Geschichten:Der uralte Bund - Enthüllungen
Amtsstube der Seneschallin in den Vogtstuben der Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF
Als Yolande von Raukenfels und Silvano von Hagenau-Ehrenfeld die Amtsstube der Seneschallin betraten, war wohl kurz vorher auch die Perricumer Reichsedle Fredegard von Hauberach in diese Räumlichkeiten zurückgekehrt. Zumindest war sie gerade dabei, wieder neben Josline von Eslamsgrund Platz zu nehmen.
„Ah, Silvano, gut, dass du da bist!“ Aus der Stimme der Seneschallin sprach echte Erleichterung. Sie streckte ihm den Kaiser-Raul-Ring entgegen, den der Praiot mit einem Kopfnicken entgegennahm.
„Am heutigen Morgen haben Ehrwürden Eichstein und ich den Tatort bereits nach magischen Spuren abgesucht. Dabei sind wir nicht fündig geworden. Was nun noch bleibt, ist zu ergründen, ob karmale Rückstände zu finden sind.“
Der Praiot blickte auf den Ring in seiner Handfläche und sprach einige Worte in Bosparano. Er schloss seine Augen und einige Augenblicke vergingen. Mit einem Ruck öffneten sich seine Augen wieder.
„Es ist sehr diffus … der Ring scheint göttlich geweiht worden zu sein, doch spüre ich keine Präsenz der Zwölfe.“
„Heißt das, dass der Ring bereits pervertiert worden ist?“, wollte die Ritterin wissen, „ So wie Ihro Gnaden es befürchtet hat?“
„Das ist zu befürchten, ja!“, antwortete der Praiot.
„Die Folgen, wenn dieser Umstand nicht von Euch entdeckt worden wäre, mag ich mir kaum auszumalen“, warf Fredegard ein. Dann wandte sie sich der Seneschallin zu: „Besteht auch nur die leise Hoffnung darauf, dass wir nachzuvollziehen imstande sind, durch wessen Hände das Kleinod in den letzten Tagen alles gewandert ist? Vielleicht hülfe uns dieses Wissen dabei, den Urheber dieser, nun ja, Weihe ausfindig zu machen.“
Nach einer kurzen Pause, so als sei ihr gerade etwas sehr Wichtiges eingefallen, ergriff die Perricumerin erneut das Wort, diesmal an den Praioten gerichtet. „Ach, kann man eigentlich auch herausfinden, welcher Gottheit genau der Ring geweiht wurde? Das dürfte der Suche nach den Verantwortlichen vermutlich ebenfalls äußerst dienlich sein.“
Yolande schmunzelte: „Göttlich geweiht - heißt das, dass er einem der Zwölfe geweiht wurde oder einer anderen… hm… Entität? Und war er schon immer geweiht oder wurde er erst vor kurzem geweiht?“
„Göttlich mag in diesem Zusammenhang wohl mißverständlich gewesen sein, hohe Dame.“ Der Praiot blickte zur Ritterin. Dabei wirkte er ebenso ratlos wie die anderen Anwesenden.
„Laut der Aussage der ehrenwerten Frau Hofmarschallin war der Ring vorher nicht geweiht … welcher Macht auch immer“, merkte die Seneschallin an. „Das muss also während seiner Absenz passiert sein.“
„Was Eure Frage angeht, Frau von Hauberach: Ja, es ließe sich wohl herausfinden, welche Kraft sich dem Ring bemächtigt hat.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Mit Erlaubnis der Seneschallin würde ich mich mit dem Ring zurückziehen, um Zwiesprache mit dem Götterfürsten zu halten, auf das er uns erleuchten möge.“
„Tu dies, mein lieber Silvano. Wir werden dich hier freudig wieder erwarten.“ In dem Blick der Eslamsgrunderin lag etwas Mütterliches.
„Es wird wohl etwas Zeit bedürfen, also erwartet mich nicht zu bald wieder zurück.“ Mit einem Nicken verabschiedete sich der Praiot und verließ das Amtszimmer der Seneschallin.
