Geschichten:Der uralte Bund - In der Turmkammer I

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In der obersten Kammer des Bergfrieds der Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF

Während der exzentrische Magier Anaxagoras von Amselhag mit den beiden Geweihten Nurinai ni Rian und Wilbur von Eichstein, sowie der jungen Novizin Malveda von Vierok in der Totenkammer verblieben, um den Leichnam noch einmal gründlich, aber unter Wahrung der Totenruhe, zu untersuchen, strömten die anderen in die langen Gänge des Kellergewölbes. Der Hausritter Ademar von Plitzenberg lief voran, gefolgt von Seneschallin Josline von Eslamsgrund und Fredegard von Hauberauch. Es folgten Yolande von Raukenfels und Salix von Hardenstatt. Die Nachhut, mit einigen Schritten Abstand, bildete der Hausritter Albur von Nordingen. Ziel war die oberste Turmkammer des Bergfriedes.

Während die Gruppe zum höchsten Zimmer des Bergfrieds hinaufstieg, nutzte Salix das Zwielicht der spärlich erleuchteten Gänge, um Yolande wortlos und unauffällig ein zusammengerolltes Stück Papier zu geben. Unten in der Kammer, wo so viele Augen auf ihn hätten ruhen können, war ihm das zu auffällig erschienen. Vor allem wusste er nicht, wem er dort vertrauen konnte und dieses Stück Papier gab Anlass zur Besorgnis, dass Augen etwas sehen könnten, was er diesen nicht hatte zeigen wollen.
Interessiert nahm die Raukenfelserin Stück Papier entgegen, versuchte, es eilig im Gehen zu lesen und sich doch angesichts des Inhaltes nichts anmerken zu lassen. So, dachte die Ritterin da bei sich, interessant ist das schon, doch viel Licht brachte auch dieses Schriftstück nicht in diese ganze vertrackte Angelegenheit. Und darüber hinaus: Wem konnte sie trauen? Oder wem nicht? Nurinai war natürlich über jeden Zweifel erhaben. Auch dem Praios-Geweihten konnte sie sicherlich trauen und Salix von Hardenstatt ganz gewiss auch, aber dem Magier oder gar dieser Altbaronin? Und was war mit der Seneschallin?

Nach schier unzähligen Treppenstufen erreichten die Adligen ihr Ziel: die Turmkammer. Mit einem reich verzierten, gusseisernen Schlüssel öffnete die Seneschallin die mächtige Eichentür und machte eine einladende Handbewegung. „Mag die Pfalz dieser Tage auch zum Bersten gefüllt sein, diese gute Stube halte ich stets bereit für unerwartete Gäste mit noch unerwarteteren Anliegen.“
An der noch zaghaft Wärme abstrahlenden Glut im Kamin dämmerte es den Hereinkommenden, das diese Turmkammer in den letzten Tagen wohl öfters genutzt wurde. Die Räumlichkeit füllte das gesamte oberste Stockwerk des Bergfriedes aus. Darüber befand sich nur noch die Aussichtsplattform, die über die steinerne Treppe erreicht werden konnte, die die Herrschaften heraufgestiegen waren. Am prägnantesten war der große Kamin, den die beiden emsigen Hausritter auch sogleich wieder befeuerten, bevor sie sich vor der Turmkammer postierten. Im Zentrum stand ein großer Tisch, um den mehrere ausladende Stühle standen. Die Wände waren mit Kastanienholz vertäfelt und schimmerten Rotbraun. Mehrere kleine Fenster gaben einen atemberaubend weiten Blick über die Pfalz, den Markt und die Umgebung frei.
Die Seneschallin nahm an der Stirnseite des Tisches nahe dem Kamin Platz und deutete ihren Gästen, ihr dies gleichzutun.

