Geschichten:Des Vaters Sohn - Entscheidung
Kapitel 6 – Entscheidung
Am Morgen des 7. Efferd 1036 BF, Baronie Hirschfurten: Burg Trollhammer
Verschlafen und ein wenig benommen öffnete Theomar die Augen. Irgendein Geräusch hatte ihn aufgeweckt. Wo war er? Richtig, immer noch auf dieser verdammten Burg. Drei ganze Tage wartete er schon auf eine Entscheidung oder irgendeine Auskunft seines „Vaters“.
Warum war es denn schon so hell, hatte er etwa so lange geschlafen? Mit zusammengekniffenen Augen lies er seinen Blick durch den Raum schweifen. Just in diesem Moment klopfte es an der Tür und das laute Geräusch lies Theomar die beiden leeren Weinflaschen auf seinem Nachttisch bereuen, die er letzten Abend getrunken hatte um besser einschlafen zu können.
Schwerfällig richtete er sich auf, strich sich die lockigen Haare aus dem Gesicht und sagte mit leicht heiserer Stimme: „Herein.“ Ein in den Farben der Hirschfurtens gekleideter Diener öffnete die Tür und Trat ein. „Mein Herr, seine Hochgeboren erwartet Euch in einer Stunde.“ Und mit einer knappen Verbeugung verschwand er auch schon wieder zur Tür hinaus.
Nur im Lendenschurz saß Theomar auf der Bettkante und sein Schädel brummte. Drei Tage lässt er mich warten und ausgerechnet heute, lädt er mich vor.
Seufzend stand er auf und schlurfte, sich die Schläfen reibend, zu der kleinen Kommode am Fußende seines Bettes. Das Wasser in der Waschschüssel war angenehm kühl und nach einigen schlucken aus dem Krug daneben, fühlte sich Theomar schon ein wenig klarer im Kopf, obwohl dieser unangenehm schmerzte. Aber in einer Stunde werden diese Kopfschmerzen schon verschwunden sein.
Eine Stunde später:
Die Kopfschmerzen waren nicht besser geworden, im Gegenteil: Bei jedem Schritt den er in Richtung Audienzsaal tat verspürte er einen stechenden Schmerz und das „tock-tock“ der genagelten Sohlen einer patrouillierenden Wache auf dem Wehrgang machte ihn fasst Wahnsinnig. Als er in den Flur vor dem Audienzsaal einbog sah er dort abgesehen von den beiden Wachen, welche die Eingangstür jeweils rechts und links flankierten noch einen anderen Jungen Mann stehen, nicht viel jünger als er selbst.
Die Kleidung des gutaussehenden und hochgewachsenen Mannes war schlicht, dafür aber sauber und gut in Schuss. Und die freundlichen haselnussbraunen Augen, die unter seinen rotblonden Locken hervorlugten ließen ihn sympathisch wirken.
„Seid gegrüßt, Herr“, sagte der junge Mann als er den Ritter bemerkte.
„Ihr ebenfalls, wartet ihr auch hier auf seine Hochwürden?“, fragte Theomar während er ein letztes mal sein Kleidung glattstrich und einem prüfenden Blick unterwarf.
„Ja Herr, schon seit einigen Tagen, doch heute erhoffe ich endlich eine Entscheidung.“, antwortete mit zuversichtlichem Ton in der Stimme. „Mit wem habe ich die Ehre, wenn ich fragen darf?“, fragte er nach.
„Das wird sich heute zeigen.“, beantwortete Theomar die Frage verheißungsvoller als er es beabsichtigt hatte, doch sein Kopf schmerzte immer noch ganz schön. Er lies den fragenden Blick seines Gegenübers unbeantwortet und in diesem Moment öffnete sich die Flügeltür und die kleine, dicke und hinkende Gestalt Ingalf von Bieninger erschien. Der Herold hatte knallrote Wangen und ihm standen die Schweißperlen auf der Stirn. Der Kragen seines Hemdes war offensichtlich um einiges zu Eng für Ingalfs fetten Hals. „Meine Herrschaften.“, keuchte er, während er sich die Stirn mit einem Lappen abwischte. „Herr Theomar und Herr Langmann, Seine Hochwürden ist jetzt bereit euch zu Empfangen. Wenn Ihr beide mir bitte folgen würdet.“ Wieso wir beide? Theomar war verunsichert, während er und dieser Langmann Ingalf in den Audienzsaal folgten. Der Baron stand an der Seite des langen Raums und schaute aus dem Fenster als sie eintraten.
