Geschichten:Die Ein-Jahres-Fehde - Kapitel 5: Durchmarsch bei Syrrenholt?
Auf Burg Zankenblatt
Baron Eboreus von Zankenblatt zu Syrrenholt saß auf seinem Thron und blickte ungläubig auf den Hauptmann seiner Garde herab.
"Hunderte sagst du?", fragte er nochmals. "Hunderte von Soldaten marschieren den Weg von Norden herunter?"
"Ja, Euer Hochgeboren. Und sie tragen das Banner des Ersten Ritters", sagte der Hauptmann unterwürfig.
"Des ersten Ritters? Was will der Keres in unserer Baronie?", fragte Rondira von Scharfenstein, eine Hausritterin, empört. "Seit fast ein Jahr plündert er nun schon die Güter unseres Nachbarn in der Eslamsmark. Will er sich jetzt auch an unseren Gütern vergreifen?"
"Sie haben einen Abgesandten geschickt", ergänzte der Majordomus die Ausführungen des Hauptmanns, der neben ihm stand. "Er wartet bereits auf eine Audienz."
"Und das sagt ihr mir erst jetzt? Laßt ihn rein, aber flott!"
Sofort gab der Majordomus einen Wink an die Pagen, die auch sogleich die Flügeltüren öffneten.
Dahinter wartete ein Mann um die vierzig, in edlen Gewändern und bar jeder Waffe. Eboreus erkannte ihn als Rondreds Sohn, den kaiserlichen Bannerträger. Neben ihm stand ein Mann mit kantigem und glattrasiertem Gesicht, der Magierroben und einen weinroten Spitzhut trug. Diesen kannte er nicht. Beide traten nun vor Eboreus' Thron und verneigten sich.
"Den Zwölfen zum Gruß, Euer Hochgeboren", sagte der edel Gewandete. "Mein Name ist Sighelm von Keres, des Ersten Ritters Sohn."
"Wir wissen wer Ihr seid, von Keres", sagte Eboreus und ließ ein wenig Schärfe in seiner Stimme erklingen. "Was mich aber mehr interessiert ist der Grund für Euer Kommen? Und wie erklärt Ihr das Eindringen Eurer Soldaten in mein Land?"
"Den Grund für mein Kommen will ich Euch gerne sagen, Euer Hochgeboren", antwortete der Angesprochene höflich. "Ich will Euch mitteilen, daß eben jene Soldaten sich nur auf der Durchreise befinden und keine Kampfhandlungen gegen Euch oder Euren Untertanen geplant sind."
"Ach ja?", meldete sich die Ritterin wieder zu Wort. "Ihr wollt also die Stammlande der Hirschfurtens überfallen. Und wer garantiert uns, daß Ihr Euch nicht doch noch dazu entschließt unsere Güter ebenso zu überfallen? Glaubt Ihr etwa, daß seine Hochgeboren Euch so einfach durch seine Ländereien marschieren lassen kann?"
"So ganz unrecht hat meine getreue Ritterin nicht", fuhr nun Eboreus fort. "Wenn ich Euch hier durchlasse, könnte man es so auffassen, daß ich mich bei Eurer Fehde beteilige. Was wäre, wenn ich Euch das nicht erlaube?" Nicht daß ich dazu in der Lage wäre hunderte von Soldaten aufzuhalten, dachte er bei sich.
Nun", meinte Sighelm und klang tatsächlich bedauernd, "dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als ohne Eure Erlaubnis weiter zu marschieren." 'Ja, auch ihm ist das bewußt, daß ich nichts dagegen ausrichten könnte.' "Aber seid versichert, wenn Ihr uns durch laßt, wird man Euch wohl kaum Vorwürfe machen können: Ihr habt nicht einmal eine halbe Hundertschaft unter Sold. Eure Nachbarn werden kaum von Euch erwarten, daß Ihr Euch uns entgegen stellt." Anschließend ließ Keres den Blick kurz zur Ritterin wandern. "Und Ihr habt mein Wort darauf, daß keine Güter dieser Baronie überfallen werden."
"Das Wort eines Plünderers", meinte Rondira und hielt ihre Verachtung dem Keres gegenüber nicht zurück. "Bedenkt Hochgeboren", wandte sie sich an Ebeoreus, "sie plündern und brandschatzen schon fast ein Jahr Güter in der Eslamsmark."
"Herr von Keres", sagte Eboreus mit fester Stimme. "Euch ist klar, daß unser Haus mit dem der Hirschfurtens in enger Freundschaft steht? Mein Vater, Boron habe ihn selig, stammt aus jenem Hause. Zur Hälfte bin also auch ich ein Hirschfurten."
"Ich bin sicher, daß wir uns einigen werden können. Ich kann dreihundert Söldner und mehrere Waffentreue anbieten", sagte Keres mit emotionsloser Stimme.
"Droht Ihr etwa Seine Hochgeboren?!" Rondira hatte bereits die Hand am Schwertgriff und der Magier, der mit Keres hierher kam, beobachtete sie mißtrauisch.
"Mir käme es nie in den Sinn zu drohen", wandte sich Keres an die Ritterin. "Ich stelle lediglich einige Tatsachen fest."
"Herr von Keres", sprach Eboreus schließlich, "ich schlage vor, wir ziehen uns in den kleinen Salon zurück. Dort können wir in Ruhe weiter sprechen."
Sighelm neigte lediglich leicht den Kopf um diesem Vorschlag zuzustimmen.
Dort angekommen schickte Eboreus alle, bis auf seinen Hauptmann und die beiden Gäste, hinaus. Rondira war darüber nicht sehr erfreut, wie man in ihrem Gesicht ablesen konnte, aber sie folgte der Anweisung des Barons.
"Ihr müßt diese Farce im Thronsaal entschuldigen, von Keres", begann Eboreus, als sie dann schließlich alleine waren. "Aber ich mußte ja den Anschein wahren."
"Natürlich", meinte Keres trocken und blickte den Haupmtann an.
Der Baron bemerkte den Blick. "Hauptmann Eckbert genießt mein uneingeschränktes Vertrauen. Alles was wir hier besprechen, wird diesen Raum nicht verlassen." Keres nickte. "Eure Truppen können selbstverständlich ungehindert durchziehen", fuhr Eboreus fort. "Und wenn Ihr mir bei einem kleinen Problem helft, kann ich Euch sagen, wo sich Brandulf zur Zeit aufhält. Und auch Eure Tochter."
Sighelm horchte auf. "Und um welches Problem handelt es sich?"
"Das Haus Hirschfurten hat viele Fürsprecher an meinem Hofe. Nicht nur Rondira, die Ihr ja bereits kennen gelernt habt. Sie war einst Knappin meines Vaters und somit steht sie treu zu den Hirschfurtens, müßt Ihr wissen. Auch mein Majordomus ist ein Zuträger und arbeitet insgeheim für Brandulf."
"Ich verstehe", sagte Sighelm und rieb sich nachdenklich das Kinn.
"Ich möchte meine Herrschaft endgültig besiegeln", fuhr Eboreus fort, und nicht mehr von Brandulf abhängig sein. Aber ohne gewichtigen Grund kann ich meinen Majordomus und meine Ritterin nicht entlassen. Diese beiden sind meine größten Widersacher. Und hier benötige ich Eure Hilfe."
"Wenn Ihr erlaubt", meldete sich der Magier das erste mal zu Wort. "Ich hätte eine Idee, wie wir das Problem lösen können."
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