Salix bestaunte kurz das hübsch eingerichtete Zimmer, ging dann zu dem Stuhl linkerhand der Seneschallin und nahm dort Platz. Innerlich war er froh ob der Stille, die, durch das Fehlen des Magiers, eingetreten war. Bei dessen Geplapper war es schwer gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen. Mit ernster Miene ließ er seinen Blick über die Anwesenden schweifen.
Fredegard warf einen kurzen Blick aus einem der Fenster und genoss für einen kurzen Moment die sich ihr bietende herrliche Aussicht. Dann nahm die Adlige rechterhand der Herrin der Burg Platz und genoss etwas weitaus Angenehmeres: Die Ruhe, die sich ihr nun ohne diesen gleichermaßen redseligen wie nichtssagenden Magier bot.
Die Ritterin setzte sich neben Salix. Eigentlich wäre sie auch gerne stehen geblieben, aber die Höflichkeit gebot es nun mal sich zu setzen.

Nachdem sich alle an dem Tisch niedergelassen hatten, musterte die Seneschallin die Anwesenden und legte dann ihren Kopf leicht schief.
„Was hat es mit diesen Fuchsstatuen auf sich, die hier auf meiner Pfalz und unten in Randersburg aufgestellt wurden?“
“Mir ist dies zumindest nicht bekannt”, stellte Yolande von Raukenfels klar, wollte aber dann sogleich wissen: “Wo sind sie denn überall aufgetaucht? Und was ist es, das Ihr darüber wisst?”
“Nun, ich besuche täglich die heilige Halle des Götterfürsten, um mit Bruder Silvano zu beten. Als ich vor einigen Tagen auf dem Weg zum Tempel war, fand ich vor dem Portal eine kleine Fuchsstatue. Ich habe das für einen phexischen Streich der Graulinge aus der Rakulls-Sakrale gehalten und befohlen, diese Statue dem Phex-Tempel zu übergeben.” Die Seneschallin kniff ihre Augen zusammen. “Wie mir scheint, war das nicht die einzige Fuchsstatue, die aufgefunden wurde.”
Nun nickte die Ritterin: “Ihro Gnaden Rían hat auch eine erhalten. Sie wurde auf ihrem Platz im Gasthaus ‘Zum goldenen Stiefel des Kaisers’ deponiert. Wer sie dort abgestellt hat, ist ungewiss. Wir haben in der Rakulls-Sakrale nachgefragt, aber dort schien man davon nichts zu wissen. Der kleinen Statue fehlte der Schweif… Ich nehme an, dass auch jene, die Ihr fandet beschädigt war?”
Der perricumer Adlige fuhr sich über das Kinn und nickte zustimmend. Abwechselnd zur Seneschallin und zur Altbaronin blickend erklärte er, “Diese kleinen Statuen standen wohl im Zentrum der Aufmerksamkeit von ihrer Gnaden Pilperquell”. Salix stockte kurz, richtete sich dann jedoch vollends an Fredegard, “Eure Hochgeboren, Ihr spracht vorhin von einer Gemeinschaft der Schnitter? Götzendiener des Tairach aus Weiden sagtet ihr?”, Salix legte die Stirn in Falten, “die Brutalität scheint deckungsgleich, doch was könnten diese mit verstümmelten Fuchsstatuen zu tun haben?”
“Ich weiß es nicht.”, antwortete die einstige Baronsgemahlin beinahe lakonisch. “Aber man sollte man sich auch die umgekehrte Frage stellen, wie diese Statuetten ins Bild passen.” Seit vorhin die Sprache auf nämliche gekommen war, hatte Fredegard überlegt, ob und was sie darüber preisgeben sollte. Letztlich entschloss sie sich zur Flucht nach vorn, garniert mit ein paar Spekulationen zur Vernebelung: Zum einen, um sich nicht selbst angreifbar zu machen, zum anderen, da die Adlige wenig Neigung dazu verspürte, das aus ihrer Sicht dahintersteckende dilettantische Vorgehen zu decken.
“Warum sollten sich der oder die Mörder neben der an den Tag gelegten Grausamkeit auch noch die Mühe machen, an allen möglichen Orten irgendwelche Skulpturen aufzustellen oder zu hinterlassen? Vielleicht haben sie und diese schreckliche Bluttat auch gar nichts miteinander zu tun? Übrigens habe ich vor einigen Tagen am Aufstieg zum Bergfried auch so ein seltsames Ding gefunden, ebenfalls beschädigt. Bei diesem fehlte das rechte Auge. Da ich mit der Figur bis dato nichts anzufangen wusste, hatte ich sie an mich genommen und auf mein Zimmer gebracht. Ich denke ebenfalls nicht, dass diese Statuetten mit der Kirche des Listigen in Verbindung stehen oder gar diesem geweiht sind. Warum sollten seine Diener offensichtlich nur beschädigte Exemplare verwenden? Was bezweckt man mit ihnen? Sonderlich subtil - und damit phexgefällig - wirkte deren Auftauchen jedenfalls nicht.” Nach einer kurzen Pause schloss Fredegard mit der nüchternen Feststellung: “Ich fürchte, wir haben momentan weit mehr Fragen als Antworten.”

