden und lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
Der Junge lächelte zufrieden und nickte, „ja Herr! Ich konnte eine Schriftprobe und auch einen fähigen Schreiber finden. Letzterer hat sich sogar auf Handschriften spezialisiert“, dann stockte er jedoch und biss sich auf die Unterlippe. „Allerdings verkauft er seine Dienste zu sehr teurer Münze, Herr“, Salix musterte seinen Lehrling knapp, nickte dann aber zufrieden. Er hatte fast nicht daran geglaubt, überhaupt einen Schreiber auftreiben zu können, der sich eignete. Dass der gefundene sich sogar auf Handschriften spezialisiert hatte, umso besser! Da würde er auch den Preis verkraften können, wenngleich sein Reisegeld bald aufgebraucht war.
Ein Räuspern riss ihn aus den Gedanken, scheinbar hatte der Junge noch mehr zu berichten. Interessiert blickte der Meister der Schreibstube Lingmar an. „Außerdem habe ich herausgefunden, wo sich das Quartier der Frau von Erlenfall befindet“, erläuterte der Waisenjunge sichtlich mit seiner Leistung zufrieden.
„Hm, du scheinst sehr erfolgreich gewesen zu sein. Das freut mich“, erklärte Salix mit einem Nicken. „Dass die Dienste des Schreibers teuer sind, habe ich mir schon gedacht, allerdings hilft es nichts, wir werden sie in Anspruch nehmen. Er wird für uns einen Brief und ein zwei Rechnungsseiten verfassen müssen“, erläuterte der Blondschopf seinem Zuhörer, welcher mehrmals verstehend nickte, wenngleich sich ihm noch nicht erschloss, was sie dadurch bezwecken wollten.
Fast als hätte sein Herr dies geahnt, fuhr dieser mit seinen Ausführungen fort, „der Brief wird ein Abschiedsbrief werden, geschrieben mit der gleichen Handschrift, wie sie auch deine Schriftprobe hat. In ihm wird stehen, dass der Verfasser erkannt hatte, dass seine Zeit gekommen war zu gehen. Über die Jahre wurden Gelder veruntreut, um sich einen schönen Lebensabend leisten zu können. Diesen möchte man im Lieblichen Felde verbringen.“
„Aber Herr, weshalb sollte man denn JETZT gehen? So von heute auf morgen?“, wollte der aufgeweckte Schüler erfahren.
Ein Lächeln stahl sich auf Salix Lippen, „eine hervorragende Frage! In den letzten Tagen neigten Personen im Umfeld der Pfalz dazu, spontan zu versterben. Ein Umstand, den die Abreise ungemein beschleunigte“.
„Aber sollte man als gehende Person dann nicht sicherstellen, dass der Brief seinen Empfänger erreicht?“, der Plan schien dem Jüngeren der Beiden noch nicht sonderlich wasserdicht zu sein.
„Ah, mein wissensdurstiger Schüler, das ist der Moment, wobei uns ein Schwarm von Amseln hilfreich sein wird. Den Brief werden wir einem Boten geben und gleichzeitig den Amseln Bescheid geben, dass ein wichtiges Dokument versucht seinen Weg von hier weg zu finden. Das sollte dieses neugierige Federvieh aufscheuchen und dafür sorgen, dass der Brief mit den belastenden Zeilen seinen Weg an die “Öffentlichkeit“ finden wird“, erklärte der perricumer Adlige fast schon amüsiert.
Nun stahl sich auch ein Lächeln auf Lingmars Mundwinkel, der jedoch sogleich wieder verstarb, „aber wenn die Person sich absetzen möchte, muss sie aus der Pfalz heraus und wenn keine Torwache sieht, wie sie geht, könnte das Fragen aufwerfen“, stellte er fest, um dann noch, „oh, ich habe auch Gerüchteweise gehört, dass die alte Amsel sich auf der Pfalz auf die Lauer legen möchte. Derzeit ist sie wohl jedoch noch beschäftigt“, anzuhängen.
Der Hardenstätter kratzte sich am Kinn, das eine hatte er tatsächlich vergessen. Er schmunzelte, es waren die kleinen Details, die eine Lüge glaubhaft machten und in diesem Fall war die Lüge einen Mord zu vertuschen. Dass die alte Amsel sich inzwischen auf der Pfalz auf die Lauer legte, brachte ihn tatsächlich zum Schmunzeln. Er wusste offen gesagt nicht, was er von diesem Schwarm aus dem Schlund halten sollte. Er würde jedenfalls Acht geben, nicht doch zufällig vom Federvieh gesehen zu werden, das konnte er bei allem Amüsement nicht gebrauchen.
Dann musterte er Lingmar, wie dieser mit seinem Stuhl etwas schaukelte, und ihm wurde schlagartig bewusst, wie die Erle fallen musste! Ein sinistres Grinsen breitete sich auf seinen Gesichtszügen aus, „ganz recht, deshalb wird sie auch innerhalb der Pfalz gefunden werden. Ein Mord mehr wird den Braten auch nicht fett machen“.
Der Junge blickte den Adligen mit leichten Schaudern an.
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