Geschichten:Die Falle einer Ratte - Basilisk und Mantikor
Feste Osenbrück, direkt im Anschluß an die Auseinandersetzung zwischen Hilbert und Malepartus
Die Nacht war bereits seit einiger Zeit hereingebrochen. Überall brannten Lagerfeuer zwischen den Zelten der Pulethaner und ihren Mannen vor Burg Osenbrück. Die Stimmung der Soldaten, Krieger und Ritter war recht gut. Zwar herrschte kein Gelage, dafür war die Lage noch zu ernst, doch hatten sie alle das Gefühl heute als Sieger die Pfortenritter und deren Handlanger vor Osenbrück vertrieben zu haben.
Ein Mann stand, mit hinter dem Rücken verschränkten Armen - am Rande eines der südländischen Zelte und beobachtete stumm das Treiben im Lager. Eslam von Brendiltal war nach nebachotischer Art gekleidet, trug seinen Ringelpanzer unter dem kostbaren Überwams uns seinen schweren Reitersäbel an der Seite. Stolz und Kraft bestimmte seine Körperhaltung. Erfahrungen sprach aus seinen Augen. Doch Satinavs Spuren waren auch nicht an ihm vorüber gegangen. Er, der schon als Knabe beim ersten Maraskanfeldzug dabei gewesen war, denn der sauber gestutzte Bart und die schwarzen Haare waren langsam mit grauen Härchen durchzogen.
Leise trat ein zweiter Mann hinzu und stellte sich schweigend neben Eslam. Yendor, der Baron von Gallstein. Auch er war noch gewandet, als würde es einen jeden Augenblick darum gehen in die Schlacht zu ziehen. Kette und Platte ergänzten sich und gaben die typischen Geräusche von sich, wenn er sich bewegte. Schwarz und Grün, in edle Stoffe gebannt, dies waren seine Farben, die Farben seiner Baronie. Sie passten sich ein in die Dunkelheit, welche sich hier am Zelt hielt, da die Feuer ihren Schein nicht so weit in die Nacht hinaus trugen,
Eine ganze Zeitlang standen die beiden Barone still da und folgten dem Treiben im Lager, bevor Yendor die Stille durchbrach und sich an seinen Freund wand.
„So still? Der Ausgang ist nicht nach Deinem Geschmack?“
Eslam atmete tief ein, so als zog er nochmal den Augenblick der Stille ein, bevor er sich nun zu Yendor drehte. „Zufriedän?“ Eslam zuckte mit den Achseln. „Doch, Ziel war äs Malepartus zu befraien und das ist uns gelungän. Abär verstehen? Nain, verstehen kann ich nicht, wieso Du die faige Ratte von Hartstän hast laufen und unsäre Mannen zurück gehalten hast.“
Yendor zog bei dieser Frage eine Augenbraue hoch und lächelte und wahrscheinlich war Elsam einer der wenigen Menschen, die solch eine Reaktion des Gallsteiners sahen und die tatsächlich herzlich und nicht bösartig genannt werden durfte. „Warum ihn jetzt töten? Rache, mein Freund, ist etwas, das man langsam genießen muss. Wenn wir die Wölfe von diesem uslenrieder Fähnchen im Winde niedergemacht und Hilbert gefangen genommen oder gar getötet hätten, wo wäre dann der Genuss der Rache geblieben? Wir hätten zu viel gutes Blut vergossen für einen Hund, der noch lernen wird, was es bedeutet für den Tod einer Limpurg verantwortlich zu sein. Ich will ihn leiden sehen. Ich will ihn brechen, Stück für Stück. Doch ihm die Ehre bieten in einem Kampf zu fallen, der im Grunde unnötig wäre und unser schönes Land in Gefahr bringen würde? Nein. Zu gut für ihn. Er soll büßen und angekrochen kommen um mich zu bitten ihn von seinem bedauerlichen Leben erlösen. Dann, mein Freund, dann wird die Rache in vollem Maße ausgekostet sein.“
Wieder trat Stille ein in der Yendor merkte, dass Eslam mehr bedrückte. So nachdenklich und in sich gekehrt hatte er ihn bisher kaum erlebt. Vielmehr war Eslam einer von jenen Menschen die den Augenblick voll auslebten und dem daher kaum etwas die Laune verderben konnte.
„Bist Du in Sorge um Ra'oul, Deinen Sohn?“ Anhand der veränderten Haltung Eslams wußte der Gallsteiner, dass er mit seiner Frage ins Schwarze getroffen hatte.