„Seine Hochwürden, Baron Nimm... „, wollte Ingalf gerade ansetzen, als Nimmgalf ihn unterbrach:
„Lass gut sein, Ingalf. Die beiden wissen, wer ich bin, und ich weiß, wer sie sind.“ Nach dem er seinem Herold einen genervten Blick zugeworfen hatte, der diesen ein wenig beschämt zu Boden blicken lies fuhr er fort:
„Ihr beide wundert euch sicher wieso ihr gleichzeitig aufgerufen wurdet, wo doch jeder von euch Antwort in einigen wichtigen Fragen erwartet. Doch seit unbesorgt, euer beider Anliegen wurden von mir nicht leichtfertig abgetan und in den letzten Tagen sorgfältig durchdacht. Und so kann ich, denke ich guten Gewissens sagen, zu einem Schluss gekommen zu sein, der für alle beteiligten Vorteile birgt. Zuerst zu Euch Ernhelm, ich erkenne Euren Vater Gerrik Langmann als Sohn des Hagen von Klingenhort an. Er und somit natürlich auch Ihr und Eure restliche Familie tragen von jetzt an den ehrenvollen Namen „von Klingenhort“.“ Theomar konnte die Erleichterung auf Ernhelms Gesicht sehen. Was um alles in der Welt hat das mit mir zu tun? „Der Forderung nach der Herrschaft über Bornhelm kann ich allerdings bei bestem Willen nicht nachkommen.“, fuhr der Baron fort.
„Euer Hochgeboren, ich danke euch vielmals, Herr, das ist überaus freundlich von euch. Ich bin mir sicher, mein Vater wird trotzdem mehr als Zufrieden sein“, sagte dieser mit freudig erregter Stimme.
„Und jetzt zu Dir, Ritter Theomar.“ Ritter Theomar, nicht Sohn ... Die ersten Worte seines Vaters riefen Enttäuschung in ihm hervor. „Jetzt, wo ich dich erneut vor mir sehe, erkenne ich viel von mir selbst wieder, als ich in deinem Alter war. Theomar, ich kann dich als mein Fleisch und Blut nicht verleugnen, aber du musst verstehen, dass ich dich auch nicht einfach offiziell als meinen Sohn anerkennen kann. Es geht um viel mehr als die Tatsache dich Sohn zu nennen.“ Theomar stand die Enttäuschung offenbar ins Gesicht geschrieben, denn Nimmgalf fuhr fort: „Warte ab, bis ich zu Ende gesprochen habe, und wir werden sehen, ob diese Audienz so enttäuschend für dich sein wird, wie du es jetzt vielleicht denkst.“
„Ja Va..., ich meine Herr. Natürlich.“, murmelte Theomar.
„Ich kenne dich nicht. Seit über zwanzig Jahren habe ich einen Sohn, den ich erst vor drei Tagen durch eine Fügung des Schicksals das erste mal sah. Du bist als der Sohn eines anderen aufgewachsen. Diese Schranken sind nicht leicht zu überwinden, verstehst du?“, fragte der Baron mit ruhiger und beschwichtigender Stimme.
„Ja.“ Theomar musste stark schlucken. „Ihr wisst nicht, was für ein Mann ich in all den Jahren geworden bin, in denen ihr mich nicht kanntet.“
„Richtig, daher beabsichtige ich, das bald genug herauszufinden: Ritter Theomar von Baerwacht, was würdet Ihr davon halten mein neuer Ritter zu Bornhelm zu werden? Es ist gewiss nur eine kleine Herrschaft, aber es gibt dir die Möglichkeit deine Treue und dein Geschick unter Beweis zu stellen und mir gibt es die Möglichkeit ein wachendes Auge auf dich zu haben.“ Nimmgalfs Worte fluteten nur so über ihn hinweg. Eine eigene Herrschaft, hier in Hirschfurten ... Das wäre großartig! Es dauerte eine Zeit bis Theomar die Worte wieder fand: „Gerne will ich mich dieser Herausforderung stellen, wenn es dazu beitragen mag, dass ich Euch von meiner Aufrichtigkeit und Treue überzeugen kann.“
„Nun denn also, sei es Beschlossen, Theomar von Baerwacht, Ihr werdet Ritter zu Bornhelm werden, und Ihr Ernhelm,“, und er wandte sich diesem wieder zu. „werdet sein Lehnsmann sein, ebenso wie Euer Vater und der Rest eurer Familie. Ich erwarte ebensolche Treue, wie ihr sie Hagen von Klingenhort habt zuteilwerden lassen. Ernhelm, Ihr werdet Theomar in seine neue Heimat begleiten und ihn mit Land und Leuten vertraut machen. Am Besten ihr brecht noch heute auf, Bornhelm hat schon ein paar Tage keinen Herrn mehr.“
„Jawohl Herr.“, antwortete Ernhelm.
„Ja, Vater.“, antwortete Theomar.
Ritter zu Bornhelm. Sein Schädel brummte immer noch ein wenig während die beiden schweigend den Saal verließen, aber es machte ihm nichts mehr aus, denn er war Theomar von Bärwacht, Ritter zu Bornhlem und Sohn des Nimmgalf von Hirschfurten.