Nachdenklich betrachtete die Perricumerin den Abgang Silvanos, bevor sie sich wieder den übrigen Anwesenden, insbesondere der Seneschallin, zuwandte.
„Bliebe noch die Klärung meiner ersten Frage: Ist zumindest im Ansatz noch nachzuvollziehen, durch wessen Hände der Ring in den letzten Tagen gewandert ist?“
„Ich befürchte“, begann die Seneschallin, „die Spur des Ringes verliert sich in der Nacht, in der er auf der Phex-Statue platziert wurde. Wir reden hier unglücklicherweise von mehreren Tagen.“
„Hm, das hatte ich befürchtet und dürfte die Nachforschungen erheblich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Aber vielleicht ist der Herr Praios mit uns und wird seinem Diener Silvano in dieser Sache Erleuchtung schenken, sodass es uns dennoch gelingen mag, den oder die Übeltäter zu entlarven.“, schloss Fredegard mit einem hoffnungsvollen Lächeln.
Die Seneschallin nickte zustimmend, während es an der Tür klopfte und ein etwas pummeliger Page eintrat.
„Danos, was gibt es?“ Die Stimme der Eslamsgrund wirkte etwas unwirsch.
„Verzeiht, Herrin.“ Der Page blickte betreten zu Boden. „Seine Gnaden Silvano bat mich Euch die auszuhändigen … er hatte es wohl vergessen, Euch zu geben, bevor er sich in seine Gemächer zurückzog.“ Der Junge übergab der Seneschallin ein eingerolltes Pergament, welches diese sogleich entrollte.
„Der Amselmagier hat wohl den Tatort der Ermordung der gelehrten Frau Loderia noch einmal genau untersucht und durch magisches Wirken zwei Schriftstücke wieder lesbar gemacht. Dies sind Abschriften derselben. Eines dieser Blätter zeigt augenscheinlich eine Blutulme, um deren Stamm sich die Debrekskrone windet. Das andere scheint mir ein Tagebuchauszug zu sein. Frau von Raukenfels, würdet Ihr so gut sein, uns diesen Text vorzulesen?”
Die Angesprochene nahm das Pergament entgegen und begann zu lesen.
Die Essentia der Fuchsstatuen
Seit meinem ersten Indicium in der Capitale verfolge ich die Spur der Vulpis deletus, der mutwillig beschädigten Fuchsstatuen. Ein Zusammenhang zur Kirche des göttlichen Fuchses ist auszuschließen, da diese Statuen das heilige Abbild des Fuchses pervertieren. Meine Nachforschungen in der Capitale ergaben, dass die Diener des Rattenkindes solche Statuen in Gareth benutzen, um Herrn Phex wie auch die Krone, deren Wappentier der Fuchs ist, zu entehren.
Die Via Obscuritas führte mich an den Ort der Winterhochzeit. Sehr hilfreich war mir der Dilettantismus der E.v.K. Die Familie von K., deren Ferne zur Allwissenden sich in den der Persona E. sehr anschaulich manifestiert, ist allgemein bekannt. Mir scheint dieses Subjekt nur als Zuträgerin tauglich zu sein, was weitere Mitglieder der Congregatio Noctem impliziert. Ich vermute ein Rattennest im Herzen der Pfalz.
Es muss meine Aufgabe sein, auf dieses Rattennest aufmerksam zu machen, da ich nicht weiß wie viel Zeit mir noch bleibt.
Doch, was wollen diese Subjekte? Um im Bilde des Fuchses zu bleiben, erschließt sich mir nur ein Ziel: Die Fuchsfibeln, ein uraltes Artefakt und eines der Insignien der Winterhochzeit.
„Endlich ein konkreter Anhaltspunkt!”, rief Fredegard fast schon begeistert aus. „Es müsste doch möglich sein, herauszufinden, welchem Gast die Initialen ,E.v.K.ʼ zu eigen sind, oder was meint ihr, meine Liebe?”, fragte die Perricumerin und schaute zu Yolande herüber.
