Geschichten:Die Falle einer Ratte - Die Katze ist aus dem Sack
Feste Osenbrück, 16. Peraine 1032 BF
Der Wind hatte sichtlich aufgefrischt und ließ die Fahnen auf dem Turm der Ordensburg flattern. Der Löwenkopf des Schwertordens tanzte wild, als wartete er darauf selber in die Schlacht zu ziehen, die sich in diesen Tagen abzeichnete. Vor den mächtigen Toren hatten die Geweihten der Rondra einen schweren Eichentisch gestellt, auf dem ein mächtiger Rondrakamm lag und über dem eine Parlamentärflagge wehte. So hatten es die beiden Parteien gewünscht, die nun an diesem Tisch zusammenfanden.
Zur Linken, wenige Schritt vom Toreingang entfernt, stand Malepartus von Helburg mit einem selbstsicheren Grinsen im Gesicht, der Baron von Höllenwall. Hinter ihm stand Giselhold von der Mühlen. Gegenüber, am anderen Ende des Tisches, stellte sich der Pfalzgraf zu Sertis, Hilbert von Hartsteen auf. Hinter ihm standen Wulf von Streitzig j.H. und Nimmgalf von Hirschfurten. Als unparteiischer Schiedsrichter hatte sich der Burgherr Tiro Aarwulfingen zwischen die beiden Parteien gestellt.
Es hatte sehr lange gedauert, bis es zu diesem Treffen hatte kommen können. Nachdem des Pfalzgrafen Söldner vor Burg Osenbrück aufmarschiert waren, hatte sich der Orden der Schwerter besorgt nach dem Woher und den Absichten der Bewehrten erkundigt. Der Wahrheit gemäß hatten man den Ordensleuten mitgeteilt, dass man in Fehde mit dem Baron von Höllenwall läge, welcher sich derzeit in den Mauern des Ordens aufhielte, und dessen Herausgabe man verlange. Der Ordensritter Ronko von Zank, welcher zu den Söldnern geschickt worden war, antwortete, dass man nicht wider die Gebote der Travia handeln und einen Gast ohne Vorwarnung vor die Tür in sein sicheres Verderben schicken könne. Die Söldner, welche mit einer solchen Antwort gerechnet hatten, erwiderten, dass man weder mit dem Orden der Schwerter noch mit dem Orden des Heiligen Zorns keinerlei Streit habe und keine böse Absichten gegen die Geweihten von Osenbrück und des anwesenden Zornesritters hege. Weder sie noch ihr Gesinde würden von ihnen behelligt, da man ja nur mit dem Baron von Höllenwall in Fehde liege. Diese Situation würde sich solange nicht ändern, bis der Eslamsgrunder Baron die Mauern der Burg verlassen habe.
Empörung löste dieses Verhalten zunächst unter den Rondrianern Osenbrücks aus, Empörung die der Marschall der Schwerter von Gareth, Tiro Aarwulfingen von der Seefeste jedoch zugleich entkräften konnte. „Auch wenn dieses Vorgehen nicht von Ehre zeugt, so ist das Duell beider Kontrahenten dennoch beendet gewesen. Der Aufmarsch der Söldner ist also mitnichten eine Folge des Duellausgangs, sondern die Fortführung der Fehde zweier Adelshäuser Garetiens.“
Dennoch ließen die Rondrianer es damit nicht auf sich beruhen. Während die Schwerter von Gareth zunächst seiner Hochgeboren von Höllenwall Kirchenasyl auf Burg Osenbrück gewährten und damit eine direkt und gewaltsame Festsetzung durch der Hartsteener Mannen verhinderten, schritt der einzige Zornesritter vor Ort, Anjun von Ingrams Fels zum Lager der Söldner und forderte eine Unterhaltung mit dem Pfalzgrafen. Sein Ziel war es, den Pfalzgrafen davon zu überzeugen, dass seine Vorgehensweise nicht rondragefällig war und dass sie schlimme Folgen zu Tage bringen könnten, sollten sie bekannt werden. Folgen die nicht nur das Haus Hartsteen betreffen, sondern das gesamte Königreich Garetiens.
Lange hatte das Gespräch gedauert, dem auch die Barone Nimmgalf von Hirschfurten und Wulf von Streitzig beigewohnt hatten. Am Ende jedoch, die Nacht war bereits hereingebrochen, verließ ein sichtlich erschöpfter, aber auch stolzer und voller Zuversicht erfüllter Zornesritter das Zelt des Pfalzgrafen. Sein Hochgeboren von Hartsteen war bereit zu Verhandlungen. Es sei überdies für das Leben das Barons verbürgt, wenn dieser die Bereitschaft bekunde, sich mit einem direkten Gespräch mit dem Pfalzgrafen zu Sertis einverstanden zu erklären, dessen Niederlage und Entschuldigung akzeptiere und auf diesem Wege die Unfehde erklärt würde. Der Geweihte der Rondra hatte zu verstehen gegeben, dass ein solches erst mit dem Betroffenen geklärt werden müsse und bat sich Zeit aus, um den Baron von Höllenwall zu informieren. Kurze Zeit später wurde aus der Burg bekannt, dass Malepartus von Höllenwall sich eine Bedenkfrist von heiligen zwölf Tagen ausbedinge, um darüber eine Entscheidung zu treffen. Schließlich stimmte er zu, seinen Kontrahenten im Schutze des Ordens vor der Ordensburg zu treffen.
