Geschichten:Des Drachen Hort - Stein und Sturz
Dramatis personae:
Herrschaft Dunkelforst (Junkertum Altenbeek), 29. Boron 1036 BF
„[…] und mit einem gewaltigen Getöse wurden Rakull von Nebachot, der Drache und dessen Schatz unter dem Gestein begraben und liegen bis heute dort verborgen, […]“
Aus der Legende des Rakull von Nebachot
Mit festen Schritten stieg er den Hang hoch. Mittlerweile kannte Ogdan die vereinzelten steinigen Hänge mit dem widerstandfähigen Gestrüpp gut, dass die Rakulahöhen an dieser Stelle beherrschte. Tag für Tag zog er dort seine Runden und immer näher an den düsteren Wald heran, der schon am ersten Tag seine Neugierde geweckt hatte, doch noch hielt ihn etwas tief in seinem Innern davon ab, den Wald auch zu betreten. Eine tiefe, bisher unbekannte Furcht überkam ihn, je näher er sich heranwagte. Etwa hundert Schritt vom Wald entfernt setzte er sich auf einen großen Stein, zog ein Stück getrocknetes Fleisch hervor und begann darauf herum zu kauen. Als sein Herr das Erbe hier in Altenbeek antrat, war Ogdan noch tagsüber umher gezogen, doch es hatte sich schnell herausgestellt, dass die Bewohner ein großes Problem mit Orks hatten und ein ähnlich großes mit halben Orks. Dass in ihm auch zur Hälfte ein Mensch steckte, vergaßen die Leute schnell und es interessierte sie auch nicht. Sein Herr versicherte ihm zwar, dass er unter seinem Schutz stand, doch in seinem Blick hatte er die Bitte lesen können nicht mehr tagsüber umher zu ziehen. Also zog Ogdan nun die Nacht vor. Keine argwöhnischen Blicke mehr.
Plötzlich ein lautes Rascheln von weiter hinter ihm.
„Elender Schwarzpelz-Bastard!“
Bevor sich Ogdan umdrehen konnte, traf ihn schon etwas hartes, schweres am Hinterkopf. Schmerz durchfuhr ihn. Als er sich an die Stelle am Kopf fasste spürte er, wie warmes Blut sein Haar verklebte. Er sprang auf und mit blankem Stahl in der Hand folgte er dem Flüchtenden. Dieser rannte den Hang hinauf, wie es Ogdan niemals für möglich gehalten hätte. Er kennt die Gegend besser als ich, musste er sich eingestehen, als er erschreckend unbeholfen dem Mann durch die Nacht folgte. Als der Verfolgte die Kuppe erreicht zu haben schien, hörte Ogdan einen überraschten Aufschrei, das Rumpeln fallender Steine und einen dumpfen Aufschlag. Ogdan näherte sich langsam der Stelle. Im Mondlicht zu sehen war ein Loch. Er kam ein Stück näher. Schmerzvolles Klagen erreichte ihn von unten. Die Erde schien unter seinem Angreifer eingebrochen zu sein.
„Alles in Ordnung?“, fragte Ogdan vorsichtig.
„Nein…ich habe mir die Schulter ausgekugelt…“, kam die Antwort von unten. Ogdan nahm sein Seil, das er am Gürtel befestigt hatte und warf es hinunter. Es schien etwa drei Schritt hinab zu gehen. Der Mann griff und wickelte es sich um seinen belastbaren Arm. Als Ogdan ihn hinaufgezogen hatte, konnte er kurz das Gesicht des Mannes sehen, der ihm kurz dankend zunickte. Einen kurzen Augenblick schauten sich die beiden Männer in die Augen.
„Dort ist er! Und auch diese Missgeburt!“ Ogdan hörte Steine neben sich aufschlagen und die Schritte von einigen Personen. Er blickte nach unten. Eine Hand voll Männer stürmten den Hang hinauf. Ogdan sah noch einmal zum Mann der ihn angegriffen hatte und den er anschließend gerettet hatte. Er würdigte ihn keines Blickes und Ogdan verschwand in der Dunkelheit.
Noch in der Nacht des Angriffs kehrte Ogdan an den Ort des Angriffs zurück. Das Loch hatte sein Interesse geweckt – allerdings nicht nur seins. Auch die Männer standen noch dort. Nach einem kurzen Moment des Schrecks fiel ihm auf, dass sie ihn nicht sehen konnten, er jedoch hörte jedes Wort, das sie sagten.
„Und du sagst das Wasser da unten war salzig?“
„Werds mir wohl nit ausgedacht ham.“
„Ja aber warum is des salzig?
„Der hat recht“, kam es aus dem Loch, „Des is salzig. Gb ma die Laterne runter.“ De Gruppe männer am Loch wurde nun nur noch vom Licht der Fackeln erhellt, während die Laterne am Seil nach unten gegeben wurde.
„Schaut komisch aus der Stein hier unten. So glatt. Der is auch salzig.“
„Hoscht du am Stein geleckt?“
„Jo. Der is salzig. Und hier geht es noch weiter. Wie so ein Tunn...“ Was weiter gesagt wurde konnte Ogdan nicht mehr hören. Scheinbar schien der Mann den beschriebenen Tunnel entlang zu gehen.
Er überlegte was das wohl zu bedeuten hatte. Er hatte noch nie von salzigem Stein gehört, aber es schien ihm wichtig genug um seinem Herrn davon zu berichten. Noch in derselben Nacht trat er die Heimreise an.