Geschichten:Der uralte Bund - Erkenntnisse III

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Vogtstuben der Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF:

Die Seneschallin tauschte sich gerade mit den verbliebenen Anwesenden über die Verstrickungen der Amseln in die jüngsten Entwicklungen aus, als die Tür zu ihrem Amtszimmer aufgerissen wurde und die Hofmarschallin eilig hineinplatzte.
„Seneschallin, Hauptmann! Frau von Erlenfall…“, die Greifenfurterin rümpfte die Nase, „wurde, ist auf grausamste Weise aus dem Leben geschieden … ermordet, so wie die Ihre Gnaden Loderia und Frau Bergensteen.“

Der blonde Adlige aus den Zacken hatte dem Gespräch aufmerksam gelauscht und dabei immer verwirrter dreingeschaut. Nicht genug, dass hier Schnitter und Vögel umherschwirrten, jetzt sollte sich auch noch eine Sekte von Fanatikern eingemischt haben? Und als dann die Anschuldigungen gegen die Praiosgeweihten ausgesprochen wurden, wäre Salix beinahe vom Stuhl gefallen; lediglich das Machtwort der Seneschallin hatte Schlimmeres verhindern können. Doch als die Hofmarschallin eintrat und ihre Botschaft verkündete, entglitten dem Perricumer völlig die Gesichtszüge und Entsetzen machte sich in seinem Antlitz breit. „Nicht auch noch die…“, raunte er kaum wahrnehmbar und griff sich an den Kopf. Glücklicherweise konnte er sich schnell sammeln und mit fester Stimme und gefasster Miene wandte er sich an die Überbringerin der schlechten Nachricht: „Seid Ihr Euch sicher, dass es Frau von Erlenfall ist?“.

Kurz nach der Hofmarschallin - aber deutlich beherrschter wirkend als diese - kehrte auch Fredegard zurück. Ein rascher Blick in die Gesichter der übrigen Anwesenden verriet ihr, dass diese die bestürzende Nachricht über die Ermordung der Küchenmeisterin bereits von der nicht minder schockiert wirkenden Greifenfurterin erhalten hatten. Daher verzichtete die Reichsedle auf einen eigenen Bericht, nahm mit einem Nicken in Richtung der Seneschallin wieder Platz und fragte lediglich in die Runde, ob zwischenzeitlich weitere Erkenntnisse (mit-)geteilt worden wären.

Salix konnte sich scheinbar als erstes aus der Schockstarre herausschütteln und blickte zur Perricumerin. „Wenn ich das recht verstanden habe, wurden Spuren einer weiteren Sekte gefunden. Die Bekenner sollen wohl auch hier im Gange sein, ein Ritter aus dem Greifenfurtschen ist demnach für blasphemische Schnitzereien im Rondratempel verantwortlich.“ Wenngleich sein Gesichtsausdruck es nicht verriet, so klang seine Stimme doch so, als würde er das eben Gesagte selbst kaum glauben können – oder wollen. Mit einem nachdenklichen Blick wandte er sich an die Seneschallin. „Habe ich das so richtig verstanden?“

„Das wird ja immer toller! Langsam frage ich mich, ob außer uns hier überhaupt noch jemand hierherkam, um einfach nur zu feiern oder alte Freunde und Bekannte zu treffen. Konnte man diesen sogenannten Ritter denn mittlerweile dingfest machen?“
Kopfschüttelnd und mit fast schon resignierender Miene wandte sich die Reichsedle wieder der Seneschallin zu.

Diese blickte abwechselnd zu Salix und zu Fredegard. „Die drei grausamen Morde scheinen unbestreitbar die Handschrift von sogenannten Schnittern zu tragen; sie fühlen sich in ihrer Verblendung so stark und unbesiegbar, dass sie uns gar mitteilen wollen, wer es war. Womöglich ist dies auch Teil des Rituals im Zusammenhang mit dem Kaiser-Alrik-Ring, der nachweisbar durch einen Orkgötzen entweiht wurde.“ Die Seneschallin atmete tief durch. „Die Dame von Grevinghoff ist unterdessen der Meinung - die sie offenbar mit den Amseln teilt - ich sei Teil einer 'Bekenner-Verschwörung' und mit mir die Ehrwürden Hagenau-Ehrenfeld und Eichstein. Wäre die Lage nicht so erst, ich würde lauthals loslachen. Die Person E.v.K soll eine Ritterin Namens Elenore von Karseitz gewesen sein, die verschollen ist und dem Namenlosen anheimgefallen sei.“ Nun wandte sich die Seneschallin wieder Salix zu. „Von dem Greifenfurter Hünen, der auf meiner Pfalz Tempelbänke verunstaltet, höre ich wiederum zum ersten Mal. So wird er noch frei herumlaufen.“

