Geschichten:Der uralte Bund - In der Totenkammer III
Totenkammer im Kellergewölbe der Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF
Der Magier erhob sich von der Toten und ging nachdenklich im Kreis in der Kammer umher. "Wir haben hier vor uns die Leiche einer älteren Hesindegeweihten, die in ihrem Zimmer ermordet wurde. Ihr wurde mit etwas Heißem der Kopf halb vom Rumpf abgetrennt, die Zunge abgeschnitten und auf ihrer Brust, auf einer Kupferplatte abgelegt. Eine Frau, deren Beschreibung auf eine Person zu trifft, die vor zwei Tagen eine Fuchsstatute vor das Zimmer eines Gastes der Hochzeit deponiert haben könnte. Dieser Gast hat um Stillschweigen gebeten und ich werden seinen Wunsch respektieren. Eine weitere Statuette wurde durch eine komplizierte Erpressung, an einen weiteren Gast am Ingerimmstempel weiter gegeben, der auch nicht genannt werden möchte. Eine dritte Statuette, ohne Ohr, habt ihr, guter Mann, vor dem Tempel des Lichtes gesehen. Der Hofkaplan Silvano, der hohe Wertschätzung bei der Seneschallin genießt, hat diese Statuette aber bei einem Gespräch nicht erwähnt und ihr habt sie auch aus den Augen verloren. Wer könnte sie mitgenommen haben? Und wie steht ihr eigentlich zu den Lehren der Braniborier, die hier auf der Pfalz scheinbar bis hin zur Seneschallin Verbreitung finden?
Interessant wäre an dieser Stelle auch zu erfahren, wie die Statuette ohne Schwanz in euren Besitz gekommen ist, werte Dame. Oder wie ihr dazu gekommen seid, das Zimmer der Toten aufzusuchen und was ihr in diesem noch gefunden habt? Habt ihr das Vademecum, das Hesindegeweihte gerne führen oder andere wichtige Aufzeichnungen sichern können oder wisst ihr wo das Amulett abgeblieben ist, das sie trug?
Interessant dürfte auch sein, warum diese aufdringlich Dame, die um die Seneschallin herum flatterte, ein Interesse an diesem Fall zeigt und gleich auf die Schnitter kommen wollte. Hat sie wichtige Informationen oder wollte sie von etwas ablenken?
Bleibt die schon gestellte Frage, was sollen uns die Füchse sagen und warum musste die Dame, die sie womöglich verteilt hat, auf diese grausame Weise sterben?”
“Zunächst denke ich, Herr von Amselhag, dass wir die Vermutung von Hochgeboren Hauberbach genauso in Betracht ziehen sollten, wie alle andere auch. Für mich deutet das allerdings noch nicht offensichtlich genug in die eine Richtung”, meint Nurinai ni Rían da. “Weswegen wir noch allen Vermutungen nachgehen sollten, bis sich die Hinweise auf eine von ihnen verdichten. Zudem muss ich Euch sagen, dass ich mir sehr sicher bin, dass Ihre Gnaden Pilperquell mir die Statue nicht höchst selbst überbracht haben kann. Zu jenem Zeitpunkt, da sie an meinem Platz hinterlassen wurde, war dort keine Hesindegeweihte im Gasthaus zugegen, wohl aber draußen. Des Weiteren habe ich das so verstanden, dass Ihre Gnaden selbst der Spur der Statuen gefolgt ist, was sie gewiss nicht getan hätte, wenn sie sie selbst verteilt hatte, meint Ihr nicht auch?”
"Dass sie, zeit ihres Lebens die Statuten nicht selber überbracht hat, ist mir klar. Ich kenne einen der Überbringerinnen bereits, die zur Übergabe gepresst wurde. Bei genauerer Untersuchung des Herganges wurde festgestellt, dass die scheinbar Vergifteten, die die Gezwungene mit ihrer Tat zu retten glaubte, zu keinem Zeitpunkt in Gefahr waren. Ein einfaches Brechmittel und ein Brief mit Anweisungen reichte aus, um die besagte Überbringerin zur Tat zu bewegen. Danach wurde sogar als Gegenmittel ein Heiltrank verabreicht, was mir recht aufwändig für die Tat von Schnittern, Namenlosem Pack oder unserem brutalen Mörder scheint. Aber es passt sehr gut zusammen, dass die Geweihte die Ausführung zwar von außerhalb überwacht hat, aber jemand Anderes die Figur vor eurem Zimmer ablegen musste. Meine Überlegung geht dahin, dass diese ausgefeilte, aber harmlose Erpressung dazu diente, nicht selber in Erscheinung zu treten, was gut zur Schläue einer Geweihten der Hesinde passt, aber bestimmt nicht zur Blutrünstigkeit der Schnitter, wie ich meine. Daher kann es sehr gut sein, dass ihr euch durch die Geweihte getäuscht seht. Denn so viel Raffinesse möchte ich ihr gerne zu Lebzeiten zugestehen. Aufgrund eurer unsicheren Formulierung, möchte ich mir erlauben noch einmal nachzufragen, ob ihr das richtig verstanden habt und euch sicher seid, dass die Geweihte den Statuetten hier in der Pfalz nur gefolgt ist. Oder dass vielleicht gemeint war, dass sie die Statuetten zu einem früheren Zeitpunkt gesucht, verfolgt, gefunden, womöglich auf die Pfalz gebracht und hier, aus Furcht vor ihrem Mörder oder aus einer noch unbekannten Absicht, hier verteilt hat und diese ausgefeilten Übergaben aus der Nähe überwacht hat.