So standen sie einander gegenüber. Niedergeschlagen, aber fest entschlossen blickte Hilbert von Hartsteen Malepartus von Höllenwall in die Augen und verkündete mit etwas zittriger, aber dennoch lauter Stimme: „Euer Hochgeboren von Höllenwall. Die Vorwürfe, die Ihr auf Pfalz Kaiserley gegen Uns erhoben habt, hat ein jeder vernommen und es bedarf ihrer daher keine Wiederholung. Dennoch möchten wir Euch mitteilen, dass unser Handeln weder aus Angst, noch aus Unehre bestimmt wurde, sondern lediglich nach dem Bestreben so zu Handeln, was aus Unserer Sicht das Beste für das Reiche Rauls sein sollte, auch wenn sich dies als eine Fehleinschätzung meiner Person herausgestellt hat. So Ihr dies anerkennt, erkenne ich Unsere Niederlage unseres Duells an, löse die Belagerung Eurer Person auf und biete Euch die Unfehde an.“
Doch statt erleichtert zu sein, schien der Baron von Höllenwall mit jedem Wort Hilberts breiter und höhnischer zu Grinsen. Er wusste durch eine Geheimbotschaft, dass seine Bundesgenossen der Ritterschaft zu Puleth nur noch wenige Wegstunden entfernt waren und ihn niemals im Stich lassen würden, schon gar nicht sein Freund von Gallstein, der nach dem Blute Hilberts dürstete.
Höhnisch und ruhig war daher auch seine Antwort. „Ihr erdreistet Euch, von Hartsteen.“ Dabei zog er das letzte Wort absichtlich in die Länge. „Erst knifftet Ihr wie ein feiger Hund und handeltet unehrenhaft auf Kaiserley, dann verlort Ihr das Duell, in dem ich Euer Leben verschonte, belagert Uns nun dann auch noch mit Eurem Dreckspack und erwartet jetzt, dass wir Euch dies verzeihen und Eure Ehre anerkennen?“ Malepartus verfiel in ein hohles Gelächter, bevor er weiter sprach. „Ist es das, was man bei den Trollpfortenrittern unter Ehre versteht? Ist es das, was Ihr mit Eurem Gecken von Hirschfurten und Eurem Kettenhund von Uslenried ausgeheckt habt, um euer erbärmliches Dasein erneut zu retten? Pah von Hartsteen, geht zurück in das Loch, aus dem Ihr und all Eure Trollpfortenfeiglinge herausgekrochen seid und lasst die Edlen des Reiches in Frieden.“ Wulf räusperte sich vernehmlich; die Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Wenn hier jemand ein Kettenhund ist, dann seid Ihr es, Höllenwall; schließlich lasst Ihr Euch als Schoßhündchen des Blutigen Ugos gängeln. Nehmt den Mund nicht so voll, sonst zeige ich Euch, wie man in Waldstein räudige Köter behandelt!"
Auch Hilbert fiel bei den Schmähungen des Höllenwallers alles aus dem Gesicht, ebenso dem Zornesritter und den Schwertern von Gareth. Fast arrogant war es zu bezeichnen, als Malepartus sich umdrehte und die anderen auf der Zugbrücke stehen ließ.
Weiß und vor Zorn bebend trat Nimmgalf von Hirschfurten einen Schritt vor. Er zischte deutlich hörbar: „Höllenwall, diese Beleidigung nehmt Ihr zurück. Oder ich vergesse mich.“
Malepartus blieb stehen und lächelte maliziös. Sein Plan war aufgegangen, der Köder war geschluckt worden. Langsam, sehr langsam drehte er sich um und ging langsam auf Nimmgalf zu. „Niemals im Traum fiele es mir ein, auch nur eines meiner Worte zurück zu nehmen. Ich wiederhole sie aber gerne nochmals für Euch, der Ihr offensichtlich ihren Sinn nicht verstanden habt. Ich verachte Euren Turnierbund, der eine Ausgeburt von Feigheit und eine Schande für den aufrechten Adel des Reiches darstellt. Ihr habt ebenso wenig Ehre am Leib wie dieser zurückgebliebene Kretin, den Ihr Euren Bundesbruder nennt.“
Derweilen hatten sich die Rondrianer wieder gefasst und waren bereit dazwischen zu gehen, sollte sich die Lage ebenso zuspitzen wie es auf Kaiserley geschehen ward. Auch der Pfalzgraf von Sertis war einen Schritt nach vorne getreten, und fasste seinen Bundesgenossen am Arm. „Nicht! Dieser Wurm ist es nicht wert, Nimmgalf…“
„Sei ruhig!“ Nimmgalf schüttelte die Hand Hilberts ab. „Baron von Höllenwall, Ihr und Eure nach Blut lechzenden Freunde, seid versichert, Ihr habt Euch an diesem Tag einen Feind gemacht. Euch und dem gesamten Bund der Pulethaner erkläre ich im Namen der Bruderschaft der Trollpfortensieger die Fehde.“ Er zog ein weißes Tuch aus seiner Tasche hervor und zerriss es. „Das Band ist zerrissen zwischen uns.“
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„Das Band ist zerrissen zwischen uns“ | ▻ |