Geschichten:Der uralte Bund - Einbruch und ein Menü
Markt Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF:
In einer Vorratskammer im Keller der Pfalz hatten sich am Vormittag Janne und Gerwulf - der von der Küchenmeisterin für das bevorstehende Unterfangen abgestellte Handlanger und Küchenhelfer - getroffen, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Beide hatten auf dem Weg zum Treffpunkt darauf geachtet, nicht gesehen zu werden und sich dort zudem mit einem zeitlichen Versatz von etwa einem Viertelwassermaß eingefunden.
„Vorweg: Nach dieser Besprechung werden wir uns nicht mehr sehen, geschweige denn sprechen; auch und gerade in der Stadt und dem Gasthaus, verstanden?“, eröffnete Janne mit geschäftsmäßiger Stimme die Unterhaltung.
„Gewiss, Frau Elene hat mich bereits entsprechend instruiert.“
„Gut. Hier nochmal alles Wesentliche in Kurzform. Wir werden unabhängig voneinander sicherstellen, dass der Amselmagier-“
„Hä?! Der Wer? “
„Die Zielperson, wer denn sonst? Und unterbrichst Du mich noch einmal, so brichst Du Dir was.“
Gerwulf nickte verstehend. Irgendwie machte ihm die Eiseskälte dieses Mädchens Angst, obwohl er sich eigentlich als ziemlich hartgesotten betrachtete und die Kleine nicht unbedingt gefährlich wirkte.
„Also weiter. Sobald wir wissen, dass der Kerl nicht mehr im Gasthaus weilt, werde ich ganz offen dort zum Mittagessen einkehren und zugleich prüfen, ob die Luft rein ist. Falls ich nicht umgehend wieder die Schänke verlasse, kannst Du davon ausgehen, dass alles zum Zuschlagen bereit ist.
Du wirst dann, verkleidet als Lakai, ein paar Minuten nach mir ebenfalls das Gebäude betreten und Dich wie selbstverständlich in den ersten Stock begeben. In dem ganzen Trubel mit den vielen Gästen und ihren Bediensteten sollte das nicht weiter auffallen. Unser Freund, das wissen wir bereits, bewohnt das zweite Zimmer auf der rechten Seite, von der Treppe aus gesehen. Sobald es die Situation zulässt, verschaffst Du Dir Zugang zu seiner Unterkunft und schließt die Tür dann umgehend hinter Dir.“
„Und was ist-“
„Ich muss Dich offenbar nochmal an mein Versprechen von vorhin erinnern, oder? Letzte Warnung!“
Ihr Gegenüber nickte erneut, diesmal fast schon verängstigt. Die Kleine war ihm nicht geheuer; weit mehr als nur nicht geheuer.
„Es ist mir übrigens egal, ob vieles von dem, was ich Dir gerade erzähle, für Dich selbstverständlich ist. Da ich dies nicht wissen kann, gehe ich lieber auf Nummer Sicher, bevor Du die Sache womöglich noch wegen einer Lappalie verbockst. Also weiter zuhören!
Sobald Du drin bist, präge Dir das, was Du im Zimmer siehst, genau ein. Nichts darf von dort weggenommen, nichts, außer diesem Beutelchen hier, hinzugefügt und auch nichts verschoben werden, gleich, ob es die Unterwäsche des Magiers oder ein Möbelstück betrifft.
So, jetzt der für Dich schwierigste Part: Suche einen passenden Ort, an dem Du den Beutel verstecken kannst. Die Stelle sollte nicht zu offensichtlich sein, damit man bei einer Durchsuchung nicht allzu leicht darüber stolpert - womöglich gar noch der Zauberer selbst - und so unsere Aktion ins Gegenteil verkehrt wird, weil so ziemlich jeder glauben wird, man habe dem Kerl das Zeug untergeschoben. Andererseits sollte das Versteck aber auch nicht zu gut gewählt werden, denn wenn die Wachen - oder wer immer den Raum später auf den Kopf stellen wird - unser Präsent nicht finden, ist für uns ebenfalls nichts gewonnen. Hier kannst Du dann zeigen, wie gut Du wirklich bist.
Ach ja: Sollte es im Schankraum zu unerwarteten Komplikationen kommen - etwa, weil der Amselmagier früher als erwartet zurückkehrt - sorge ich für lautstarke Ablenkung, die Du gefälligst nutzt, um schleunigst zu verschwinden. Ist das alles soweit verstanden? Sprich!“
„Äh, ja. Ja, werte Dame.“
„Gut, dann präge Dir den Plan genau ein und halte Dich auch daran. Hier für Deine Mühen!“
Mit diesen Worten drückte die 'Zofe' Gerwulf zehn Taler sowie den Beutel mit dem Gift in die Hand.
„Dann bis etwa zur Praiosstunde unten im Gasthaus!“
Ganz entspannt schlenderte Janne gegen Mittag in den Ort Randersburg hinab, um einige Einkäufe für ihre Herrin Fredegard von Hauberach zu tätigen - so schien es zumindest.
Nach Erledigung ihrer Besorgungen kehrte das Mädchen zum Mittagessen in das Gasthaus 'Rakulls Ruh' ein, wo sie sich an einen Tisch mit Blick auf den Eingang setzte, an dem bereits ein Händler saß und einen Braten in sich hineinstopfte. Während die Halbwüchsige auf ihre Bestellung wartete, ließ sie scheinbar gelangweilt den Blick durch den gut gefüllten Schankraum schweifen und registrierte zufrieden, dass offenkundig nichts der Umsetzung des Planes im Wege zu stehen schien: Viel Trubel und kein Magier weit und breit!