Dass ich der Spur der Schnitter nun nicht selber folgen möchte, ergibt sich aus einem ganz anderen Umstand, den ich vielleicht Euch noch vermitteln sollte. Ich hörte bereits von Schmierereien im Rondratempel, die zu Schnittern passen würden und auch die blutige Kupferscheibe könnte ein Indiz sein. Die Gravur E.B.S. auf der Scheibe," (kurze Gedankennotiz: Studierstübchen aufräumen und besser ablegen, wenn Mutter etwas wichtiges erzählt!), "unter dem Blut deckt sich mit dem Spruch im Rondratempel. Est.bibendum.sanguinem! Es gilt, Blut zu trinken. Und auch die Brutalität der Tat könnte als Indiz herangezogen werden. Daher möchte ich der pericummer Dame gerne zugestehen dass ihre Annahme richtig sein mag, dass Schnitter oder ähnlich blutrünstiges Volk auf der Pfalz zugegen ist. Und in dem Glauben würde ich sie gerne auch bestärken, in dem ich ihre Thesis vor der Seneschallin, die sie so beeindrucken möchte, anzweifle und ignoriere. So hoffe ich, dass ich diese prätentiöse Dame motivieren kann, Euch ihre Thesis zu beweisen, um recht zu haben und euch das Nötigste aus Geltungsdrang anzuvertrauen. Denn gerade wollte die Gute viel erfahren, aber wenig preisgeben. Und wie ich schon auf dem Weg hier herab zum Herrn Hardenstatt sagte, der den ohne Namen ins Spiel brachte, ist es bestimmt nicht verkehrt, wenn wir alle in eine andere Richtung ermitteln, auf dass einer recht haben möge. Zudem möchte ich ehrlich sein. Ich mag beide nicht um mich haben, wenn ihr mir das nachsehen möget. Sie stören mein Empfinden für die Schönheit der Welt, was ich ihnen gar nicht zur Last legen möchte, sondern vielmehr in einer Schwäche meiner Empfindsamkeit begründet liegt.
Und sehen wir es mal praktisch. Müsste ich diesen Schnittern nachjagen, so müsste ich vermutlich das Motiv in der Anwesenheit der Braut und ihrem Gefolge suchen, die aus dem Greifenfurtschen kommt, wo dieser von Rondras Lehren abweichende Kult seine Wurzeln haben mag. So könnte man sich in der Schenke “Zum Steigbügel” oder wo sich sonst die Greifenfurter herumtreiben, erkundigen und jemanden suchen, der sich auffällig benimmt. Womöglich einen großen, bärtige Gesellen, der sich für einen harten Ritter von Blutes Gnaden oder ähnliches hält. Aber damit möchte ich mich derzeit gar nicht befassen. Die sind da ja eh alle bärtig und riechen unangenehm und sind ja selber halbe Orken, wenn man sie beim Essen und trinken erleben muss. Jetzt mal ehrlich, wie albern würde ich in dieser Spelunke wirken. Da sehe ich ganz andere Talente gefragt. Und was haben Ork Götzen verehrende Mörder aus der Greifenmark mit lädierten Füchsen zu tun, die eher auf die Gareths und somit den Bräutigam verweisen?
Bei einer weitergehenden hermetischen Analyse würde ich wahrscheinlich eh nur ergründen können, dass einem archaischen Blutkult geopfert wurde. Ich könnte euch mit viel Mühe vielleicht eine Belhalhar Affinität feststellen, da ich diese Signatur leidlich kennenlernen durfte, aber ob ich sie von einem Orkgötzen unterscheiden kann, wage ich zu bezweifeln. Und viel mehr Erkenntnisse als gleich in diesem Turmzimmer zusammen kommen, erhoffe ich mir davon nicht.