Die Raukenfelserin erwiderte den Blick: „Ich gebe zu bedenken, dass es nicht zwangsläufig sein muss, dass jene Person auf der Gästeliste stehen muss. Einen Versuch ist es jedoch gewiss wert.“
„Nun, hier in Reichsforst ist die geschäftstüchtige Familie von Kesselstein bekannt, oder aber die Greifenfurter Familie Keilholtz“, stellte die Senschallin klar. „Beide Familien sind, wie ich hörte, seit einigen Monden sehr aktiv am Grafenhof.“ Josline von Eslamsgrund überlegte einen Augenblick. „Vor ein paar Tagen sprach der königliche Wägevogt Germuth von Königslinden bei mir vor. Und, wer kennt die umtriebigen Spitzohren des Keres nicht. Aber 'E.v.K.'?“
„Vielleicht wissen ja die anwesenden Mitglieder der von Euch genannten Familien, ob Anverwandte von ihnen hier ebenfalls zu Gast sind, deren Vornamen mit einem 'E' beginnen. Möglicherweise kommen wir so ans Ziel. Ansonsten wäre ich mit meinem Bosparano leider am Ende.”, merkte die Reichsedle an.
Yolande blickte die beiden Damen erwartungsvoll an.
„Nun,“ begann die Seneschallin, „vielleicht ist ja Frau von Raukenfels so gütig herauszufinden, was es mit den Initialien 'E.v.K.' auf sich hat.“ Die Eslamsgrunderin blickte die Reichsforster Ritterin auffordernd an.
„Ich werde tun, was ich kann, um diese Person ausfindig zu machen, Hochgeboren“, erklärte Yolande da, „Gewiss gibt es doch eine Liste der geladenen Gäste? Mit ihr möchte ich gerne beginnen.“
„Sehr wohl!“ Die Seneschallin machte eine gönnerhafte Handbewegung. „Ich gebe jedoch zu bedenken, dass in den Gästelisten nur eben jene verzeichnet sind, die an offiziellen Banketten oder ähnliches teilnehmen, nicht jedoch das Gefolge … oder sonstige Adlige.“
Nun nickte die Raukenfelserin: „Das habe ich mir schon fast gedacht. Ich denke dennoch, dass es trotzdem sinnvoll ist, mit dem offensichtlichsten anzufangen und dann die von Euch genannten Familien zu befragen oder vielmehr sich hier auf der Pfalz umzuhören.“
„Nur zu, ich gewähre Euch Einblick in die Listen.“
Die zuletzt recht schweigsame Fredegard wandte sich nun mit einem freundlichen Lächeln der Raukenfelserin zu: „Wenn es die Sache beschleunigt, so bin ich gerne bereit, Euch bei der Durchsicht der Listen zu unterstützen; zwei Paar Augen sehen schließlich mehr als zwei.“
„Dann sei es so“, sagte Yolande nickend.
Die Seneschallin händigte den beiden adligen Frauen die Gästeliste für das Bankett aus, welches am Abend stattfinden sollte und komplimentierte sie in einen kleinen Nebenraum, um so ihre Ruhe zu haben.
Aufmerksam gingen die ungleichen Damen die Listen durch. Geladene Familien mit dem Anfangsbuchstaben 'K' gab es tatsächlich nicht so viele zu finden. Besonders zwei fielen ihnen ins Auge.
„Kobernain, Abelmir; Junker, mitsamt seiner Schwester Efferdane“, las Yolande vor, „und hier, Königslinden, Germuth; königlicher Wägevogt, mitsamt seiner Tochter Edala.“
"Na, da haben wir doch gleich zweimal "E.v.K.!", rief Fredegard zufrieden aus. "Ich empfehle allerdings, zunächst einmal nähere Erkundigungen über die beiden Damen einzuholen, bevor man mit ihnen spricht.", riet die Perricumerin der Seneschallin.