„Wegen seiner Größe wird er sich ja wohl kaum irgendwo verstecken können“, merkte die Hofmarschallin an und sogleich die Worte ihren Mund entsprangen, bereute sie dies auch schon wieder. Humor war definitiv nicht ihre Stärke – genauso wenig wie Schmutz und Staub – daher versuchte sie es etwas konstruktiver. „Was ist denn über diesen Hünen bekannt – außer, dass er aus meiner Heimat kommt?“

„Laut der Amseln soll er heute zur Siebten Stunde wieder den Tempel aufsuchen. So war es wohl in den letzten Tagen laut Aussagen der Novizen“, merkte Yolande von Raukenfels an. „Also sehr bald.“

Fredegard nahm die jüngsten Ausführungen der Herrin der Pfalz mit sichtlicher Verblüffung zur Kenntnis. Nun auch noch ein blasphemischer Greifenfurter mit einer Vorliebe für Tempelbänke! Das Alles hier hätte sich selbst der phantasievollste horasische Schmonzettenschreiber nicht einmal im Ansatz ausdenken können. Kaum hatte sie ihre Überraschung überwunden, wandte sich die Altbaronin Jolande zu und fixierte sie mit ihrem Blick. „Ist das Euer Ernst? Ihr beschuldigt die werte Seneschallin - meine Freundin - sowie zwei Geweihte der Zwölfe der Ketzerei? Und das tut ihr auf welcher Grundlage? Welche Beweise oder reputable Zeugen könnt Ihr denn für so einen ungeheuerlichen Vorwurf beibringen? Ich bin fassungslos.“
So fassungslos war die Perricumerin dann doch nicht, denn nach einer kurzen Pause fuhr sie in Richtung der Seneschallin fort: „Natürlich solltest Du Dich dieses seltsamen Ritters umgehend widmen - auf meine Unterstützung und Hilfe kannst Du selbstverständlich weiterhin zählen - aber wir sollten auch nicht die Amseln außer Acht lassen. Es ist doch mehr als seltsam, dass, kaum, dass Ermittlungen sie betreffend aufgenommen werden, sie allesamt wie vom Erdboden verschluckt sind. Man sollte doch meinen, dass, sollten sie tatsächlich unschuldig sein, es in ihrem ureigenen Interesse läge, besagte Untersuchungen zu unterstützen, wie es doch wohl jede rechtschaffene Seele täte.“

Salix seufzte erschöpft aus - wer sollte denn bei diesem Durcheinander und Konvolut an Bünden, Vereinigungen und Kartenrunden den Überblick behalten? „Dann sollte die Wache Stellung im Rondratempel beziehen und diesen Mann festsetzen. Vielleicht kann er ja – zumindest zum Teil – Erleuchtung bringen.“, stellte er ernüchtert fest.
„Was die Amseln angeht… Gute Frage, wenn sie sich mit Magie vor unseren Augen verhüllen, wie sollen wir ihrer dann habhaft werden? Ich schlage vor, die Wege im Blick zu behalten oder ihr ehemaliges Nest, vielleicht wollen sie dort ja noch ihre Sachen abholen?“. Kurz stoppte er und wandte sich sodann an die gesamte Versammlung: „Darüber hinaus möchte ich anraten, dass zumindest wir uns nicht zerstreiten. Die jetzige Situation ist schon unübersichtlich genug, da müssen wir uns nicht auch noch aktiv gegenseitig auseinanderbringen“. Mit einem herzlichen und aufmunternden Lächeln blickte er in die Runde.

„Herr von Hardenstatt spricht wahre Worte, daher will ich mich kurzhalten“, begann Josmine von Grevinghoff mit Blick auf Fredegard gerichtet. „In der Praioskapelle, wie auch bei meiner … Schwertmutter wurden kurze Nachrichten gefunden mit blasphemischem Inhalt, die klar diesen Ketzern zugeordnet werden konnten. Ehrwürden Hagenau-Ehrenfeldt war ein enger Vertrauter meiner Schwertmutter. Die beiden hier versammelten Ehrwürden stehen den Braniboriern nahe, da ist der Weg zu den Ketzern nicht weit. Custus Lumini Praiobur Neiding, der dem Tempel hier auf der Pfalz vorsteht, wird Euch das bestätigen können.“

