Geschichten:Des Greifen Tatzen - Baum fällt
Boron 1044 BF, am Südufer der Natter bei Ennetbrück.
"Baauuum fääälllt!" halten die Rufe vom Oberhartwald, von dem bereits nach so kurzer Zeit ein Fläche in der Größe des Garether Hippodroms gerodet worden war. Die Fachleute vom perricumer Bombardenregiment hier arbeiteten Hand in Hand mit den aus Gareth angereisten Maulwürfen, die sich auf der anderen Seite der Natter analog über den Rabensbrücker Stadtforst hermachten.
Flussschiffe waren quer zu den Strömungen in der Natter vertäut als eine Behelfsbrücke zwischen beiden Seiten und ein großer Trupp einfacher Soldaten war bereits auf der Nordseite angekommen und baute schon an den Palisaden für das Nordlager, welches ein Spiegel des Südlagers sein würde, das seit ein paar Tagen fertig gestellt war.
Vom hölzernen Aussichtsturm konnte Alya Rutaris das Ergebnis ihrer Ingenieurskunst überblicken. An beiden Ufer begannen die Handwerker bereits, die angespitzten Stämme schräg gegen die Strömung in den Schlamm der Natter zu rammen, keine 10 Meilen flussaufwärts der Fundamente alten und wiederum keine 10 Meilen flussabwärts der Reste neuen Rabenbrücke, die ab nun die "mittlere Rabenbrücke" hieß.
Im Gegensatz zu den Dilletanten aus Schlund und Hartsteen plante Rutaris diesmal eine neue Rabenbrücke, die den Namen auch verdiente. Bis zum Wintereinbruch habe die Brücke zu stehen, hatte ihr die Marschallin persönlich aufgetragen und ihr dazu komplett freie Hand gegeben.
Der Kopf ihres Schreibers, Elidio Falswegen, schaute die Leiter hinauf: "Meisterin, die Vögtin von Ennetbrück ist schon wieder hier und diesmal hat sie zur Verstärkung ihren Lehnsherr, den Junker von Desmetal mitgebracht."
"Wohlgeboren von Desmerkuppe, Wohlgeborene zu Ennetbrück, ich kann Ihren Ärger durchaus nachvollziehen", versuchte Rutaris das erhitzte Gespräch zu beruhigen, "was der Leutnant deutlich machen möchte ist, dass wir hier nur die Befehle ihrer Exzellenz Marschallin Veriya von Gareth ausführen, die wiederum als Schwert- und Schildarm unserer Kaiserin und Königin fungiert. Ich verstehe durchaus, dass Euch der Oberhartwald samt Wild, Frucht und Holz zum Lehen gegeben wurden, aber Ihre Majestät hat heuer selber Bedarf an dessen Ressourcen."
Alya lehnte sich triumphierend zurück: "Die wohlgeborenen Herrschaften dürfen gerne Klage zu Meilersgrund oder gar am Reichsgericht anstreben, aber vorerst sind Land und Holz vom Militär requiriert worden."
Der Junker holte rasselnd Luft, aber die Ingenieurin hieß in mit erhobener Hand zu stoppen: "Nein, Wohlgeboren, lassen sie mich noch eine Kleinigkeit deutlich machen, bevor Ihr Euren Gedanken ausführt. Projekte dieser Größenordnung haben drei variable Größen."
Zum Unterstreichen Ihrer Aufzählung streckte sie den Daumen in die Höhe, "Erstens: Wieviel müssen wir bauen? Weder Ihr noch ich wollen ihrer Exzellenz oder gar ihrer Majestät die Pläne zusammenstreichen, oder?"
"Zweitens: Wann sollen wir fertig werden? Solange Ihr dem Herrn Firun nicht Einhalt gebieten könnt, ist auch hier keine Verhandlung möglich", der Zeigefinger folgte dabei und wedelte bedrohlich nah am Gesicht des Junkers, bevor sich auch der Mittelfinger zu den beiden gesellte.
"Und Drittens: Über wie viele Arbeiter und Material können wir verfügen? Wenn Ihr mich und die meinen also mit Euren Befindlichkeiten weiter von der Kaiserin Arbeit abhalten wollt, dann könnte es notwendig sein, über die Kontributionen zur Ernährung der Truppen hinaus auch noch weitgehende Frondienste von den Euren zu verlangen. Haben wir uns verstanden?"
Alya Rutaris genoss noch das rasselnde Ausatmen des Desmetalers, dem keine Replik zu folgen schien, "Gut, dann sind wir uns ja einig. Weibel, führen sie die Zivilisten von der Baustelle."