Viel mehr würde mich nun interessieren, ob der Herr Praios euch, werter Herr, eine weiterreichende Erleuchtung über diese Scheibe geben wird. Oder euch über diesen Gegenstand im Dunkeln seines rätselnden Bruders lässt, bevor ich euch verlasse."
“Bei den Göttern, Ihr kennt ja viele Wörter…”, brummelte Wilbur und schaute den Gildenmagier einen kurzen Augenblick musternd an. Dann wandte er sich dem Leichnam und der Scheibe zu, wenn man nicht alles selber macht...
“Oh Fürst der Götter, himmlischer Richter! Sieh auf deiner Kirche Kind! Lass mich sehen, was zu sehen mir nicht gegeben ist. Lenke meinen Blick auf der Frevlerin Gabe. Oh Herr des Lichts, ich bitte dich: gewähre deinem Diener Sicht auf das Werk des Frevels, Sicht auf Madas Welt”. Dabei vollführt er mit den Armen die Geste der Sonnenscheibe und öffnet zum Ende des Stoßgebetes die Augen, um den Leichnam und die Scheibe zu mustern.
Der Magier war bei jedem Wort, das aus dem Geweihten donnerte, einen Schritt zurück in die finstere Ecke gewichen. Nicht dass seine Aura noch die göttliche Wahrnehmung störte, die diesem gesegneten Menschen zuteilwurde. Der Mann sollte sich ja auf das Wesentlich, also die Leiche, konzentrieren können. Auch wenn Anaxagors davon ausging, dass er selbst eine sehr aufregende Aura haben musste, die die Schönheit der Welt bestimmt bereicherte.
Friedlich lag sie da, die Tote. Zu Lebzeiten wohnte auch ihr die Gabe aus Madas Frevel inne, doch verflüchtigte sich diese langsam. Ihre Aura war friedlich, ruhig. Im krassen Gegensatz zu der ausgefransten, dunklen Aura, die den Hals, aber auch die kleine Scheibe umgab. Mehr als ein rein profaner Mord, vielleicht eine magische Ritualwaffe. Auch mehr als nur eine Art von Blutmagie - das hätte er erkannt mittlerweile, leider. “Hier war mehr als nur eine profane Klinge am Werk. Die genaue Ausprägung bleibt im Dunkel verborgen, doch ist es weder einfache Blutmagie noch dämonische Verunreinigung, das hätte ich erkannt”, berichtete Wilbur und schaute sich die Halswunde und die Scheibe noch einmal genauer an.
"Nun, wie wollen wir weiter vorgehen? Wir gehen also von einem brutalen, recht kräftigen Schnitter aus, der sich in die Pfalz geschlichen hat, um was zu tun? Er hat seine Tat durch die Schmiererei im Rondra Tempel, prahlerisch angekündigt und diese gravierte Kupferscheibe für Ermittler, die diesen Mord aufklären wollen, platziert, damit wir ihm auf seiner Quest folgen und er sein Spielchen mit uns treiben kann. Jemand, der sich seiner Sache sehr sicher ist und uns verhöhnen will oder bewusst jemanden abschrecken möchte. Er versteckt sich nicht professionell. Er kann den Rondratempel betreten und fällt mit einer Leiter, die er am Gasthaus genutzt haben soll, nicht auf. Die Geweihte hat sich nicht gewehrt und wurde mit einer sehr heiß, vielleicht magischen oder rituellen, scharfen Waffe und viel Kraft ermordet. Ihr Amulett und auch ihre Reisenotizen fehlen. Ich muss mir den Tatort und seine Umgebung genauer anschauen. Hier ist ja niemand gewillt oder in der Lage, mir genauere Auskünfte zu geben. So jemand muss doch Spuren hinterlassen und aus der Reserve zu locken sein. Wenn niemanden mehr etwas Wichtiges dazu einfällt, würde ich gerne unverzüglich aufbrechen. Möchte mich vielleicht jemand zum Tatort begleiten? Vier Augen sehen mehr." Dabei sah der Magier erst die Novizin und dann den Praiosgeweihten an.
Danach wandte er sich an die Borongeweihte.
"Ich habe euch heute Mittag eine Einladung zum Abendessen zukommen lassen. Wenn alles richtig gelaufen ist, sollte eine Nachricht bei eurem Wirt vorliegen. Vielleicht können wir das zu einem weiteren Erkenntnisaustausch in angenehmere Umgebung nutzen. Ihr könnt gerne vertrauenswürdige Begleitung mitnehmen, wie euch beliebt. Wir haben es jetzt etwa gegen vier Uhr. Sagen wir gegen neun? Nur zur Sicherheit, in welchem Etablissement kann ich euch sonst auffinden, falls die Nachricht euch nicht erreicht hat?"