Einige Minuten später betrat ein unauffälliger Mann mittleren Alters das Haus und begab sich gemessenen Schrittes zur Treppe ins Obergeschoss. Kaum war der Neuankömmling nach oben verschwunden, wurde an Jannes Platz auch bereits aufgetischt: Ein deftiger Linseneintopf mit zwei Scheiben Brot sowie ein großer Becher Wasser. Während sich die Zofe das - wirklich vorzügliche - Essen schmecken ließ, behielt sie die Eingangstür jedoch stets aus den Augenwinkeln heraus im Blick.
Oben am Treppenabsatz angekommen, orientierte sich Gerwulf kurz und wartete einen Moment, bis ein Paar in sein Zimmer verschwunden und der Korridor für einen Moment verwaist war. Rasch strebte er der gesuchten Türe entgegen, lauschte kurz nach Geräuschen von der anderen Seite und öffnete sie dann, als er nichts hörte, gekonnt mit einem Dietrich, sich dabei immer wieder nach links und rechts umschauend. Mit einem leisen Seufzer der Erleichterung schlüpfte er hinein und schloss die Türe umgehend hinter sich.
Ohne weitere Zeit zu verlieren, nahm der ungebetene Gast den vor ihm liegenden, recht unaufgeräumt wirkenden Raum in Augenschein:
Gleich links neben der Tür befand sich ein Kamin in dem noch etwas Restglut glomm. Ein großes Sofa, auf dem noch Reste irgendwelcher Kräuter - Rauschkräuter? - lagen, nahm die hintere linke Ecke ein. Gerwulf schüttelte missbilligend den Kopf. Was trieb dieser Magier nur hier? Ein kleines Tischchen, ein gemütlich wirkender Sessel, eine Truhe mit Kleidern und zwei in Alkoven stehende Betten vervollständigten die Einrichtung. Zwischen Kamin und Sofa befand sich eine weitere Türe. Nachdem der Mann kurz auch an ihr gehorcht hatte, öffnete er sie vorsichtig und warf einen Blick in das Zimmer, dessen Einrichtung im Wesentlichen aus einem Himmelbett sowie einem Sekretär bestand. Auch wenn es den Einbrecher in den Fingern juckte, so verzichtete er dennoch darauf, die Kammern nach besonderer Beute zu durchsuchen. Er hatte auch so schon genug damit zu tun, darauf zu achten, dass er in dieser Unordnung nicht versehentlich etwa verschob, verstellte oder gar umwarf und so seine Anwesenheit noch im nachhinein womöglich verriet, zumal er auch nicht abschätzen konnte, wann wohl der eigentliche Bewohner wieder zurückkehrte.
Gerwulf nahm das Beutelchen mit dem Gift, welches er unter seinem Hemd um den Hals getragen hatte und überlegte, wo er es am besten deponieren konnte. 'Nicht zu leicht aber auch nicht zu schwer zu finden.' So sollte diesem unheimlichen Gör zufolge das Versteck beschaffen sein. Das Mädel hatte gut reden! Erneut ließ der Mann seinen Blick über das Mobiliar schweifen und blieb am Sessel hängen. Ja, das müsste gehen!
Vorsichtig kniete sich der Einbrecher neben dem Sitzmöbel hin, immer noch darauf achtend, dabei nichts zu berühren oder gar zu verschieben. Dann hob er den Sessel vorsichtig an, um dessen Unterseite in Augenschein zu nehmen. Diese war mit einem Stück Stoff über die gesamte Fläche verkleidet, welcher an den Rändern mit einem groben Garn vernäht war. Gerwulf trennte die Naht an der linken Seite ein Stück weit auf und schob den Beutel durch die entstandene Öffnung. Anschließend stand er wieder auf, um sein 'Werk' besser betrachten zu können. Auf den ersten Blick war nichts zu sehen; erst auf den zweiten oder beim Anheben des Sessels war die aufgetrennte Naht zu erkennen und damit der Verdacht geweckt, das dahinter etwas versteckt sein müsse.
Der Einbrecher versicherte sich noch einmal, dass die Räumlichkeiten ansonsten genau so aussahen, wie er sie vorgefunden hatte und ging dann zur Flurtüre zurück. Nachdem er sich durch vorheriges Lauschen und Spähen durch einen kleinen Türspalt versichert hatte, dass offenbar niemand auf dem Korridor war, öffnete er die Türe gänzlich, huschte rasch hindurch und schloss sie sofort hinter sich. Als er sie gerade mittels seiner Dietriche wieder verschließen wollte, stürmten aus einer Türe am anderen Ende des Ganges zwei Kinder heraus und direkt die Treppe hinunter. Gerwulf blieb vor Schreck kurz das Herz stehen. Nicht auszudenken, wenn ihn aufmerksamere Gäste als diese Bälger bei seinem Tun beobachtet hätten!
Nachdem er noch einige Augenblicke gewartet hatte und sich niemand sonst mehr auf dem Korridor blicken ließ, konnte er die Türe endlich verschließen. Der unwillkommene Besucher atmete erleichtert tief durch, wischte sich den Schweiß von der Stirn und ging gemächlich die Treppe hinunter, wo er das seltsame Mädchen beim Verspeisen eines Stückes Kuchens beobachten konnte. Ohne sie eines näheren Blickes zu würdigen, verließ er den Gasthof und ging zurück zur Pfalz, um dort wieder seiner eigentlichen Arbeit als Küchenhilfe nachzugehen.
Einige Minuten später war Janne mit der Nachspeise fertig, zahlte, und machte sich mit ihren Besorgungen ebenfalls auf den Rückweg, um ihrer Ziehmutter bei nächster Gelegenheit Bericht zu erstatten.
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Zwiesprache mit dem Götterfürsten | ▻ |
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Macabros großer Auftritt | ▻ |