„Er ist stark und erfahren. Er wird aus Albernia zurückkehren.“ Versuchte er den Brendiltaler zu beruhigen und war überrascht, als dieser nun lächelte. Ein Lächeln, dass für einen kurzen Moment die gewohnte Lebensfreude Eslams ausdrückte, bevor es wieder nachdenklich wurde.
„Duas ist äs nicht.“
„Was ist es dann?“
Eslam seufzte und schlug resignierend mit den Armen gegen seine Seite. „Du wirst sowieso nicht aufgäben, bevor ich Dir nicht alles ärzahlt habä“
„Ich habe gerade Zeit und bin nicht beschäftigt Böse zu sein.“ Wieder lächelte der Gallsteiner und es war ein Scherz , den wohl nur eben diese beiden Männern verstehen konnten, die selbst von einem Reich schon wegen ihrer Grausamkeit angeklagt worden waren und denen immer wieder alle möglichen Schandtaten zugerechnet wurden. Ob diese nun der Wahrheit entsprachen, oder nicht.
Ein Diener näherte sich den beiden Baronen und reichte ihnen auf einem Tablett zwei Pokale mit Wein. Beiläufig nahm sich jeder einen Becher und sie stießen gemeinsam an, bevor Eslam seine Gedanken erklärte.
„Waißt Du main Freundt. Ich bedaure kaum etwas in mainem Leben. Ich habä jeden Tag ausgekostet, als sei er mein letzter Tag. Wenn mich eines Tages Golgari holt, auf dass ich wiedergeboren wärde, so vermag ich mir einzugestähen, dass ich nichts verpaßt habe. Ich habe gekämpft und geliebt, habä getäten und wurde verwundet. Habe Freundä zu Grabe getragen und neue Feinde hinzugewonnen. An allän großän Schlachten meiner Zeit war ich dabei. Habe zweimal auf Maraskan gestritten, habä zweimal wider Ansin gekämpft. Den Schwarzpelz ebenso wie die Ferkinas besiegt. Am Arväpaß die Dunklen Schärgen zurückgeschlagen, vorhär an Trollpofärta main Blut gegäben und maine Waffän auf däm Weg von Wehrhaim gen Gareth widär däm Faind aus den Wolken erhoben, nur um bei dän Baburän verwundet zu wärden und Oron zu zerschlagen. Mein Ra's Aramala (Waffen-/Schwertschmuck à Knoten in Lederbänder, die traditionell am Schwertgriff befestigt sind) zählt nicht mehr die gewonnänen Zwaikämpfe, sondern die där Schlachten. Nain, ich habä so geläbt wie ich es wollte und wie die Getter es mir befohlän hatten.“
Der Gallsteiner ließ den Wein kühl seine Kehle hinab rinnen und genoß für einen Moment das Gefühl von Ruhe. Der Geschmack des guten Weines, der Geruch der Feuer, die angenehme Kühle der Nacht und das Wissen unter Freunden zu sein. Wie selten waren solch Augenblicke geworden? „Und dennoch scheint Dich etwas zu bedrücken, oder?“
„Bedrücken? Nein, äherr erkennen.“ Auch Eslam nahm einen weiteren Schluck aus seinem Pokal und genoß den fruchtigen Geschmack. „Die Gettär hatten mich immär dahin gelengt, wo ich gebraucht wurdä. Und jetzt…? Yendor, vor nicht all zu langär Zeit fand das Donnärsturmrännen statt und Ra’oul hat daran teilgenommän. Är hat dabei mit…“ die nächsten Worte schienen ihm nur schwer über die Lippen kommen zu wollen. „Är hat dabei mit Leomar von Baburin gesprochän. Mit däm Leomar, dar mit fir den Untergang unseräs Volkes verantwortlich ist. Verstähst Du Yendor? Frühär hatten die Gettär mich dahin gelenkt. Doch meine Zeit scheint vorbei zu sein. Main Sohn ist jetzt stark genug, mich zu ersetzen.“ Nicht ohne Stolz sprach Eslam die letzten Worte aus. Ra’oul war in seinem Schatten zum Krieger herangewachsen, hatte selbst schon an der Trollpforte, später am Arvepaß und auch in Aranien für die Nebachoten und das Reich gestritten. Jetzt war es Zeit für Eslam seinen Erstgeborenen loszulassen…