„Es gehört sich nicht, schlecht über Tote zu sprechen, schon gar nicht über seine eigene Schwertmutter“, antwortete Ehrwürden Silvano von Hagenau-Ehrenfeldt mit betont ruhiger und gelassener Stimme. „Der greise Custus Lumini wittert überall eine Verschwörung und für ihn ist alles, was nicht der konservativ-traditionellen Lehre entspricht, gleichbedeutend mit Ketzerei. Daher möchte auch ich uns die Worte des Herrn von Hardenstatt in Erinnerung rufen. Ob wir diese uns gestellte Aufgabe zu lösen vermögen, steht und fällt mir unserem Zusammenhalt. Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass ein jeder hier frei spricht und wir so alle Fakten zusammentragen können. Die Umtriebe der Orkgötzen anbetenden Schnitter sind offenkundig und liegen auf der Hand. Wie auch die Existenz eines Zirkels des Namenlosen. Diese Spuren sollten wir weiterverfolgen.“

Salix hatte schweigend den beiden Diskussionspartnern zugehört und bei der ein oder anderen Stelle die Lippen kurz geschürzt, größtenteils jedoch geschwiegen. Jetzt, wo eine kurze Pause nach den Ausführungen von Ehrwürden Hagenau-Ehrenfeldt entstanden war, sah er seine Zeit gekommen.
„Nun, dann sollten wir uns bezüglich des großen unbekannten Ritters im Rondratempel sputen, wie schon die hohe Dame von Raukenfels erwähnte“. Kurz wog er seinen Kopf hin und her und entschied sich dann, doch noch etwas anzuhängen. „Diese Aufzeichnungen, von denen Ihr spracht, hohe Dame von Grevinghoff, könnte ich sie sehen? Vielleicht können sie uns bei der… ein oder anderen Sache helfen?“ Und kaum hörbar hauchte er, „Und wenn es nur zum Zeit totschlagen ist.“ vor sich hin.

„Die hat der Amselmagier, soweit ich weiß.“ Die Greifenfurter Ritterin zuckte mit ihren Achseln. „Aber Ehrwürden Hagenau-Ehrenfeldt kann die Existenz ebenfalls bezeugen.“

„Das ist richtig“, begann der Praiosgeweihte mit ruhiger Stimme. „Ich war mit Ehrwürden von Eichstein einer der Unglücklichen, die das Zimmer der Dame Bergensteen am Morgen nach dem götterlästigen Mord aufsuchten und dann dort den Tatort sowie die beiden Ritterinnen Josmine von Grevinghoff und Madara von Amselhag vorfanden. In einem Versteck im Kleiderschrank fanden wir den verschollenen Ring und unter ihrem Bett einen Bekennerbrief, in dem die Stände des Adels und des Klerus in Misskredit gebracht wurden. Wir haben diese Spur jedoch als ein Ablenkungsmanöver eingestuft.“

„In der Ucuristatue des Praiostempels hier auf der Pfalz wurden ebenfalls solche Briefe gefunden. Da muss doch mehr hinter stecken, oder nicht?“ Josmine von Grevinghoff blickte fragend in die Runde.

„Anzunehmen.“, warf die Perricumerin trocken ein. „Daher, so mein Vorschlag, sollten wir uns schon allein aus Zeitgründen beiden Zielen parallel widmen: Ein Teil von uns versucht, dieses schrägen Ritters habhaft zu werden und die Übrigen tragen die gefundenen Briefe zusammen. Möglicherweise ergibt sich aus deren Lektüre ein größeres Bild oder nähere Hinweise auf den oder die Verfasser. Und auch die Befragung des Greifenfurters mag das ein oder andere interessante Faktum zutage fördern. Aber genug geredet: Tempus fugit!“

„Wohl gesprochen, Fredegard!“, sprach die Seneschallin und nickte ihrer Freundin zu. „Du wirst dich mit Herrn von Hardenstatt und Frau von Grevinghoff in den Rondratempel begeben. Hauptmann Rallerau wird für die Bedeckung sorgen. Die Hofmarschallin kann Euch ebenfalls begleiten, so sie es wünscht. Ehrwürden von Eichstein, sowie die Damen Raukenfels und Rian werden den Praiostempel aufsuchen, um sich mit diesen Bekennerschreiben zu befassen.“


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Ende Hes 1043 BF zur abendlichen Phexstunde
Erkentnnisse III
Der Erlenfall


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Erkenntnisse IV
Der Erlenfall


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Kapitel 22

Erkenntnisse IV