„Wahrlich“, erwiderte die Ritterin da, „Das halte auch ich für eine gute Idee. Gleichzeitig sollten wir uns allerdings auch um andere mit diesen Initialen kümmern. Uns zu früh auf eine Person festzulegen ist vermutlich sicher nicht ratsam.“
„Somit dürfte die Aufgabenstellung klar sein.“ Die Seneschallin wandte sich von ihren beiden Gästen ab. „Bis zur Hesindestunde erwarte ich einen Bericht!“
"Gut. Ich schlage folgende weitere Schritte vor: Zunächst durchsuchen wir noch einmal die gesamte Liste nach Personen mit den Initialen 'E.v.K' und überprüfen dann gezielt alle übrigen 'von K's' dahingehend, ob sie vielleicht von Familienangehörigen, deren Vorname mit 'E' beginnt, begleitet werden, welche jedoch nicht auf der Gästeliste stehen. Dann sollten wir einen hinreichenden Überblick aller infrage kommender Personen mit den gesuchten Initialen haben. Anschließend Einholen näherer Auskünfte über diese Individuen, um entscheiden zu können, mit welchen von ihnen ein direktes Gespräch angeraten erschiene. Wäre das eine akzeptable Vorgehensweise oder gibt es andere Ideen?"
„Durchaus.“, stimme Yolande zu, „Dann lasst uns doch beginnen.“
Nachdem sich Yolande und Fredegard über das weitere Vorgehen verständigt hatten, machte sich Letztere daran, mehr über Edala von Königslinden in Erfahrung zu bringen. In verschiedenen Gesprächen mit anderen Adligen über allerlei mehr oder weniger belanglose Themen ließ die Perricumerin bei passenden Gelegenheiten Edalas Namen fallen und registrierte genau die diesbezüglichen Reaktionen. Daraus - sowie aus einem kurzen persönlichen Gespräch mit der Frau - kristallisierte sich dann das alles andere als schmeichelhafte Bild eines liebestollen Weibsbilds mit wenig Tiefgang und dafür umso größerer Arroganz heraus, welches gar eine Affäre mit einem der jungen Ritter aus dem Umfeld des Bräutigams haben soll. Abseits davon war die Endzwanzigerin wohl im Gefolge des Kronvogts Leomar von Zweifelfels nach Randersburg gereist und diente dessen Gemahlin Ardare - einer Rahjageweihten - als Hofdame.
Kopfschüttelnd machte sich die Reichsedle auf den Weg zurück zur Seneschallin um dieser zu berichten. Die liebestolle Hofdame einer Rahjageweihten - das hätte glatt einem dieser furchtbaren horasischen Hellerromane entsprungen sein können!
Bevor Yolande von Raukenfels Efferdane von Kobernhain aufsuchte, zog sie erst einmal ein paar Erkundigungen ein. Vom Herold, von dem ein oder anderen Adeligen und auch vom Gesinde, die gerne etwas im Tausch gegen die ein oder andere Münze berichteten, erfuhr sie, dass die Familie Kobernhain aus Kaiserlich Ochsenblut stamme und dort recht einflussreich sei. Zu Efferdane erfuhr sie Folgendes: Sie sei das dritte Kind des verstorbenen Junkers Holduin, zähle gerade einmal 18 Götterläufe und habe ein Noviziat in der Rondrakirche begonnen, es jedoch abgebrochen, daher habe ihr Bruder, der derzeitige Junker, sie mit zur Winterhochzeit gebracht um ihr eine neue Anstellung an irgendeinem Hof zu verschaffen. Als die Ritterin dann Efferdane aufsuchte und ihr sagte, dass sie Verbindungen zum Grafenhof habe und ihr eine Anstellung verschaffen könne, lehnte diese jedoch nach anfänglichem Enthusiasmus dankend ab. Eine Anstellung im Reichsforst kam für die Kaisermärkerin nicht in Frage. Besser so, dachte Yolande, Kaisermärker sollten eben am besten in der Kaisermark bleiben. Im Gespräch zeigte sich die Kobernhainerin jedoch ziemlich eloquent, zeigte gutes Benehmen und schien zu allem, wonach Yolande sie nebenbei gefragt hatte, eine fundierte Meinung zu haben. Auf die Beschreibung der Hesindegeweihten passte sie wohl kaum.
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