Yolande seufzte leise: “In der Tat. So sieht es im Moment wohl aus.”
Salix nickte langsam, nur um dann recht abrupt den Kopf zu schütteln, “ich pflichte Euch bei, Euer Hochgeboren. Nach einer Tat des Listenreichen sieht die Sache mit den Statuen nicht aus”. Er wog den Kopf hin und her, fast so, als würde er im Geiste seine Gedanken abwägen. “Die Verstümmelungen der Fuchsstatuen deuten eher auf die Tat einer Gruppierung hin die… nun ja, dem Namenlosen huldigt”. Salix pausierte kurz, räusperte sich und fuhr fort, “Soweit bekannt, hat Ihre Gnaden schon seit geraumer Zeit in der Sache der verstümmelten Statuen geforscht”, schloss der junge Adlige.

Die Seneschallin tippte nachdenklich mit den Fingern ihrer rechten Hand auf den Tisch. “Wir haben es hier also mit einer grausam ermordeten Geweihten der Hesinde zu tun, die sich mit mutmaßlich vorsätzlich beschädigten Fuchsstatuen beschäftigt hat, die wiederum nichts mit der Phex-Kirche zu tun zu haben scheinen, sondern wegen der Verstümmelungen eher einem Zirkel des Namenlosen zuzuordnen sein könnten. Diesem Zirkel, obschon er ein Motiv für eine … Beseitigung der Geweihten hätte, wird jedoch nicht der Mord zugeordnet, sondern aufgrund der Art und Weise eher einer götzenverehrenden Gruppierung aus Greifenfurt. Wie es also scheint, haben wir es hier mit mindestens zwei Verschwörerbanden zu tun. Habe ich die Sachlage richtig erfasst?”
“Ich denke schon.”, erwiderte Fredegard knapp. “Die Frage ist nur: Haben wir irgendwelche konkreten Ansatzpunkte, um zumindest einer dieser Verschwörungen auf den Grund gehen zu können? Noch dazu, ohne dabei größeres Aufsehen zu erregen? Ansonsten, so meine Befürchtung, dürften all unsere Bemühungen, praiosgefälliges Licht in diese Angelegenheit zu bringen, nur schwerlich Erfolge zeitigen. Viel Zeit hierfür bliebe uns vermutlich auch nicht mehr, wenn man davon ausgeht, dass die Verschwörer - welcher Provenienz auch immer sie sein mögen - ihr verbrecherisches Tun bis zum Ende der Feierlichkeiten abzuschließen gedenken.”
“Ich gebe Euch vollkommen recht, meine gute Fredegard, wir müssen schnell handeln!” Die Seneschallin nickte der Perricumer Adligen zu. “Was wissen wir über die Verschwörer, also die handelnden Personen?”

Ein Klopfen an der Tür ließ die Anwesenden aufhorchen und die Frage der Seneschallin unbeantwortet.


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