“Ihr könnt mich hier erreichen”, antwortete die Geweihte, “sollte ich nicht hier in der Kammer sei, so wird Malveda wissen, wo ich zu finden bin. Ich plane aber, der Toten erst einmal nicht von der Seite zu weichen. Wenn Ihr Fragen zu den zurückliegenden Ereignissen habt, dann könnt Ihr Euch an meine Reisegefährtin Frau von Raukenfels wenden. Sie wird diesen Ort nicht verlassen, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen. Und was den Rest betrifft: Ich kann Euch nicht mehr über den Tatort sagen, weil es nicht mehr zu sagen gibt. Es gibt keine Spur. Vielleicht findet Ihr aber noch eine. Eine Magische vielleicht?” Sie hielt einen Moment inne. “Das würde uns weiterhelfen, denke ich zumindest… und zum Abschied: Gebt auf Euch acht! Dort draußen läuft jemand herum, der nicht vor dem Mord an einer Geweihten zurückschreckte. Ihm oder ihr ist also alles - und ich meine das auch genauso - zuzutrauen!”
"Ihr wollt die ganze Nacht in dieser finsteren Kammer... mit Ihr... brrr... naja das wird wohl eure Profession sein. Dann weiß ich nun wenigstens wo ich euch finde und mache mich auf den Weg. "Der Magier verbeugte sich vor jedem in der Kammer und ging dann zum Ausgang. "Und keine Angst. Sollte ich auf den Mörder treffen, quatsche ich ihn einfach Tod". Bei den beiden Hausrittern an der Tür blieb er noch kurz stehe. “Soll ich ihnen noch etwas aus der Küche besorgen. Das wird bestimmt eine lange Nacht.”
Die beiden Hausritter reagierten nicht auf die Anfrage des Magiers und verzogen keine Miene.
Wilbur schaute den Gildenmagier prüfend an. “Nun, dann werde ich Euch wohl begleiten. Vier Augen sehen mehr als zwei und so kann ich mir auch einen Blick verschaffen. Schauen wir, ob wir etwas finden können”. Zu der Geweihten des Stillen Gottes gewandt fügte er hinzu: “Habt Dank, passt auch auf euch auf. Wer weiß, was im Kopfe dieser Person vor sich geht.”
"Sehr gerne. Mir fiel gerade ein, noch kurz die Senneschallin aufzusuchen und sie nach einem Legitimations-Schriftstück, für unsere Ermittlungen zu bitten. Das könnte uns die ein oder andere Tür öffnen. Dazu wollte ich noch eben im Rondratempel einkehren und auch bei eurem Glaubensbruder Silvano vorbeischauen und beiden einen Report über unsere Erkenntnisse geben. Besonders im Rondratempel dürfte man über die Schnitter mehr wissen und für eine Aufklärung dankbar sein. Vielleicht können wir uns da aufteilen, um noch etwas Tageslicht zu haben, wenn wir am Einhorngruß ankommen? Papierkram oder Priester? Wollt ihr den Papierkrams bei der Seneschallin erledigen oder euch mit den Priestern austauschen? Wir treffen uns dann hier im Bergfried?"
“Dann wendet Ihr Euch dem Papierkram zu, ich werde mich in den Tempeln umhören. Wir sehen uns dann hier im Bergfried, so machen wir das”, antwortete Wilbur und machte sich dann auf den Weg, um Erkundigungen in den Tempeln einzuholen. Vielleicht würde er dabei auch dieses Rätsel der Nachricht von der Ucuristatue anschauen können. Ein leises Liedchen pfeifend, machte er sich auf den Weg.
"Möge der Tag uns mit Erkenntnis segnen. Bis gleich". So machte sich der Magier auf zur Senneschallin.
Nurinai seufzte leise und unglaublich erleichtert. Wie schön diese Stille doch war, man konnte seine eigenen Gedanken hören. “Ihr sagt mir, wenn Ihr eine Pause braucht”, wandte sie sich anschließend an die Novizin, “ich weiß wohl, dass man Euch aufgetragen hat, auf Eure Schwester zu achten, aber auch unsereins muss mal essen und sich ein bisschen erholen.”
◅ | In der Totenkammer II |
|
In der Turmkammer I | ▻ |
◅ | In der Totenkammer II |
|
In den Häusern von Greif und Leuin | ▻ |